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Satzung des Zusatzversorgungswerks verfassungswidrig

Die Satzung des Zusatzversorgungswerks der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, mit der die Leiter neu gegründeter Apotheken zu Beiträgen herangezogen werden, ist verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht gab Ende letzten Jahres der Verfassungsbeschwerde eines Siegener Apothekers statt, der sich gegen einen Beitragsbescheid der Apothekerkammer für das in der Abwicklung befindliche Zusatzversorgungswerk gewandt hatte. Die Richter sehen in der Vorschrift zur Beitragsheranziehung einen Verstoß gegen den grundgesetzlich verbürgten Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Dezember 2004, Az.: 1 BvR 113/03)

Das Zusatzversorgungswerk der Apothekerkammer Westfalen-Lippe wurde 1967 ins Leben gerufen. Es dient der Absicherung von Apothekern, die vor dem 31. Dezember 1994 nicht selbstständig waren, sowie von hauptamtlich bei der Apothekerkammer oder dem Apothekerverband beschäftigten Apothekern. Mittlerweile befindet sich das Versorgungswerk in der Abwicklung: Wer seit 1995 eine abhängige Beschäftigung in einer Apotheke aufgenommen hat, ist ebenso wie die selbstständigen Apotheker Mitglied des 1977 eingerichteten allgemeinen Versorgungswerks und profitiert nicht mehr vom Zusatzversorgungswerk.

Beiträge werden in der Auslaufphase aber nach wie vor erhoben. Die Satzung des Zusatzversorgungswerks bestimmt, dass sie weiterhin von allen selbstständig tätigen Kammerangehörigen aufzubringen sind. Neu gegründete Apotheken müssen vier Jahre lang einen umsatzbezogenen Beitrag leisten – und das unabhängig davon, ob sie einen Apotheker beschäftigen, der Ansprüche aus dem Zusatzversorgungswerk hat. Apothekenleiter, die nach dem Stichtag eine bereits bestehende Apotheke übernommen haben, werden hingegen nicht zu Beiträgen herangezogen.

Ein Streit durch alle Instanzen

Auch vom beschwerdeführenden Apotheker, der im Oktober 1997 eine Apotheke im Kammerbezirk Westfalen-Lippe neu gegründet hat, wurden Beiträge eingefordert. Er sah sich im Sommer 1999 mit einem Beitragsbescheid der Apothekerkammer Westfalen-Lippe in Höhe von 5572,50 DM konfrontiert. Dies ließ der Apotheker nicht auf sich sitzen. Zum einen beschäftigte er keinen Apotheker, der Ansprüche aus dem Zusatzversorgungswerk erworben hätte. Zum anderen empfand er es als unzulässige Ungleichbehandlung, dass er als Neugründer zu Beiträgen herangezogen wurde, während Kollegen, die eine Apotheke übernommen hatten, nicht zahlen mussten. Er legte daher gegen den Beitragsbescheid Widerspruch und anschließend Klage ein – erfolglos. Erst das Bundesverfassungsgericht entschied zu seinen Gunsten.

 

Weitere Beiträge notwendig

 Die Bundesverfassungsrichter befanden, das die Satzungsnormen, auf die sich die Vorinstanzen beriefen, mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sind. Sie führten in ihrem Urteil zudem aus, dass die Apothekerkammer mit der Errichtung des Zusatzversorgungswerkes ursprünglich ein zulässiges Ziel verfolgt hatte: Mit Hilfe von Beiträgen selbstständiger Apotheker sollten Apotheker in abhängiger Beschäftigung zusätzlich sozial abgesichert werden.

In der Abwicklungsphase könne die Beitragserhebung auch dann noch rechtlich gedeckt sein, sofern sie erforderlich ist, um die Ansprüche der berechtigten Apotheker zu erfüllen. Mittlerweile erscheine es jedoch "zweifelhaft", ob die Beitragserhebung noch erforderlich ist, so die Richter. Ein Gutachten zeige, dass das Versorgungswerk seine Leistungen allein aus den jährlichen Erträgen des zur Verfügung stehenden Kapitals erheben können – weitere Beiträge seien nicht notwendig.

Ungleichbehandlung

Allerdings musste diese Frage nicht abschließend geklärt werden. Die in Rede stehende Satzungsnorm ist nach Auffassung des Gerichts bereits unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt: Es könne nicht sein, dass allein die neu gegründeten Apotheken in der selben Weise zu Beiträgen herangezogen werden. "Solche Apotheken sind von den möglichen Vorteilen der Versorgung weiter entfernt als alt eingesessene Apotheken, die schon längere Zeit Apotheker in einem Abhängigkeitsverhältnis beschäftigen konnten", heißt es im Urteil.

Bestehende Apotheken hätten bis Ende 1994 wenigstens potenziell vom Zusatzversorgungswerk profitiert. Berücksichtige man weiterhin, dass die Abwicklung eines Versorgungswerks eine Gemeinschaftsaufgabe darstellt, so bestehe auch kein sachlicher Grund, warum zur Erfüllung dieser Aufgabe allein Neugründer herangezogen werden sollten.

Auswirkungen

auf andere Kammern Das Bundesverfassungsgericht verwies die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Arnsberg zurück. Die Rechtsanwälte des Siegener Apothekers gehen davon aus, dass das Urteil das Ende jeglicher Beitragserhebungen für das Zusatzversorgungswerk in Westfalen-Lippe bedeutet. Es liege zudem nahe, dass auch andere Apothekerkammern, die Zusatzversorgungswerke unterhalten, ihre Beitragserhebungspraxis einer genauen Überprüfung unterziehen werden.

Kirsten Sucker, Berlin

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