Arzneimittel und Therapie

Palifermin schützt die Schleimhäute

Bei der oralen Mukositis handelt es sich um eine sehr häufige Nebenwirkung unter intensiver Chemotherapie oder Bestrahlung, für die bisher keine befriedigende Prävention oder Therapie existiert. In einer kürzlich veröffentlichten Studie konnte gezeigt werden, dass eine Behandlung mit dem rekombinanten humanen Keratinozyten-Wachstumfaktor Palifermin die Inzidenz und Dauer dieser Nebenwirkung signifikant und in klinisch relevantem Maße verringern kann.

Das Ausmaß einer oralen Mukositis reicht von leichten Atrophien bis hin zu schweren Ulzerationen als Folge einer Schädigung von Epithelzellen der Mundschleimhaut durch die Krebstherapie (siehe Kasten). Es treten Geschmacksstörungen, Appetitlosigkeit, Schmerzen und sekundäre Infektionen auf. Die Patienten müssen gegebenenfalls mit Opioid-Analgetika behandelt und künstlich ernährt werden.

Viel versprechende Ergebnisse mit Wachstumsfaktor

Eine neue Option zur Behandlung dieser Nebenwirkung bietet der Einsatz des rekombinanten humanen Keratinozyten-Wachstumsfaktors Palifermin. Es handelt sich dabei um einen am N-terminalen Ende verkürzten Abkömmling des endogenen Proteins, das zur Familie der Fibroblasten-Wachstumsfaktoren gehört. Palifermin weist eine vergleichbare biologische Aktivität, jedoch eine höhere Stabilität als das native Protein auf.

In einer doppelblinden randomisierten plazebokontrollierten Phase-III-Studie wurde die Wirkung von Palifermin bei 212 Patienten mit verschiedenen Blutkrebserkrankungen (Non-Hodgkin's Lymphom, Lymphogranulomatose, Multiples Myelom, verschiedene Leukämie-Formen) untersucht. Die Patienten hatten eine Ganzkörperbestrahlung, eine Hochdosis-Chemotherapie sowie eine Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen erhalten. An drei Tagen vor der Ganzkörperbestrahlung und an drei Tagen nach der Transplantation wurde entweder Palifermin (täglich 60 µg/kg Körpergewicht) oder Plazebo verabreicht. Die Schwere der oralen Mukositis wurde täglich bis 28 Tage nach der Transplantation beurteilt.

Dauer und Schwere der Mukositis signifikant vermindert

In der mit Palifermin behandelten Patientengruppe lag die Inzidenz einer oralen Mukositis (Grad 3 oder 4) bei 63%, in der Plazebo-Gruppe bei 98%. Bezüglich einer Grad-4-Mukositis war der Unterschied noch größer (20 vs. 62%, P<0,001).

Die Dauer der Schleimhautentzündungen betrug in der Palifermin-Gruppe im Median sechs und unter Plazebo neun Tage. Unter Palifermin reduzierte sich der Analgetikaverbrauch signifikant, die Patienten mussten seltener parenteral ernährt werden und klagten seltener über ein Wundgefühl im Mund- und Halsbereich. Nebenwirkungen der Therapie mit Palifermin waren z. B. Rash, Pruritus, Erytheme und Geschmacksveränderungen. Sie traten vorübergehend und in milder bis moderater Ausprägung auf.

Langzeituntersuchungen notwendig

Da es sich bei Palifermin um einen Wachstumsfaktor handelt, besteht theoretisch die Gefahr der Entwicklung sekundärer Tumoren, die diesen exprimieren. Um dieses Risiko besser abschätzen zu können, werden gegenwärtig Langzeituntersuchungen durchgeführt. In den USA ist Palifermin (Kepivance™) seit Dezember 2004 zur Prävention der oralen Mukositis zugelassen.

Dr. Claudia Bruhn, Berlin

Quelle
Spielberger, R., et al.: Palifermin for oral mucositis after intensive therapy for he- matologic cancers. N. Engl. J. Med., 351, 2590 – 2598 (2004).
Garfunkel, A. A.: Oral Mucositis – the se- arch for a solution. N. Engl. J. Med., 351, 2649 – 2650 (2004).

 

WHO-Skala zur Klassifizierung der Schwere der oralen Mukositis 

Grad: Symptome 
0: keine Mukositis 
1: Schmerzen oder Erytheme 
2: Erytheme und Ulzera 
3: ausgedehnte Erytheme, Ulzera und Unfähigkeit, feste Nahrung zu schlucken 
4: Mukositis, bei der keine normale Ernährung (auch nicht mit Flüssignahrung) mehr möglich ist

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