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Feinstäube machen krank

Am Ostermontag war es soweit – München hat als erste deutsche Stadt gegen die zum Jahresbeginn in Kraft getretene EU-Richtlinie für Feinstäube verstoßen. Diese besagt, dass der Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft an höchstens 35 Tagen im Jahr überschritten werden darf. Bald folgten andere Städte wie Stuttgart, Berlin, Dortmund und Düsseldorf. Es ist abzusehen, dass noch in weiteren Städten die gesetzliche Vorgabe nicht eingehalten werden kann.

Hauptursachen: Verbrennung und Verkehr

Das Feinstaubproblem ist im Prinzip nicht neu. Bereits seit mehreren Jahren verdichten sich die Hinweise auf gesundheitsschädigende Wirkungen von Feinstaub. Filteranlagen und saubere Brennstoffe haben den Anteil an sichtbaren Grobstäuben in der Luft reduziert (Smogalarm in den 1970er-Jahren), die Konzentration von Feinstäuben stieg hingegen an.

Feinstäube entstehen durch unvollständige Verbrennungsprozesse in Industrie, Haushalt und im Autoverkehr. Besonders die Dieselmotoren stehen am Pranger. Weitere Feinstäube entstehen beispielsweise durch Abrieb von Reifen, Bremsbelägen und Straßenpflaster. Dies bedeutet, dass an jeder Hauptverkehrsstraße in jedem Kubikmeter Luft Milliarden feinster Teilchen enthalten sind.

Gesundheitliche Schäden

Für die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Mediziner und Umweltepidemiologen gilt es inzwischen als gesichert, dass hohe Feinstaubkonzentrationen

  • die Lungenfunktion (vor allem bei Kindern) beeinträchtigen,
  • viele Erkrankungen der Atemwege wie Chronischer Husten, Bronchitiden und Lungenkrebs auslösen oder verstärken,
  • für kardiovaskuläre Probleme verantwortlich sind und
  • im Endeffekt die Lebenserwartung verkürzen.

Neuere Studien zeigen gesundheitliche Auswirkungen bereits bei Feinstaubkonzentrationen im Bereich von weniger als 30 bis 100 µg/m³ Luft, also in der Nähe der amtlichen Grenzwerte.

Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie in Berlin wurde festgestellt, dass mehr Menschen durch eine Feinstaubexposition sterben als durch Verkehrsunfälle. Die Gefährlichkeit des Staubes, der auch als partikelförmige Materie (PM) bezeichnet wird, hängt stark von der Teilchengröße ab. Umweltmediziner teilen die Partikel in folgende Klassen ein:

  • inhalierbarer Feinstaub mit einem Durchmesser von maximal 10 µm (PM 10),
  • lungengängiger Feinstaub mit maximal 2,5 µm Durchmesser (PM 2,5),
  • ultrafeine Partikel mit maximal 0,1 µm Durchmesser (PM 0,1).

Je kleiner, umso gefährlicher

Je kleiner die Teilchen sind, umso leichter können sie aufgewirbelt werden und umso länger halten sie sich in der Luft. Derzeit wird von den rund 400 bundesweiten Luftmessstationen nur die Masse aller Teilchen mit einem Durchmesser von unter 10 Mikrometern gemessen, jedoch nicht die Anzahl der Teilchen. Auch die neuen EU-Grenzwerte beziehen sich nur auf die Masse aller Teilchen der Größe PM 10.

Dagegen konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler seit einigen Jahren auf die lungengängigen Feinstäube (PM 2,5). Diese werden für schwere gesundheitliche Komplikationen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs verantwortlich gemacht. Langzeitstudien ergaben, dass eine zusätzliche Feinstaubkonzentration (PM 2,5) von 10 µg/m³ Luft mit folgendem Anstieg der Sterblichkeit verbunden ist:

  • 6% für die Gesamtmortalität,
  • je 9% für die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen,
  • 14% für die Lungenkrebsmortalität.

Es wird diskutiert, ob neben der Teilchengröße auch die Beladung der Staubpartikel mit anderen Substanzen eine Bedeutung hat. Beispielsweise können an einer vielbefahrenen Straße Schwermetalle, krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe oder Säuren an den Staubteilchen hängen.

Fahrverbote und City-Maut umstritten

In Mehrschadstoffmodellen konnte nachgewiesen werden, dass die Kurzzeitwirkungen von Schwebestaub bedeutsamer sind als die der gasförmigen Schadstoffe Ozon, NOx2, SO2 und CO. Aus Sicht der deutschen Umwelthilfe unternehmen deutsche Städte zu wenig, um die Grenzwerte einzuhalten. Nach den Vorstellungen der Umwelthilfe sollten eventuelle Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, wie sie in Italien bereits mehrfach angeordnet wurden, nur für Autos ohne Partikelfilter gelten, um zur Nachrüstung mit Dieselrußfiltern anzuspornen. Eine City-Maut hält der Präsident des Umweltbundesamts, Andreas Troge, für kein geeignetes Instrument zur Reduzierung der Feinstaub-Belastung, denn nur etwa ein Drittel der Staubbelastung in den Innenstädten stammt nachweisbar von Diesel-Pkw und -Lkw. Der Rest entsteht durch Aufwirbelungen, die man lokal nicht in den Griff bekomme.

 

Dr. med. Ingo Blank, 
Marktplatz 6,
71093 Weil im Schönbuch, 
www.ingoblank.de

EU-Richtlinie 1999/30/EG

Der Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft darf nicht öfter als an 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Seit dem 1. Januar 2005 ist die Regelung gültig. Schon bevor die Richtlinie in Kraft trat, kündigten Umweltverbände Musterklagen an, die die Städte zur Einhaltung des EU-Rechts zwingen sollen. Das Umweltbundesamt (www.umweltbundesamt.de) listet seitdem für alle mittleren und größeren Kommunen die Messwerte für Feinstaub auf. Tag für Tag können die Kommunalpolitiker nun verfolgen, wie schnell ihre Stadt sich der magischen 35-Tage-Grenze nähert. Die Deutschlandkarte mit allen aktuellen Luftdaten ist unter www.env-it.de/luftdaten abzurufen

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