Apothekertag Niedersachsen

Arzneimittelversorgung: flächendeckend und qualitätsorientiert

Am 28. und 29. Mai fand in Braunschweig der 3. Niedersächsische Apothekertag statt. Etwa 500 Besucher nahmen trotz der teilweise tropischen Temperaturen an den vielfältigen Veranstaltungen teil. In den fachlichen Vorträgen und Seminaren ging es beispielsweise um die Stammzellforschung und die praktische Umsetzung der Pharmazeutischen Betreuung. Bei der Berufspolitik stand die Arzneimittelversorgung auf der Grundlage von Verträgen zwischen Krankenkassen und Apothekerverbänden im Vordergrund. Daneben wurden in Braunschweig eine pharmazeutische Ausstellung und ein umfangreiches Rahmenprogramm geboten, bei dem die Besucher zwei der interessantesten Forschungseinrichtungen der Stadt, die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung und die Physikalisch-technische Bundesanstalt, kennen lernen konnten.

Fragen vor den Neuwahlen

Bei der Eröffnung bezeichnete die Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen und der Bundesapothekerkammer Magdalene Linz das Motto des Apothekertages "flächendeckend und qualitätsorientiert" als Prüfstein der Apotheker für die angekündigten Bundestagswahlen. Die Politiker sollten erklären, ob sie hinter diesem Konzept stehen und die Apotheken als unverzichtbar anerkennen.

Die jüngste Einigung bezüglich der Anpassung des Krankenkassenabschlages ist nach ihrer Einschätzung ein "Kompromiss mit Augenmaß", der die negative Darstellung der Apotheker in den Medien schnell beendet habe. Obwohl die Vereinbarung sicher einigen Kollegen weh getan haben dürfte, hätten die Apotheker damit Verantwortung gezeigt und die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung deutlich gemacht.

Der ABDA-Präsident und Vorsitzende des LAV Niedersachsen Heinz-Günter Wolf konnte wegen eines kurzfristig angesetzten Termins mit der Bundesgesundheitsministerin nicht an der Eröffnungsveranstaltung des Apothekertages teilnehmen. Wie er zuvor gegenüber der DAZ erklärte, müssten die Apotheker angesichts der jüngsten bundespolitischen Entwicklung den Parteien jetzt "intensiv den Puls fühlen", wie sie sich die Arzneimittelversorgung durch die niedergelassenen Apotheker vorstellen. Außerdem sollten die Apotheker den Politikern ihr Versorgungskonzept vermitteln.

In Vertretung für Wolf begrüßte LAV-Vorstandsmitglied Peter Braem die Apothekertagsgäste und betonte die Sozialpflichtigkeit der Apotheken. Entgegen dem Trend bei anderen Dienstleistungs- und Handelsunternehmen würden sich die Apotheken nicht aus der flächendeckenden Versorgung ländlicher Räume zurückziehen. Unter der Vorgabe der Flächendeckung sei das bestehende Apothekensystem sogar die kostengünstigste Versorgung, denn ohne den besonderen Idealismus der Apotheker würden die gegenwärtigen Honorierungen für diese Leistung nicht ausreichen.

In einem schriftlich übermittelten Grußwort bezeichnete die niedersächsische Sozialministerin Dr. Ursula von der Leyen das Gesundheitswesen als Arbeitsmarkt der Zukunft und würdigte die Rolle der Apotheker als Arzneimittel- und Gesundheitsmanager, insbesondere im Rahmen der Prävention und der Krankenhaus- und Heimversorgung. Die Neustrukturierung der Arzneimittel- und Apothekenüberwachung, durch die die Apothekerkammer Niedersachsen zum Jahreswechsel staatliche Überwachungsaufgaben übernommen hat, werde eine Pilotfunktion für andere Bundesländer bekommen.

Für die Stadt Braunschweig begrüßte die Bürgermeisterin Inge Kükelhan die Besucher des Apothekertages und machte die herausragende Rolle der Stadt als Forschungsstandort mit der höchsten Forscherdichte in Deutschland und den größten Forschungsausgaben in Europa deutlich.

Noch mehr Verträge mit Krankenkassen

Die zentrale berufspolitische Veranstaltung des Apothekertages war das berufspolitische Forum. Dort diskutierten Dr. Eckart Galas, BKK Landesverband Niedersachsen, und Uwe Hansmann, stellvertretender Vorsitzender des LAV Niedersachsen, unter der Moderation von Dr. Martin Thomsen, Geschäftsführer der Apothekerkammer Niedersachsen, über die Entwicklung der Arzneimittelversorgung. Hintergrund der Diskussion war die zunehmende Vielfalt der Verträge zwischen Krankenkassen und Apothekern.

In diesem Zusammenhang war am Rande des Apothekertages von einem weiteren Vertrag zu hören. Demnach haben die Apothekerverbände in Niedersachsen und Bremen mit der Bremer Handelskrankenkasse einen Hausapothekenvertrag vereinbart, der noch von den zuständigen Gremien genehmigt werden muss und sich inhaltlich am Barmer-Vertrag orientiert. Damit wurde erstmals mit einer regional orientierten Krankenversicherung ein einheitlicher Hausapothekenvertrag für zwei Bundesländer formuliert.

Auch Galas kündigte an, neue Verträge mit den Apothekern schließen zu wollen. Wegen des komplizierten Vertragswerks, wie es im GMG vorgesehen ist, sei dies aber nur für Inhalte sinnvoll, bei denen ein Bedarf deutlich erkennbar ist, wie beispielsweise bei den Hausapotheken. Er befürwortet den Vertragswettbewerb, befürchtet aber, dass eine Zersplitterung in Verträge mit 200 Einzelkassen intransparent wird und in den Apotheken nicht zu handhaben ist. Daher strebt er aus der Perspektive des BKK Landesverbandes gemeinsame Verträge mit allen Betriebskrankenkassen an.

Krankenkassen als Kunden

Hansmann betonte, dass die Verträge demonstrieren, wie erfolgreich die Selbstverwaltung funktioniert. Es sei wichtig, die Leistungen der niedergelassenen Apotheken in den Verträgen zu beschreiben und sie mit den Angeboten der neuen Wettbewerber aus dem Versandhandel vergleichen zu können. Außerdem wollten die Apotheker die Krankenkassen als ihre größten Kunden zufrieden stellen. Trotz des organisatorischen Aufwandes müssten die Apotheker künftig auch unterschiedliche Modellversuche verschiedener Kassen begleiten.

Die Krankenkassen würden mit Angeboten von Apothekenkooperationen konfrontiert, die besonders günstige Konditionen versprechen. Doch seien diese Kooperationen nicht flächendeckend, sodass die Versicherten mit einer solchen Versorgung nicht zufrieden sein könnten. Auch Galas machte deutlich, dass er Verträge mit einem flächendeckenden Angebot bevorzugt. Einzelverträge mit Apotheken seien wegen der hohen Transaktionskosten auch aus ökonomischer Sicht nachteilig. Daher sollten möglichst Vertragsgestaltungen gewählt werden, bei denen eine Ausschreibung für Einzelanbieter nicht erforderlich ist.

Hansmann verwies zudem auf die gesetzliche Verpflichtung aller Leistungserbringer, ihre Qualität nachzuweisen. Nur auf dieser Grundlage dürften sie künftig mit Krankenkassen abrechnen. Im Auditorium wurden unterschiedliche Erfahrungen geäußert. Während viele Versicherte offensichtlich nur an Einsparungen bei der Praxisgebühr interessiert seien, freuen sich andere über die Fürsorge der Apotheker bei der Erstellung des individuellen Medikationsprofils. Diese Leistungen der Apotheken sollen den Patienten künftig durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit stärker verdeutlicht werden. Galas kündigte an, keine Verträge abzuschließen, die nur auf eine Einsparung der Praxisgebühr zielen.

Kritik aus der Praxis

Aus der Perspektive der Praxis sind die niedrigen Teststreifenpreise häufig eine Hauptkritik der Apotheker an den Verträgen, wie Thomsen betonte. Nach Einschätzung von Hansmann ist dies jedoch in Relation zu den strategischen Aspekten der Verträge ein wenig bedeutsamer Punkt. Für die Krankenkassen sei es vorteilhaft, einen gemeinsamen Preis für alle Teststreifen zu vereinbaren, meinte Galas. Er appellierte an die Apotheker, diesen Preis, der am Markt entstanden sei, auch zu taxieren. Linz forderte die Apotheker auf, die Teststreifenpreise als Teil einer Paketlösung für die Versorgung aus einer Hand zu verstehen und sie nicht isoliert zu betrachten.

Im Auditorium wurde kritisiert, dass Krankenkassenmitarbeiter sich in ihrer alltäglichen Arbeit nicht immer als Partner der Apotheker zeigen würden. Den Sachbearbeitern seien die relevanten Verträge und erst recht die Inhalte teilweise nicht bekannt. Galas äußerte dazu die Hoffnung, dies seien nur Einzelfälle. Doch mahnte Thomsen, nicht zu schnell zu viele neue Regelungen zu vereinbaren. Auch die Apotheker müssten Zeit haben, neue Arbeitsweisen umzusetzen.

Stammzellen aus Sicht der Pharmazie, ...

Bereits am ersten Veranstaltungstag stand ein pharmazeutisch relevantes und gesellschaftlich stark umstrittenes Thema auf der Tagesordnung. Die Möglichkeiten und Grenzen der Stammzellforschung wurden in drei Vorträgen aus pharmazeutischer, theologischer und politischer Sicht betrachtet und unter der Moderation von Hartmut Vaitiekunas, Apotheke des Klinikums Braunschweig, im Auditorium diskutiert.

Prof. Dr. Theo Dingermann, Frankfurt/Main, beschrieb die pharmazeutische Perspektive und stellte zunächst die grundlegenden Begriffe vor. Molekulares Klonieren ist die Expression eines Gens in einem fremden Organismus. Klonen ist die Herstellung einer identischen Kopie eines ganzen Lebewesens oder eines Zelltyps, aus dem sich unter geeigneten Umständen ein Lebewesen hätte entwickeln können. Stammzellen sind alle noch nicht ausdifferenzierten Zellen. Die embryonalen Stammzellen sind totipotent, d. h. sie können sich zu jedem beliebigen Zelltyp oder zu einem ganzen Lebewesen entwickeln.

Nach einigen Teilungsschritten sind sie "nur" noch pluripotent, d. h. sie können viele Funktionen wahrnehmen, aber kein ganzes Lebewesen bilden. Für Stammzellkulturen werden üblicherweise die inneren Zellen einer Blastozyste gewonnen, die "nur" pluripotent sind. Es wird erwartet, mit solchen Zellen die Funktion von verschiedenen Geweben darstellen und sie zur Regeneration von Organen einzusetzen zu können.

Im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen erscheint dies mit adulten Stammzellen kaum aussichtsreich, weil sich Zellen verschiedener Funktionen möglicherweise nicht ineinander umwandeln lassen. Doch werden adulte Stammzellen bereits therapeutisch eingesetzt, beispielsweise hämatopoetische Stammzellen. Dagegen würden nur "echt Verrückte" darüber nachdenken, aus totipotenten Stammzellen ganze Menschen zu klonen.

Durch kürzlich veröffentlichte Ergebnisse aus Korea wird der Zellkerntransfer zur Etablierung patientenspezifischer Stammzellen mit großer Aufmerksamkeit betrachtet. Dabei wird genetisches Material eines Spenders in eine entkernte Eizelle eingebracht und so eine embryonale Stammzelllinie erzeugt. Da diese Zellen die genetischen Eigenschaften des Spenders haben, würden sie bei diesem nach einer Transplantation keine Abstoßungsreaktion auslösen. Im Unterschied zu bisherigen Versuchen konnte nun gezeigt werden, dass die Gewinnung solcher Zellen mit einer praktikablen Ausbeute möglich ist. Doch bleibt vollkommen ungeklärt, ob diese Zellen für irgendeine Therapie hilfreich sein können.

Die Kritik an diesem Verfahren entzündet sich insbesondere an der prinzipiell vorstellbaren Möglichkeit, eine Stammzelle in einen Uterus einzupflanzen und einen ganzen menschlichen Klon heranwachsen zu lassen. Auf diese Weise ist das berühmte Klonschaf "Dolly" entstanden, aber alle bisher auf diese Weise erzeugten Tiere scheinen schwer krank zu sein. Im Unterschied zur Züchtung von Zelllinien muss dabei ein embryonales Expressionsprogramm ablaufen. Die dafür notwendigen Manipulationen betreffen insbesondere das Methylierungsmuster der Cytosinbasen in der DNA und werden unter dem Begriff Epigenetics subsumiert.

Nach Einschätzung von Dingermann war die bisher eher abwartende Haltung der deutschen Politik angemessen. Doch insbesondere nach den jüngsten Entwicklungen sehe er jetzt den Zeitpunkt gekommen, um sich neu zu positionieren und mehr Forschung zu betreiben. Die Politik sei gefordert, das unverantwortliche reproduktive Klonen von Menschen zu verbieten und durch eine solche klare Regelung den Weg für andere Forschungen frei zu machen, so wie es in Großbritannien geregelt sei.

... der Theologie ...

Diesem Vorschlag widersprach Dr. Andrea Dörries, Zentrum für Gesundheitsethik der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hannover, weil die Grenze zwischen therapeutischem und reproduktivem Klonen nicht scharf sei und eine solche Regelung umgangen werden könnte. Allenfalls ein internationales Verbot könne wirken, sei aber derzeit nicht durchsetzbar. Nach Darstellung von Dörries rankt sich die gesellschaftliche Debatte zur Stammzellforschung in Deutschland um die Frage, ob die Gesellschaft feststehende Tabus anerkennt oder ob es in der Natur des Menschen liegt, immer wieder Grenzen zu überschreiten, um dann neue Grenzen zu setzen.

Gemäß der Position des Rates der EKD sind gezielte Eingriffe an Embryonen nicht zu verantworten und durch kein Ziel zu rechtfertigen. Da das menschliche Leben von Anfang an Schutz genieße, verbiete dies auch die Vernichtung einer Blastozyste. Da aber die Freiheit zum eigenen Standpunkt ein Kennzeichen des Protestantismus ist und Eindeutigkeit nur in Grundfragen des Glaubens geboten ist, ist diese Position in der wissenschaftlichen protestantischen Theologie umstritten.

So entstand eine zweite Position, die dem Embryo nur dann einen unteilbaren Schutz zuspricht, wenn die äußeren Entwicklungsbedingungen gewährleistet sind, unter denen er sich zu einer Person mit einer zwischenmenschlichen Perspektive entwickeln kann. Damit wären Versuche an embryonalen Stammzellen unter eng begrenzten Bedingungen zu rechtfertigen. Konsens innerhalb der evangelischen Kirche ist jedoch, die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken und das reproduktive Klonen abzulehnen. Die katholische Kirche lehnt jeden Eingriff an embryonalen Stammzellen ab.

In der Diskussion meinte Dörries, die Hoffnung auf Heilung durch die Gentherapie betreffe nicht die heutigen Kranken, denn es sei nicht zu erwarten, dass innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte erfolgreiche Therapieverfahren entwickelt werden könnten. Bis dahin sei noch sehr viel an Tieren zu erforschen. Auf die Frage von Vaitiekunas, wie sie zu einem "unethisch" hergestellten Arzneimittel stehen würde, das möglicherweise in zwanzig Jahren im Ausland angeboten werde, meinte Dörries, sie würde es ablehnen, wenn dafür Embryonen hergestellt würden, aber sie sei überzeugt, dass es trotzdem eingesetzt würde, wenn es wirksam wäre.

... und der Politik

Die Biotechnologin und Braunschweiger SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Carola Reimann stellte die politische Perspektive des Problems vor und beeindruckte das Auditorium durch ihre Sachkenntnis. Das weltweit einzigartige deutsche Embryonenschutzgesetz erlaubt die Erzeugung von Embryonen nur zu Fortpflanzungszwecken. Bei der künstlichen Befruchtung bleiben zwangsläufig Blastozysten übrig, obwohl es nach den gesetzlichen Vorgaben nicht sein dürfe. So werden überhaupt erst Embryonen für Forschungszwecke verfügbar.

Nach dem deutschen Gesetz sind Embryonen und totipotente Stammzellen rechtlich gleichgestellt, aber die Grenze zwischen toti- und pluripotenten Stammzellen ist fließend. Versuche an embryonalen Stammzellen sind in Deutschland nur unter einem rigiden Kontrollverfahren, nach positiven Tierversuchen und dem Votum einer Ethikkommission zugelassen. Insoweit entspricht dies etwa den schweizerischen Vorschriften, die Reimann auch für Deutschland als geeignet angesehen hätte.

Als weitere Einschränkung darf in Deutschland aber nur an importierten Zelllinien geforscht werden, die zu einem Stichtag bereits existiert haben. Damit sollen Anreize zur Erzeugung weiterer Embryonen und der Missbrauch durch fingierte künstliche Befruchtungen verhindert werden.

Im Interesse der Forschung hätte Reimann eine Unterscheidung zwischen Embryonen, die durch Verschmelzung von Ei- und Samenzelle entstanden sind, und künstlich erzeugten Blastozysten vorgezogen, doch sei dies schwer zu vermitteln. Ein weiterer alternativer Regelungsansatz könnte aus der Nidation abgeleitet werden, zumal die Spirale als Verhütungsmittel akzeptiert ist, obwohl dabei ein befruchtetes Ei an der Einnistung im Uterus gehindert wird.

Doch äußerte sich auch Reimann skeptisch zu den Erfolgsaussichten denkbarer Forschungen. Niemand solle erwarten, dass ganze Organe mit ihrer komplexen inneren Struktur gezüchtet werden. Es könnten allenfalls Zellen geschaffen werden, die bestimmte Stoffwechselfunktionen notdürftig übernehmen. Das aus Korea berichtete Verfahren könne auch nur von dieser einen Forschergruppe angewendet werden.

Außerdem würden die dabei erzeugten Zellen zwangsläufig den gleichen Defekt wie die Zellen des Spenders haben. Sie würden sich daher für die gezielte Forschung, aber nicht unmittelbar für die Therapie anbieten. Vermutlich würden die heutigen Erwachsenen nicht mehr erleben, dass aus dieser Technologie marktfähige Arzneimittel entstehen. Außerdem sollte akzeptiert werden, dass offenbar große Teile der Bevölkerung dem Lebensschutz in der frühesten Lebensphase eine besondere Bedeutung beimessen.

Eliten in der Demokratie

Einen weiteren Höhepunkt des Apothekertages bildete am zweiten Veranstaltungstag der beeindruckende Festvortrag des international engagierten Medizintechnikers und Ökonomen Prof. Dr. Dr. Dipl.-Ing. Manfred Pausch, Wiesbaden, über die Frage "Brauchen wir Eliten?". Häufig werde gefragt, ob Eliten mit der Demokratie vereinbar sind. Im Gegensatz zu England und Frankreich gebe es in Deutschland kein in sich geschlossenes Elitesystem. Wegen der Selbstaufgabe des Bürgertums im Kaiserreich und des Missbrauches des Elitebegriffs in der Nazidiktatur sei der Begriff in Deutschland lange nicht salonfähig gewesen.

Stattdessen habe in der Bundesrepublik die Chancengleichheit im Vordergrund gestanden, aber dennoch hat die Pisa-Studie gezeigt, dass die erreichten Bildungsabschlüsse in keinem anderen Land so stark von der Stellung der Eltern abhängen wie in Deutschland. Nun zeichne sich in Deutschland ein Umdenken dahingehend ab, dass auch eine Demokratie eine Elite braucht und auch Gleichheit ungerecht sein kann. Zudem sei die historische Entwicklung des Elitebegriffes im französischen Merkantilismus zu bedenken, wo die bürgerliche Elite mit dem freien Leistungswettbewerb gerade eine Alternative zum Adel schaffen wollte. Eine Elite in der Demokratie dürfe sich demnach nicht auf die Herkunft, sondern nur auf die Leistung stützen.

Was ist eine Elite?

Die Frage, was überhaupt eine Elite ist, führt zu einer Unterscheidung in Macht-, Meinungs-, Leistungs- und Werteelite, die aber nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. Der Begriff der Werteelite wirft die Frage auf, wer die zugrundeliegenden Werte definiert. Dagegen ist eine Funktionselite in Politik, Wirtschaft und Kultur klarer zu fassen. Die Machtelite verdankt ihre Position einer überlegenen Durchsetzungsfähigkeit. Demnach wäre der Einfluss, den die Angehörigen einer Elite ausüben, ein Kriterium für die Zugehörigkeit zu einer Elite, aber dies muss nichts über die Leistungen der Elite aussagen.

So sind manche hohen Abfindungen für Manager nach Auffassung von Pausch ein Inbegriff von Eliteversagen. Stattdessen erwarte die Gesellschaft Eliteverantwortung, beispielsweise Unternehmer mit Sozialkompetenz, die auch die Interessen der Belegschaft und der Kunden und nicht nur kurzfristige Gewinnziele beachten. Die Elite müsse Antworten auf zentrale gesellschaftliche Fragen bieten und Diskussionen fördern, beispielsweise über die Globalisierung, die Osterweiterung der Europäischen Union und die Kampfeinsätze der Bundeswehr.

Förderung von Eliten

Die Eliteförderung sollte für offene Eliten sorgen. Dazu müsse insbesondere der Zugang zur Bildung offen sein. Die Förderung ganzer Institutionen, insbesondere mit dem Ziel, Eliteuniversitäten zu schaffen, sei aber "Blödsinn". Stattdessen sollten Individuen gefördert werden. Private Universitäten seien eine willkommene Ergänzung zu staatlichen Hochschulen, aber sie könnten die staatlichen Angebote nicht ersetzen, weil sie sich logischerweise am Markt orientieren und damit auf wenige Fächer konzentrieren. Zur Förderung von Eliten seien Bildungsstandards für Schulen dringend zu wünschen. Außerdem sollten der Leistungsgedanke nicht aus dem System verbannt und die Leistungsanreize nicht nach unten nivelliert werden.

Die in Deutschland verbreitete Eliteschelte dürfe kein bloßes "Abwatschen" sein. Die Bürger dürften nicht zu einfache Antworten erwarten und müssten einsehen, dass die Politik vor großen Herausforderungen steht und viele Entscheidungen nur langfristig wirken können. Die zentralen Forderungen von Pausch an Eliten sind, Selbstbewusstsein und Risikobereitschaft zu zeigen und die eigene Verantwortung zu reflektieren. Demgegenüber müsse die Gesellschaft erkennen, dass Eliten zum Nutzen aller sind, und sollte besondere Fähigkeiten gelten lassen. Denn die Gesellschaft benötige unbedingt Eliten.

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