Arzneimittel und Therapie

Johanniskraut-Spezialextrakt so effektiv wie Paroxetin

Der Extrakt WS 5570 aus Hypericum perforatum ist bei deutlich besserer Verträglichkeit dem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Paroxetin mindestens ebenbürtig. So lautet das Ergebnis einer randomisierten Doppelblindstudie bei 21 niedergelassenen deutschen Psychiatern, die darauf angelegt war, zu bestätigen, dass der Spezialextrakt dem Antidepressivum Paroxetin nicht unterlegen ist.

Bereits seit längerer Zeit ist die Wirksamkeit von Johanniskraut bei leichten depressiven Verstimmungen bekannt. Unumstritten ist sie indes nicht. In einer neuen Studie im Auftrag der Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG, Karlsruhe, sollte nun der Nachweis erbracht werden, dass der hauseigene Spezialextrakt WS 5570 auch bei der Behandlung von Patienten mit mittelschweren oder schweren Symptomen einem gängigen Antidepressivum mindestens ebenbürtig ist.

Mittelschwere bis schwere Depression

Hauptkriterium der Wirksamkeit war die Punktzahl, die ein Patient nach der Hamilton Depression Scale [HAMD] erreichte. Dieser Index ermittelt mit Hilfe von 17 Fragen den Schweregrad der Depression und reicht von 0 bis 52. Einschlusskriterium war ein Ausgangswert von mindestens 22 Punkten, über die Hälfte der Probanden jeder Gruppe galt mit einem HAMD-Score von 25 oder mehr als schwer depressiv. Patienten, die unter bipolaren Störungen (Manie und Depression), Schizophrenie, Psychosen, Angst- oder Anpassungsstörungen litten, wurden nicht erfasst. Die Einnahme anderer psychoaktiver Medikamente und der Besuch beim Psychotherapeut waren nicht erlaubt. Gemäß den Leitlinien zur Behandlung der akuten Depression betrug die Behandlungsdauer sechs Wochen. Täglich erhielten 251 Erwachsene durchgängig entweder dreimal 300 mg Johanniskraut-Spezialextrakt und Paroxetin-Plazebo oder einmal 20 mg Paroxetin und Hypericum-Plazebo.

Häufig Dosiserhöhung nötig

Ergab sich nach zwei Wochen Anwendung bei einem Patienten keine Verminderung des HAMD-Scores um mindestens 20%, wurde er als "Initial Non-Responder" klassifiziert. Er erhielt im Folgenden die doppelte Dosis ohne Veränderung des Einnahmeregimes. Dies war bei 57% der Patienten aus der Hypericum-Gruppe und bei 48% der Kontrollgruppe der Fall.

Spezialextrakt nach sechs Wochen überlegen

Erreichte ein Patient nach sechswöchiger Therapie einen HAMD-Score von unter 10, so galt dies als Genesung, eine Verminderung auf weniger als die Hälfte des Ausgangswertes als klinisch relevantes Ansprechen auf die Therapie. Am Ende der Studienzeit hatten 61 von 122 Patienten (50%), die mit Johanniskraut behandelt worden waren, einen HAMD-Score von unter 10 erreicht. Eine Besserung im Sinne einer erfolgreichen Therapie erzielten 86 Patienten (71%), durchschnittlich ging die Punktzahl um 14,4 zurück. Paroxetin verminderte das Patientenergebnis auf der psychiatrischen Skala um 11,4 Punkte.

Einen Wert unter 10 erreichten 43 von 122 Patienten (35%), 73 (60%) reduzierte ihre Punkzahl um mehr als die Hälfte. Weitere Bewertungssysteme wie die Montgomery Asberg Depression Rating Scale [MADRS], das Beck depression inventory [BDI] und die Einschätzung des klinischen Gesamteindrucks wurden zusätzlich ausgewertet. Sie lieferten vergleichbare Ergebnisse.

Seltener Nebenwirkungen

Bei der Behandlung mit Johanniskraut-Extrakt berichteten 69 Patienten (55%) von Nebenwirkungen, bei Paroxetin-Einnahme litten 96 Probanden (76%) unter unerwünschten Effekten. In beiden Gruppen wurden gastrointestinale Beschwerden am häufigsten genannt. Danach folgten vegetative Störungen, wie Müdigkeit, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Im direkten Vergleich war der pflanzliche Extrakt besser verträglich, da außer Magenbeschwerden alle Ereignisse häufiger in der Kontroll-Gruppe zu verzeichnen waren. Angesichts des relativ kurzen Interventionszeitraumes bleibt darüber hinaus das Ergebnis eines Langzeitvergleiches abzuwarten.

Alexander Lochmann, Leipzig

Quelle
Szegedi, A. et al.: Acute treatment of mo- derate to severe depression with hypericum extract WS 5570 (St John’s wort): rando- mised controlled double blind non-inferio- rity trial versus paroxetine. Brit. Med. J. 330, 503 – 506 (2005)

 

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