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Tuberkulose – weltweit eine schwere Bedrohung

In Deutschland hat die Tuberkulose nur noch eine geringe Verbreitung, da sie sich relativ gut diagnostizieren und behandeln lässt: Pro Jahr erkranken rund 7000 Personen, von denen etwa 500 sterben. Dagegen ist die Tuberkulose weltweit ein schweres Problem: Ein Drittel der Menschheit ist mit dem Krankheitserreger infiziert, rund 8,8 Millionen Menschen erkranken jährlich neu, und 2 Millionen Menschen sterben pro Jahr an Tuberkulose. Mehrfachresistente Krankheitserreger und Koinfektionen mit HIV erschweren die Therapie.

In Entwicklungsländern kostet die Behandlung der Tuberkulose circa 40 Euro – zu viel Geld für viele Patienten. Außer der Armut haben auch Migrationsbewegungen, Resistenzen und Aids die weltweite Zunahme der Tuberkulose begünstigt.

Hohe Inzidenz

in Asien und Afrika

Während die Tuberkulose-Neuerkrankungsrate in Deutschland unter 10 Fällen/100.000 Einwohner liegt, überschreitet sie in Süd- und Ostasien und den Gebieten Afrikas südlich der Sahara teilweise 300 Fälle/100.000 Einwohner. Schätzungsweise drei Viertel aller Tuberkulosekranken leben in China, Indien, Bangladesch und Pakistan.

In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion ist die Erkrankung ebenfalls ein Problem. Während die Inzidenz in Westeuropa langsam sinkt, steigt sie in Osteuropa weiter. Man schätzt, dass es in den Ländern der Russischen Föderation im Jahr 2009 rund 500.000 Neuerkrankungen pro Jahr geben wird. Dort übernimmt der Staat die Kosten der Tuberkulosebehandlung nicht.

Ein hoher Anteil der Tuberkulose-Erkrankungen in Europa betrifft Migranten (vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion): In Deutschland sind ein Drittel der Tuberkulosepatienten Ausländer, in Großbritannien und Skandinavien sogar mehr als die Hälfte.

Tuberkulose auch außerhalb der Lunge 

Die Tuberkulose befällt meist die Lunge: Fast 60% der Fälle sind offene, also ansteckende Lungentuberkulosen, 22% geschlossene Lungentuberkulosen. Weitere 17% der Tuberkulosefälle treten extrapulmonal auf: So können beispielsweise Haut, Lymphknoten, Rippenfell, Knochen, Hirnhaut und innere Organe befallen sein. Die Zahl der Tuberkulosemeningitiden bei Kindern – der Hauptgrund für die früher praktizierte Tuberkulose-Impfung – ist übrigens in Deutschland auf 2 bis 4 Fälle pro Jahr zurückgegangen. Bei dieser geringen Zahl ist eine Impfung nicht mehr sinnvoll.
 

Problemfälle: Koinfektionen mit HIV, Mehrfachresistenzen

Eine HIV-Tuberkulose-Doppelinfektion erfordert eine besonders aufwändige Behandlung und hat eine schlechte Prognose. Man schätzt, dass die Rate der Doppelinfektionen bis zum Jahr 2010 in Afrika auf über 50%, in Asien und Osteuropa auf 20% aller Tuberkulosefälle steigen wird. Ebenfalls schwierig zu behandeln ist eine mehrfachresistente Tuberkulose. Davon spricht man, wenn der Erreger sowohl gegen Isoniazid als auch gegen Rifampicin, die beiden wichtigsten Antituberkulotika, unempfindlich ist.

In Deutschland liegt der Anteil mehrfachresistenter Tuberkulosen bei neu entdeckten, unvorbehandelten Tuberkulosefällen unter 1%, in Russland bei 9%, in baltischen Staaten teilweise noch höher (Estland 14%). Bei Patienten, die länger als vier Wochen wegen Tuberkulose behandelt worden sind, steigt der Anteil auf 6% in Deutschland, 26% in Russland und 38% in Estland.

Symptomatik und Diagnostik

Die klassischen Symptome einer Tuberkulose sind Husten, Auswurf, Schwitzen und kontinuierliche Gewichtsabnahme (daher der alte Name "Schwindsucht"). Die schnellste und günstigste diagnostische Untersuchung ist die Sputum-Mikroskopie: Der Nachweis der rötlich angefärbten Stäbchen ist hochspezifisch für Mykobakterien, von denen praktisch nur Mycobacterium tuberculosis humanpathogen ist (außer M. leprae, dem Erreger der Lepra).

Wenn Erreger im Sputum nachweisbar sind (ab etwa 105 Bakterien/ml Sputum), ist der Patient hoch ansteckend und muss isoliert werden. Das Anlegen einer Kultur bleibt notwendig, um den Erreger 100%ig zu identifizieren und Resistenzfragen zu klären. PCR-Techniken eignen sich dagegen kaum für die Tuberkulosediagnostik, weil ihre Sensitivität bei negativem Untersuchungsmaterial zu gering ist. Zur bildlichen Darstellung einer Tuberkulose genügen in der Regel konventionelle Röntgen-Techniken.

Infektion heißt nicht gleich Erkrankung

Mit dem Tuberkulin-Test misst man, ob eine Infektion mit dem Erreger erfolgt ist. Längst nicht jede Infektion mit M. tuberculosis führt aber zur Erkrankung: Das Bakterium wandert in die Lungenalveolen und wird dort vom eigentlichen Wirt –ūden Alveolarmakrophagen – aufgenommen. Bei 95% der Infizierten bleibt der Erreger viele Jahre ruhig in diesen Fresszellen. Er kann aber später – beispielsweise nach einer HIV-Infektion oder im hohen Lebensalter – zur Erkrankung führen (so genannte Reaktivierung). Nur 3 bis 5% der Infizierten erkranken innerhalb von zwei Jahren.

Chemotherapie streng nach Vorschrift 

Die Behandlung der Tuberkulose ist eine extrem scharf definierte Chemotherapie, die zugleich eine Kombinationstherapie ist. Zu Beginn sind vier, später meist zwei Antituberkulotika daran beteiligt (siehe Kasten). So erreicht man möglichst viele Mykobakterien, die unter ganz unterschiedlichen Bedingungen leben:

  • Die in tuberkulösen Kavernen lebenden, schnell proliferierenden Bakterien sprechen gut auf das hoch bakterizide Isoniazid an.
  • Die in Nekrosen vorhandenen, langsam wachsenden Bakterien mit wenig Stoffwechselaktivität reagieren auf Rifampicin.
  • Die in Granulomen im sauren Milieu existierenden, nahezu ruhenden Bakterien werden von Pyrazinamid erreicht.
  • Ethambutol verändert die Permeabilität der Bakterienzellwand und lässt andere Antituberkulotika besser eindringen; so verzögert es auch die Entstehung von Resistenzen.

Wird die Standardtherapie konsequent durchgeführt, können 98% der Patienten geheilt werden, das heißt, nur 2% der Patienten erleiden innerhalb von fünf Jahren einen Rückfall. Auch bei Unverträglichkeit oder Resistenz darf die Behandlung nicht nach Gutdünken abgewandelt werden, sondern muss dem festgelegten Schema folgen.

So viele Patienten – so wenig Forschung

Große Pharmafirmen haben ihre Forschung auf dem Gebiet der Tuberkulose komplett eingestellt. Seit 1966 ist kein gezielt für die Tuberkulosetherapie neuentwickelter Arzneistoff mehr auf den Markt gekommen. Neue Behandlungsmöglichkeiten der Tuberkulose ergeben sich lediglich durch Anwendung anderer neuentwickelter Antibiotika. Eine vielversprechende, hoch bakterizide Substanz scheint der Gyrasehemmer Moxifloxacin zu sein.

 

Antituberkulotika

Erstrangmedikamente Isoniazid Rifampicin Pyrazinamid Ethambutol Streptomycin

Zweitrangmedikamente (Beispiele) Protionamid Fluorchinolone

Empfehlungen für die Behandlung

einer Tuberkulose in Deutschland

(Standardtherapie) Alle Tuberkulosen (außer ZNS)

  • Zunächst 2 Monate lang Isoniazid + Rifampicin + Pyrazinamid + Ethambutol
  • Dann 4 Monate lang Isoniazid + Rifampicin Gesamtdauer: 6 Monate

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