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Munter dreht sich das Kettenkarussell

Die Bilanzpressekonferenzen der Celesio sind in der Regel angenehme Veranstaltungen, bei denen Jahr um Jahr echte Erfolgsmeldungen verbreitet werden, die insbesondere die Herzen der Aktionäre höher schlagen lassen. Das Vertrackte bei solchen Pressekonferenzen ist der Umstand, dass sich die interessantesten Botschaften häufig erst dann erschließen, wenn man einige Details miteinander kombiniert.

Deshalb hier eine kleine Versuchsanordnung - Erstens: Europaweit will Celesio die Zahl der konzerneigenen Apotheken vermehren. Zweitens: Mit dem kostenlosen Diabetes-Test in Großbritannien hat das Unternehmen demonstriert, wie (genial einfach!) man der bekannteste Marktteilnehmer in einem Land wird. Drittens: Vorstandsvorsitzender Oesterle ist persönlich davon überzeugt, dass die Liberalisierung im Apothekenmarkt kommt und hat darauf schon vor Jahren öffentlich Wetten abgeschlossen. Viertens: Der weitere Erfolg des Konzerns hängt nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden weitgehend vom Erfolg der deutschen Tochter Gehe ab. Wenn der Vorstandsvorsitzende schon so nette Wetten abschließt, dann mag er es uns getrost erlauben, dass wir ebenso freimütig zu wetten gedenken.

Erstens: Wetten, dass Celesio auch dafür Sorge tragen wird, dass man beim Startschuss zur Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes aus dem Stand heraus genügend Standorte haben wird, um auch in Deutschland die europaweite Vermehrung von Celesio-eigenen Apotheken voranzutreiben? Zweitens: Wetten, dass diese auf unglaubliche Art und Weise - um an dieser Stelle endlich auch einmal etwas Marketing-Sprech unterzubringen - zielführende Diabetes-Kampagne, ummantelt von dem passenden Wording der Corporate Social Responsibility als idealtypische Win-win-Situation eins zu eins auf Deutschland übertragen wird? Drittens: Wetten, dass der rethorisch beschlagene, ausgesprochen clevere und bekennende "Lustschwabe" Oesterle nicht ruhen wird, bis er in Deutschland unter veränderten politischen Rahmenbedingungen das schönste Kettenkarrussell installiert hat? Viertens: Siehe Drittens und beachte Fünftens: Ist es nicht erstaunlich, wie tantenhaft sich die Gehe weigert, das Commitment-Programm als Kooperation zu umschreiben, wie dies die anderen Großhändler - beispielsweise Anzag mit Vivesco - ehrlicherweise tun? Ist da nicht eine kleine, aber umso verräterischere Bruchstelle im konzerneigenen Wording entstanden? Etwa nach dem Motto: Hier verkünden wir die Botschaften für die provinziellen deutschen Apotheker (so glaubt uns doch bitte bitte: Wir wollen keine Kooperation und schon gar keine Kette ...), auf europaweitem Parkett lassen wir die Muskeln spielen und zeigen mit kernig-weltläufigen Wetten schon einmal, dass wir genau wissen, wie die Uhren ticken?

Unter uns gesagt: Für einen Konzernlenker wäre es fatal, wenn er sich nicht auf veränderte politische Rahmenbedingungen vorbereiten würde.

Oesterle wäre kein Manager von Format (und das ist er gewiss!), würde er lediglich naiv im Hier und Heute der politischen Gegebenheiten herumstochern und wäre er nicht von dem Ehrgeiz getrieben, die mächtigste deutsche Kette aufbauen zu wollen. Im Grunde genommen hat er mehr oder minder verklausuliert schon längst kundgetan, worauf sich die deutschen Apotheker seiner Meinung nach - und vermutlich auch nach Meinung der Kollegen anderer Großhandlungen - einstimmen müssen.

Claus Ritzi

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