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Linz: Apothekensystem existenziell bedroht

MERAN (diz). Das Apothekensystem sieht sich heute und auch in Zukunft vielfältigen Angriffen seitens der Politik ausgesetzt. Magdalene Linz, Präsidentin der Bundesapothekerkammer (BAK), wies in ihrem politischen Statement zur Eröffnung des BAK-Fortbildungskongresses am 22. Mai im Südtiroler Kurstädtchen Meran auf die zahlreichen gesundheitspolitischen Probleme und Auseinandersetzungen hin, mit denen sich die Apotheken konfrontiert sehen. Rund 800 Apothekerinnen und Apotheker nehmen an der Fortbildungswoche vom 22. bis 27. Mai in Italien teil.

Es ist nicht davon auszugehen, so die seit Januar amtierende BAK-Präsidentin, dass die Bundesregierung vor der Bundestagswahl eine weitere Gesundheitsreform angehen wird, allerdings dürften wohl schon Konzepte für weitere Reformen in der Schublade liegen. Untätig ist die Regierung derzeit trotzdem nicht, aktuelles Beispiel ist die vorgesehene Änderung des § 14 Apothekengesetz, mit der die Versorgung von Krankenhäusern über die heute gültigen Kreisgrenzen hinaus ermöglicht werden soll. Die EU sah im Kreisgrenzenprinzip eine Benachteiligung anderer Apotheken im Wettbewerb um die Versorgung.

Linz erinnerte daran, dass es 1980 eine SPD/FDP-Regierungskoalition war, die dieses Prinzip einführte, um Missstände in der Krankenhausversorgung zu beenden. Die jetzige Regierung mit der SPD als Koalitionspartner will von der früheren Auffassung nichts mehr wissen, konstatierte Linz. Im Rahmen der politischen Auseinandersetzungen konnten die Apotheker aber deutlich machen, dass die Versorgung eines Krankenhauses mit Arzneimitteln weit mehr ist als nur die logistische Belieferung mit Arzneimitteln. So konnte auch die Fragmentierung verhindert werden, dass die "normale" Arzneimittellieferung z. B. durch eine Apotheke beispielsweise aus dem Ausland erfolgt, die Akutversorgung die Apotheke vor Ort erledigt.

Ein solches Prinzip, übertragen auch auf die Versorgung von Alten- und Pflegeheimen oder von chronisch Kranken, hätte zu einer existenziellen Bedrohung des bewährten Apothekensystems geführt, so Linz. Man konnte erreichen, dass die Versorgung eines Krankenhauses an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist: Beispielsweise muss die Apotheke dringend benötigte Arzneimittel unverzüglich zur Verfügung stellen. Eine Aufsplittung der Krankenhausversorgung in eine Belieferung durch eine weit entfernt liegende Apotheke und mehrere Satellitenapotheken im nahen Umkreis gibt der vereinbarte Gesetzestext, so die BAK-Präsidentin, nun nicht mehr her.

Der Anachronismus der Verblisterung

Ein weiterer Angriff auf das Apothekensystem droht durch die 14. Novelle des Arzneimittelgesetzes, mit der die Bundesregierung offensichtlich einer "patientenindividuell verblisterten Arzneimittelwelt" näher kommen will. Die Politik setzt sich, wie Linz erklärte, für die vermeintlich bestechende Idee ein, die jeweils benötigten Arzneimittel in Blister abzufüllen, und verspricht sich davon noch Kosteneinsparungen. Einem Gutachten des Gesundheitsökonomen Lauterbach lässt sich entnehmen, dass das Verblistern sogar mehr Kosten generiert – ein Anachronismus, wie Linz feststellte. Darüber hinaus will der Entwurf der 14. AMG-Novelle sogar erlauben, Arzneimittel zu verblistern, die in Deutschland keine Zulassung haben. Hier wird ein Einfallstor geöffnet, das die Arzneimittelsicherheit gefährdet, kommentierte die BAK-Präsidentin dieses Vorhaben. Die ABDA wird sich dafür einsetzen, dass diese Regelung nicht Gesetz wird.

Qualitätsoffensive erfolgreich gestartet

Positives konnte Linz von der im vergangenen Jahr gestarteten Beratungsoffensive berichten, die das wichtigste Kapital der Apotheker, die Information und Beratung, auch für die Politik erlebbar machen will. In Kooperation mit der Werbe- und Vertriebsgesellschaft hat die ABDA das Pseudo Customer Konzept entwickelt als Hilfe zur Selbsthilfe. Nach anfänglicher Skepsis findet dieses Konzept nun gute Akzeptanz bei den Apothekerinnen und Apothekern.

Auch mit den von der Kammer durchgeführten Testkäufen, die nichts mit einer "Polizeifunktion" zu tun haben, will man anonymisierte Daten zur Beratungsqualität erhalten, um letztendlich Beratung und Information in den Apotheken zu verbessern. Zur Qualitätsoffensive gehört außerdem das Angebot an die Apotheken, an Ringversuchen teilzunehmen, mit denen die Qualität von Rezepturen oder physiologisch-chemischen Untersuchungen überprüft werden. Linz merkte dazu an, dass sich Akzeptanz und Ergebnisse sehen lassen können.

Arzneimittelprobleme dokumentieren

Es reicht nicht aus, Daten über Information und Beratung zu liefern, die Apotheken müssen auch dokumentieren, warum diese notwendig sind. Vor diesem Hintergrund wurde im Frühjahr dieses Jahres die Aktion "Erfassung arzneimittelbezogener Probleme" durchgeführt. Rund 1000 Apotheken haben dabei mitgemacht und dokumentiert, in welchen Fällen sie mitwirken konnten, dass ein Arzneimittel vom Patienten korrekt angewendet wird. Im Herbst werden die Ergebnisse der Auswertung vorliegen.

Pharmacon in Meran Blick nach Italien 

Italien hat seit kurzem einen neuen Gesundheitsminister, einen Politiker, keinen Naturwissenschaftler, was kein Vorteil sei. Dieser wolle, wie Dr. Maximin Liebl, Präsident der Apothekerkammer der Provinz Bozen, berichtete, mit Missständen im Gesundheitswesen aufräumen. Liebl, der auch in diesem Jahr den beim Meraner Fortbildungskongress schon traditionellen Bericht über die aktuelle Gesundheitspolitik in Italien gab, nannte als Beispiel die geplante Liberalisierung der OTC-Preise und von Italiens Apothekenmarkt. OTC-Arzneimittel solle es auch im Supermarkt geben. Allerdings, so räumte Liebl ein, wurden solche Ankündigungen – nach starken Protesten – bereits relativiert. Überhaupt solle man in Italien solche Ankündigungen nicht allzu ernst nehmen.


 

Ein Grund, sich beruhigt zurückzulehnen, besteht jedoch dennoch nicht, wie ein weiterer Vorschlag zeigt: Die staatliche Krankenkasse möchte teure Arzneimittel über Krankenhausapotheken günstig einkaufen und selbst verteilen. Da man einsah, dass dies schwierig werde, verständigte man sich darauf, dass die Verteilung weiterhin über die öffentliche Apotheke geschieht – ein Kompromiss. Somit habe man immerhin verhindern können, dass z. B. Krankenpfleger bei der Verteilung von Arzneimitteln eingesetzt würden.

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