DAZ Feuilleton

Das Erbe eines vigilanten Sachsen

Am 25. Juni wird das "Öffentliche Licht-Luft-Bad" in Radebeul bei Dresden hundert Jahre alt. Gründer der für die damalige Zeit spektakulären Badeanstalt war Friedrich Eduard Bilz (1842 – 1922). Der gelernte Weber und autodidaktische Naturheilkundler lag damit im Trend seiner Zeit. Ebenfalls vor hundert Jahren kam Sinalco® – ein Erfrischungsgetränk "sine alcohole", das Bilz 1902 entwickelt hatte – auf den Markt.

 

Natur als Leitstern

Die Lebensreformbewegung hatte um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert das (fast) unbekleidete Baden in Licht, Luft und Sonne populär gemacht. Im Bilz-Bad trugen Männer allenfalls noch eine "Sonnenbadehose" und Frauen "Luftbadekleider". Doch wurden die Geschlechter streng voneinander getrennt: Es gab ein Herren-, ein Damen- und ein Familienbad, in dem ausschließlich Müttern mit Kindern der Zutritt gestattet war.

Eduard Bilz hatte das Bad für Gäste, die sich keine Kur in einem Sanatorium leisten konnten, bauen lassen. Der Obrigkeit war die Anstalt aber suspekt, und 1907 wurde sie – unter Protest der Bevölkerung – vorübergehend geschlossen. Mit einer Klage setzte Bilz die Wiedereröffnung durch. 1912 wurde eine hochmoderne Wellenmaschine in Betrieb genommen, und in den Zwanzigerjahren begann man, "Sommerhäuschen" – großzügige Garderobenanlagen – zu bauen. 1975 wurde das Anwesen durch Bilz' Erben an die Stadt Radebeul verkauft. Nach grundlegender Sanierung wird das Bad heute wieder nach der Maxime seines Gründers "Die Natur war mein Leitstern" betrieben.

Bilz' Anliegen waren die Prävention und eine natürliche Lebensweise. 1842 in einem westsächsischen Dorf als siebtes Kind eines Landwirts zur Welt gekommen, lernte er schon während seiner Ausbildung zum Weber am eigenen Leib die gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen kennen, die damals in Handwerksbetrieben und Fabriken herrschten. In Meerane, wohin ihn die Wanderschaft 1860 geführt hatte, heiratete er die Tochter eines Webermeisters und betrieb im Haus des Schwiegervaters einen Kolonialwarenladen. Weil Bilz ein bemerkenswertes kaufmännisches Geschick entwickelte, prosperierte das Geschäft.

Heilkundebuch war ein Beststeller

An chronischer Bronchitis und nervösen Magenbeschwerden leidend, schloss sich Bilz einem Naturheilkundeverein an und studierte zu Hause medizinische Literatur. Dabei entstand die Idee, die Inhalte der "Doktorbücher" allgemeinverständlich zu publizieren. 1882 erschien in Kooperation mit einem Leipziger Arzt für Naturheilverfahren im eigenen Verlag sein erstes Buch mit dem langen Titel: "Das menschliche Lebensglück. Ein Wegweiser zu Gesundheit und Wohlstand durch die Rückkehr zur Natur. Hausfreund und Familienschatz für Gesunde und Kranke. Zugleich ein Beitrag zur Lösung der sozialen Frage".

Sechs Jahre später wurde die überarbeitete Fassung "Das Neue Naturheilverfahren" mit einer Auflage von 700.000 Exemplaren ein Bestseller. Damit es sich auch Minderbemittelte leisten konnten, gab der Naturheilkundler zudem die "Bilz Naturheilverfahren" in 24 Heften zu einem Verkaufspreis von jeweils 50 Pfennig heraus.

1889 zog Bilz mit seiner Familie nach Dresden. Bereits ein Jahr später eröffnete er in der Oberlößnitz an der Stadtgrenze von Radebeul ein Sanatorium mit 180 Betten. Um dafür eine Konzession zu erhalten, stellte er Ärzte ein. Das ganzheitliche Therapiekonzept beruhte auf der Phytotherapie (Tees usw.), ergänzt durch Schüßler-Salze und homöopathische Arzneien, auf Kneippschen Anwendungen wie Wassertreten und Tautreten, auf Luft- und Sonnenbaden und auf einer gesunden Ernährung.

In "Lufthütten" erlebten die Kurgäste kreislaufanregende Kühlreize, in "Lichthallen" konnten sie sich bei Sonnenschein wieder aufwärmen. Für die Küche des Sanatoriums wurden Obst, Gemüse und Kräuter ökologisch angebaut, und ein Milchhof mit Molkerei lieferte frische Milchprodukte. Nach der Philosophie "Kultur wächst auf dem Boden der Gesundheit" wurden den Kurgästen geführte Wanderungen zu kulturellen Denkmälern angeboten.

Bilz' Ideen sind heute noch lebendig

Auch mit der Entwicklung und Vermarktung von Gesundheitsprodukten hatte Bilz Erfolg. Dem Bilz-Bund für Naturheilkunde e.V. unter Vorsitz von SR Dr. Heidelore Geistlinger, Fachärztin für Allgemeinmedizin (Naturheilverfahren), Homöopathie und Balneologie und Inhaberin eines Bilz-Kurhotels, ist es zu verdanken, dass einige von ihnen eine Renaissance erleben, z. B. Brot und Brötchen aus Weizenschrot, Bilz-Biskuit und andere Rezepturen mit Vollkornmehl, Traubenkernmehl und Honig. In absehbarer Zeit sollen "Reformschokolade" mit hohen Kakaobestandteilen und Aloe-Dicksaft als Alternative zum Zucker auf den Markt kommen. Auch gibt es heute noch Basensalz nach Bilz.

Der Bilz-Bund für Naturheilkunde e.V., dem Ärzte und Apotheker aus ganz Deutschland angehören, engagiert sich für eine gesunde Lebensführung. Er ist auch in der Weiterbildung von Ärzten im Bereich "Naturheilverfahren" aktiv.

 

Reinhard Wylegalla

Info Bilz-Bund für Naturheilkunde e.V. www.bilz-naturheil.de

Bilz-Kurhotel mit Bilz-Museum Lößnitzgrundstraße 101/103, 01468 Moritzburg, OT Friedewald, www.bilz-kurhotel.de, Tel. 03 51/8 38 63 29

Sinalco http://100-jahre-sinalco.de

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