DAZ aktuell

Sorge um zunehmenden grauen Markt

FRANKFURT (hb). Zweifellos ist es in den letzten Jahren um den Problemkreis Parallel- und Reimporthandel deutlich ruhiger geworden. Die rund 15 maßgeblichen deutschen Importunternehmen haben ihre Position im Markt gefestigt, last but not least begünstigt durch die diesbezüglichen Erstattungsregelungen. Dabei scheint die rechtliche Situation bei weitem noch nicht ausreichend konsolidiert zu sein, wie bei einer Veranstaltung von Colloquium Pharmaceuticum am 31. Mai 2005 in Frankfurt deutlich wurde.

Erhebliche Rechtsunsicherheiten resultieren offenbar schon alleine daraus, dass der Begriff des Parallel- oder Reimporthandels in der Arzneimittelgesetzgebung nicht existiert. So sind klare gesetzliche Regelungen, etwa zur Zulassung und Kennzeichnung, nicht vorhanden. Für die Erteilung der Verkehrsgenehmigung müssen die Zulassungsbehörden lediglich die Identität des Importpräparates mit dem hierzulande zugelassenen überprüfen. Die praktischen Spielregeln legt die Europäische Kommission fest.

Einzelheiten, vor allem zu der Grenzziehung in Sachen "Identität" und zur Kennzeichnung, das heißt im Wesentlichen zum Umpacken, haben sich in den letzten Jahren durch die umfangreiche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes herauskristallisiert.

Neuinterpretation durch "Kohlpharma"-Urteil

Wie aus den Ausführungen von Rechtsanwalt Markus Ambrosius, Bonn, deutlich wurde, ist der "liberale Ansatz", der die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH seit jeher geprägt hat, nach wie vor ungebrochen. Zuletzt hatte das so genannte "Kohlpharma"-Urteil im April 2004 (C-112/02) für einige Aufregung in der Industrie gesorgt. Hierin hatte der Gerichtshof den Status des Parallelimports selbst bei unterschiedlichen Anbietern ohne konzernrechtliche Verflechtung (keine Ursprungsidentität) anerkannt. Die Grenzen zur Generika-Zulassung würden damit fließend, betonte Ambrosius.

BfArM kämpft mit zahlreichen Details

Angesichts dieses neuen Sachstandes ist besonders die Zulassungsbehörde gefordert, die, wie Dr. Marc Wagner aus der Rechtsabteilung des BfArM berichtete, im Jahr 2004 insgesamt 432 Verkehrsgenehmigungen für Parallel- und Reimporte erteilt hat. Rund 460 Anträge sind dort derzeit noch offen. Zentrale Fragen in den Verfahren sind neben der Produkt- und Ursprungsidentität der Arzneimittel auch die Vorgehensweise bei einem Wegfall der "Bezugszulassung". Hier ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den Zulassungsbehörden vonnöten, um die Rechtmäßigkeit einer Antragstellung im Einzelfall zu bestätigen.

Einzelimport als Schlupfloch für Parallelimporte

Erich Dambacher, Bad Soden, legte dar, dass der ökonomische Gewinn, den die Krankenkassen durch den Parallelhandel reklamieren, durch Steuerausfälle auf Seiten der "Originalanbieter" wieder mehr als wettgemacht wird, sodass die wirtschaftliche Gesamtbilanz aus seiner Sicht nicht positiv, sondern negativ ausfällt. Sorge bereitet ihm wie auch Dieter Temme von der Behörde für Wissenschaft und Gesundheit in Hamburg außerdem der zunehmende gewerbsmäßige Markt, der sich aus der Ausnahmeregelung des § 73 (3) des Arzneimittelgesetzes zum Einzelimport entwickelt hat.

Temme sieht hierin auch ein Schlupfloch für in Deutschland nicht zugelassene "Parallelimporte" aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die damit der Kontrolle etwa durch die Zollbehörden entzogen sind, und regte an, die Rezepte für solche Einzelimporte in der Apotheke konsequent zu dokumentieren, um später Warenströme besser nachprüfbar zu machen.

Importeure im Großen und Ganzen zufrieden

Die Sicht der Arzneimittelimporteure schilderte Rechtsanwalt Thilo Bauroth, Merzig. Seiner Einschätzung nach läuft das Informationsverfahren der "Originalanbieter", mit dem vor allem markenrechtliche und Arzneimittelsicherheitsprobleme verhindert werden sollen, gut. Das hieraus resultierende Konfliktpotenzial hat sich erheblich vermindert. Auch Probleme durch unterschiedliche Packungsgrößen sind Bauroths Schilderungen zufolge in der Regel lösbar.

Kein vorübergehendes Phänomen

Schließlich darf nicht vergessen werden, so das Fazit der Experten, dass die Europäische Kommission den Parallelhandel als ein wirksames Instrument für eine schnellere Konvergenz der Arzneimittelpreise im Binnenmarkt betrachtet, der Hauptgrund, warum sie diesen so nachhaltig fördert. Davon ist allerdings offenbar bis dato weder viel zu spüren, noch ist, wie Dambacher bekräftigte, in nächster Zukunft damit zu rechnen, dass der Parallelhandel sich aufgrund der Angleichung der Preise quasi "von selbst erledigt".

So lange das Einkommensniveau in den EU-Mitgliedstaaten so stark divergiert und so lange Arzneimittelpreise in einigen Ländern wegen staatlicher Dirigismen nicht frei festgesetzt werden können, werden die Marktbeteiligten und auch die Patienten mit dem Phänomen des Importhandels weiter leben müssen.

"Wenn wir aus dem Ausland eine 60er-Packung importieren und in Deutschland eine 50er brauchen, dann nehmen wir aus den Packungen jedes Mal einen 10er-Blister raus. Und wenn wir fünf zusammen haben, dürfen wir dafür dann einen eigenen Umkarton machen." 
T. Bauroth

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.