Arzneimittel und Therapie

Durch intradermale Injektion Dosis sparen

Die intradermale Influenza-Impfung ist möglicherweise wirksamer als die intramuskuläre. Das ergab eine belgische Studie an 100 gesunden, jungen Erwachsenen. Intradermal gegeben erzielte ein Fünftel der intramuskulären Dosis ähnliche Antikörpertiter im Hämagglutinationshemmtest wie die volle intramuskuläre Dosis.

Die intradermale Injektion von Impfstoffen hat theoretisch einen Vorteil gegenüber der intramuskulären: Die Haut enthält in großen Mengen dendritische Zellen, die potentesten Antigen-präsentierenden Zellen für die Einleitung der Immunabwehr. Daher könnte die Injektion in die Haut einen höheren Impfschutz gewährleisten als die Injektion ins Muskelgewebe, in dem keine Antigen-präsentierenden Zellen ansässig sind. Eine intradermale Injektion wird bereits weltweit bei der BCG(Bacille-Calmette-GuŹrin)-Impfung praktiziert. Studien zur Hepatitis-B- und Tollwut-Impfung ergaben ebenfalls eine erhöhte Immunogenität der intradermalen gegenüber der intramuskulären Impfung.

Was tun bei Impfstoff-Engpässen?

Influenza-Impfstoff wird intramuskulär verabreicht. Kürzlich kam es in den USA zu Engpässen bei Influenza-Impfstoff, als der Impfstoff eines wichtigen Herstellers verunreinigt war. Die intradermale Injektion ist möglicherweise ein einfacher Weg, um bei Impfstoff-Knappheit (zum Beispiel Influenza-Epidemien oder einer Pandemie) Impfstoff zu "strecken".

Phase-I/II-Studie

In einer randomisierten, offenen Phase-I/II-Studie in Belgien wurden intradermale und intramuskuläre Injektionen eines gängigen Influenza-Impfstoffs hinsichtlich Immunogenität und Sicherheit verglichen. Da die Haut nur kleine Volumina aufnehmen kann, wurde intradermal ein kleineres Impfstoff-Volumen injiziert.

Nur ein Fünftel der intramuskulären Dosis

100 gesunde Erwachsene zwischen 18 und 40 Jahren erhielten im Juni 2004 – also außerhalb der Influenza-Saison – den von der WHO für die Saison 2003/2004 empfohlenen Influenza-Impfstoff. Alle Teilnehmer bekamen die Impfung in den Schulterbereich, die eine Hälfte in den Muskel, die andere Hälfte in die Haut. Intramuskulär wurden 0,5 ml des trivalenten Impfstoffs mit mindestens 15 µg Hämagglutinin pro Stamm verabreicht. Intradermal waren es 0,1 ml mit mindestens 3 µg Hämagglutinin pro Stamm in einer Tuberkulin-Spritze mit Tuberkulin-Nadel.

Ersatzmarker für den Impfschutz

Ersatzmarker für den Impfschutz war der im Hämagglutinationshemmtest (HHT) ermittelte Antikörpertiter. Veränderungen der Antikörpertiter wurden als geometrisches Mittel bestimmt. Außerdem wurden Serokonversions- und Seroprotektionsraten 21 und 42 Tage nach der Impfung zwischen den Gruppen verglichen.

Vergleichbare Immunogenität

Beide Injektionsarten bewirkten starke Reaktionen aller drei im Impfstoff enthaltenen Influenza-Arten im Hämagglutinationshemmtest mit einem Maximum nach 21 Tagen: Für den H1N1-Stamm stieg das geometrische Mittel des Antikörpertiters bei intradermaler Injektion um den Faktor 15,2 und bei intramuskulärer Injektion um den Faktor 14,9, für den H3N2-Stamm um den Faktor 19,0 gegenüber 7,1 und für den B-Stamm um den Faktor 12,4 gegenüber 15,3. Die Serokonversionsrate betrug am Tag 21 bei intradermaler Injektion zwischen 78 und 82% und bei intramuskulärer zwischen 66 und 82%. Die Seroprotektionsrate am Tag 21 war in beiden Gruppen vergleichbar hoch (84 bis 100%).

Einige lokale Reaktionen häufiger

Alle Nebenwirkungen waren leicht und vorübergehend. Einige Reaktionen an der Impfstelle traten nach intradermaler Impfung häufiger auf:

  • Erythem bei 96% gegenüber 8%
  • Juckreiz bei 42% gegenüber 4%
  • Schwellung bei 84% gegenüber 10%
  • Verhärtung bei 34% gegenüber 8%

Andere lokale sowie alle systemische Nebenwirkungen (z. B. Schmerzen, Fieber Schüttelfrost, Durchfall) kamen in beiden Gruppen vergleichbar oft vor.

Fazit

Die Ergebnisse dieser kleinen Studie sprechen für eine ebenbürtige oder (im Fall des H3N2-Stamms) sogar größere Wirksamkeit der intradermalen Injektion von einem Fünftel der üblichen intramuskulären Dosis. Eine Äquivalenz kann diese kleine Studie jedoch nicht beweisen. Bevor die intradermale Influenza-Impfung routinemäßig praktiziert wird, müssen weitere Studien ihre Wirksamkeit belegen. Genau genommen gelten diese Studienergebnisse nur für den untersuchten Impfstoff an jungen, gesunden Erwachsenen. Es wäre interessant zu wissen, ob die intradermale Injektion die Immunogenität von Influenza-Impfstoffen auch bei Älteren und chronisch Kranken erhöht, da diese häufig eine abgeschwächte Impfantwort haben.

 

Quelle

Kenney, R. T., et al.: Dose sparing with in- tradermal injection of influenza vaccine. N. Engl. J. Med. 351, 2295  – 2301

(2004).

La Montagne, J. R., A. S. Fauci: Intrader- mal influenza vaccination - can less be more? N. Engl. J. Med. 351, 2330 –  2332

(2004).

 

Susanne Wasielewski, Münster

Glossar

 

  • Immunogenität Fähigkeit des Antigens, eine Immunantwort hervorzurufen
  • Hämagglutinin Hämagglutinierender, also Erythrozyten verklumpender Virusbestandteil
  • Hämagglutinationshemmtest (HHT) Verhinderung der Zusammenballung von Erythrozyten durch bestimmte Virusarten nach Einwirken des homologen Antikörpers. Die Hemmung der Hämagglutination beruht auf einer Antigen-Antikörper-Reaktion.

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