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Alles nur reine Imagewerbung?

Die Kommerzialisierung, die Liberalisierung und der knallharte Wettbewerb im Apothekenbereich schreiten unaufhaltsam fort. Diese Regierung hat mit dem GMG den Startschuss dazu gegeben. Die Freigabe der OTC-Preise, die Filialisierung, der Versandhandel sind die Vorboten einer Apothekenwelt, in der es nur um niedrigste Arzneimittelpreise für Kassen und Patienten gehen soll. Service, Qualität und die viel beschworene "ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung" werden zwar ab und an noch genannt, doch der Zeitgeist, der Mainstream, läuft in eine andere Richtung. Selbst Behörden und Gerichte schwimmen auf diesem Strom mit. Siehe das Beispiel Zur Rose Versandapotheke.

Wenn es um Versandapotheken geht, schaut man wohl nicht so genau hin, wie die Besitzverhältnisse sind, und genehmigt schon mal kaschierten Fremdbesitz. Immerhin versucht die Versandapotheke billig zu liefern, den Kassen etwas Gutes zu tun, und außerdem hängen eine Menge Arbeitsplätze dran. Wenn es um Wettbewerb geht, lässt ein Gericht schon mal den Einsatz von Wettbewerbsinstrumenten zu, bei denen noch vor ein, zwei Jahren jeder Apotheker unverzüglich abgemahnt oder bestraft worden wäre.

So sieht das Landgericht Halle keinen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz, wenn eine Apotheke Einkaufsgutscheine über 5 Euro abgibt. Selbst bei Vorlage eines Rezeptes, also dem Erwerb von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, beanstandet die Hallenser Richterin nicht, dass dieser Einkauf des Patienten mit einem Einkaufsgutschein über 5 Euro belohnt, rabattiert wird. Das ist dem jetzt publik gewordenen Urteil zu entnehmen, bei dem die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs eine einstweilige Verfügung erwirken wollte, aber scheiterte.

Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass diese Werbung mit den 5 Euro-Gutscheinen eine "reine Imagewerbung" ist, sie stellt keinen unlauteren Wettbewerb dar. Mit der Rabattgewährung werde die Arzneimittelpreisverordnung nicht unterlaufen, da sie für rezeptfreie Arzneimittel nicht gelte. Neu ist auch die Ansicht der Richterin, dass die Verhältnismäßigkeit von Einkaufswert und Vergünstigung unlautere Absichten nicht erkennen lässt.

Tut mir Leid, aber für mich als Apotheker und juristischen Laien sieht das Ganze sehr nach freier Interpretation von Recht und Gesetz aus, nach Zurechtbiegen. Für mich stellt das Aushändigen eines Gutscheines über 5 Euro Rabatt auf das Einlösen eines Rezeptes mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln eine mittelbare Rabattgewährung dar und damit ein Aufweichen des einheitlichen Arzneimittelabgabepreises. Wenn dies nun als rechtens anerkannt wird, wie seltsam muten dann juristische Scharmützel an, wie wir sie unlängst oder noch immer erleben dürfen – und bei denen es auch um (Image-)Werbung geht.

Wie wurde noch vor nicht allzu langer Zeit um das Thema Zugaben gestritten und deren maximalem Wert, zum Beispiel: dürfen es nur billigste Papiertüten sein oder ist auch ein klein wenig teureres Jutesäckchen als Zugabe zum Einpacken der Arzneimittel erlaubt? Wie müssen heute noch Kollegen um die Erlaubnis eines Auto- oder Fußgängerschalters vor Gericht zanken (wetten, dass die Zur Rose-Apotheke sofort einen Autoschalter einrichten dürfte, so sie es wollte?).

Und theoretisch könnten wohl so manche Apotheken in Einkaufszentren immer noch abgemahnt werden, weil sie – horribile dictu – irgendwelche Türen zu den Ladenstraßen oder zum angeschlossenen Reformhaus einfach offen stehen lassen. Für mich zeigt sich beim Vergleich des Hallenser Urteils mit den anderen aufgezählten Fällen die ganze Schizophrenie, die derzeit in Sachen Apothekenwerbung und -wettbewerb herrscht.

Wenn man die Kommerzialisierung, den freien Wettbewerb im Apothekenwesen will, soll man es endlich sagen und ihn für alle zulassen – oder aber für alle verbieten. Aber was derzeit abläuft, macht keinen Spaß mehr.

Peter Ditzel

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