DAZ aktuell

Ausnahme für Gesundheitsdienstleistungen gefordert

BRÜSSEL/BERLIN (ks). Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) drängen auf Korrekturen am umstrittenen Entwurf der EU-Dienstleistungsrichtlinie. In einem gemeinsamen Änderungsvorschlag fordern sie, Dienstleistungen des Gesundheitswesens, die unter das Sozialversicherungsrecht fallen, aus dem Geltungsbereich der Richtlinie herauszunehmen. EU-Kommissar Günter Verheugen machte unterdessen deutlich, dass die EU am Herkunftslandprinzip festhalten werde.

Als Begründung führen Kassen und KBV an, dass der Richtlinienentwurf der EU-Kommission "mit der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation ihres Gesundheitswesens" kollidiere und im Gesundheitssektor "zu großer Unsicherheit" führe. Den beiden Dachverbänden reichen die im Kommissionsentwurf für die Dienstleistungsrichtlinie enthaltenen Ausnahmeregelungen nicht. Die genannten Kriterien seien zu eng gefasst. Mit "gutem Grund" sei im EG-Vertrag die Ausnahmeregelung für den Gesundheitsbereich definiert. Daher appellieren Kassen und Ärzte an das Europäische Parlament, den Gesundheitssektor aus dem Geltungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie herauszunehmen.

Kritik am Herkunftslandprinzip

Kritisiert wird vor allem das im Kommissionsentwurf vorgesehene Herkunftslandprinzip. Danach würden für Anbieter von Gesundheits- und Pflegeleistungen – also auch für Apotheker –, die im EU-Ausland niedergelassen sind und nur zeitweilig in Deutschland tätig werden, nicht die deutschen Rechtsvorschriften gelten, sondern die ihres Herkunftslandes. Auf diese Weise "würden bis zu 25 verschiedene Rechtssystematiken und Einzelregelungen in einem Mitgliedsland gleichzeitig Anwendung finden", heißt es im Änderungsvorschlag der Kassen und Ärzte. Dies sei eine "für Patienten unübersichtliche und unzumutbare Situation, die nicht eintreten darf".

Kommission will

Änderungen vornehmen Wie berichtet, wurde auf Drängen Deutschlands und Frankreichs beim EU-Ratsgipfel am 23. März erreicht, dass die vorgesehene Richtlinie noch einmal überarbeitet wird (siehe DAZ Nr. 19/2005, S. 19). Dabei soll unter anderem sichergestellt werden, dass es in den sozialen Bereichen nicht zum Lohn- und Sozialdumping kommt, erläuterte Bundeskanzler Gerhard Schröder nach dem Treffen der europäischen Regierungschefs.

EU-Kommissar Verheugen hat wenig Verständnis für die deutschen Bedenken: "Das ganze Gerede über Lohn- und Sozialdumping ist völlig unverständlich", sagte er am 31. März. Es werde nach den Beschlüssen des EU-Gipfels dazu "Klarstellungen" geben. Laut Verheugen wird die EU am Herkunftslandprinzip festhalten. Dies sei ein Grundprinzip des Binnenmarktes überhaupt. Deutschland hätte seit zehn Jahren die Möglichkeit gehabt, Mindeststandards für Dienstleistungen festzulegen, um die Folgen des Herkunftslandprinzips einzugrenzen, so der EU-Kommissar.

Für eine Streichung des Herkunftslandprinzips sprach sich hingegen die im EU-Parlament zuständige Berichterstatterin Evelyne Gebhardt (SPD) aus. Sie werde in ihrem Bericht dafür plädieren, bei der Öffnung der Dienstleistungsmärkte stärker auf die Harmonisierung bestehender Regeln zu setzen, sagte sie am 4. April in Brüssel. In den meisten Feldern genüge es, das für den Gütermarkt geltende Prinzip der gegenseitigen Anerkennung zu übernehmen – vorausgesetzt, die EU-Mitgliedstaaten definieren Mindeststandards, an die sich alle Länder halten müssen. Ob sich das Europaparlament hinter Gebhardt stellen wird, ist allerdings noch ungewiss.

Gesundheitsausschuss informiert sich in Brüssel

Die Dienstleistungsrichtlinie stand auch bei einer auswärtigen Sitzung des Gesundheitsausschusses des Bundestags am 4. und 5. April in Brüssel auf der Tagesordnung. In Gesprächen mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments und den EU-Kommissaren Markos Kyprinaou (Gesundheit) und Vladimir Spidla (Soziale Sicherung) wollten sich die Ausschussmitglieder aus erster Hand über den Stand der Diskussion informieren. Zudem ging es den Parlamentariern darum, sich ein Bild davon zu machen, mit welchen Auswirkungen auf das deutsche Gesundheitswesen zu rechnen sein wird.

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