Arzneimittelgeschichte

Die Entdeckung des Morphins

Das wirksame Prinzip im Opium ist keine Säure, sondern eine Base. Zu dieser Erkenntnis gelangte der Paderborner Apothekergehilfe Friedrich Wilhelm Sertürner (1783–1841) im Winter 1804/05, nachdem er die von ihm selbst aus dem Opium isolierten Substanzen systematisch geprüft hatte. Er fand heraus, dass die Base eines aus dem Opiumextrakt ausgefällten Salzes ein pflanzlicher Stoff mit einer "den Kalien fast ähnlichen Eigenschaft" war. Zugleich stellte er im Tierversuch fest, dass nicht die in dem Salz enthaltene Säure, sondern jener alkalische Stoff wirksam war. Dieser "erkenntnistheoretische Wandel Sertürners" [1] leitete den Beginn der Alkaloidforschung und letzten Endes den Beginn der modernen Arzneimittelforschung ein.

Sertürners Leben und Werk

Friedrich Wilhelm Adam Sertürner (1783 – 1841, Abb. 1) wurde als Sohn eines fürstbischöflichen Landvermessers und Ingenieurs in Neuhaus bei Paderborn geboren. 1799 begann er seine pharmazeutische Ausbildung in der Hof-Apotheke zu Paderborn, die er nach vier Jahren beendete. In die sich anschließende Gehilfenzeit fällt die Entdeckung des Morphins, das er im Laboratorium der Paderborner Hof-Apotheke erstmalig isolierte (Abb. 2). Ostern 1805 trat er eine Gehilfenstelle in der Rats-Apotheke in Einbeck an (Abb. 3).

Nachdem im damaligen Königreich Westfalen 1808 die Gewerbefreiheit verkündet worden war, eröffnete Sertürner in Einbeck eine eigene Apotheke, um deren Fortbestand er nach Auflösung des Königreiches und Abschaffung der Gewerbefreiheit (1813) erbittert kämpfte [2]. 1821 erwarb er schließlich als Nachfolger Johann Friedrich Westrumbs (1751 – 1819) die Rats-Apotheke in Hameln, die er bis zu seinem Tode leitete [2].

Sertürners wissenschaftliches Werk umfasst neben pflanzenanalytischen Arbeiten auch Untersuchungen zum Galvanismus, Studien über Geschütze und Geschosse sowie über die Cholera, für die er bereits ein "giftiges, belebtes, also sich selbst fortpflanzendes oder erzeugendes Wesen" als Krankheitsursache benannte. In seinem "System der chemischen Physik" sowie in der 1826 von ihm begründeten Zeitschrift "Annalen für das Universalsystem der Elemente" gibt er sich als Anhänger der Naturphilosophie zu erkennen.

Obwohl Sertürner 1817 von der Universität Jena zum Dr. phil. promoviert wurde, obwohl er Ehrenmitglied mehrerer wissenschaftlicher Gesellschaften und Akademien war und 1831 den Prix Monthyon des Institut de France erhielt, lebte er in den letzten Jahren zurückgezogen, da seinen weiteren wissenschaftlichen Arbeiten die Anerkennung versagt worden war [4].

Vorbild: Apotheker Bucholz

Die Anregung für seine Opium-Analysen dürfte Sertürner aus der Praxis erhalten haben: Nicht zuletzt unter dem Einfluss des Brownianismus – der schottische Mediziner John Brown (1735 – 1788) glaubte im Opium das Allheilmittel schlechthin gefunden zu haben [5] – wurde gerade diese Arzneidroge besonders geschätzt. Sertürner hatte in der Apotheke festgestellt, dass trotz sorgfältiger, "lege artis" durchgeführter Herstellung die Wirkung von Opiumpräparaten unterschiedlich war. In einem Fall erwies sich die erwünschte schlafmachende Wirkung – in dieser Indikation wurde Opium damals häufig eingesetzt – als zu gering, in einem anderen war sie viel zu lang anhaltend. Wenn es gelänge, das schlafmachende Prinzip zu isolieren, wäre – so die Vorstellung Sertürners – leicht eine bessere Dosierung zu erreichen.

Sertürners erste Publikation über Opium erschien 1805 in Trommsdorffs "Journal der Pharmacie für Aerzte, Apotheker und Chemisten" [6]. Er stützte sich in methodischer Hinsicht auf den Aufsatz "Versuche die Zerlegung des Opiums in seine nähere Bestandtheile betreffend; nebst einigen dahin gehörigen Bemerkungen" [7] des Erfurter Apothekers und späteren Professors Christian Friedrich Bucholz (1770 – 1818, Abb. 4), der laut Sertürner "die Gegenwart der Schwefel- und Salzsäure im Opium beweist, auch eine Pflanzensäure darin vermuthet, welche aber sämmtlich an Basen, theils Kali, theils Kalkerde, gebunden seyn sollen" [6].

Dass Sertürner Bucholz' Untersuchungs- und Schreibstil nachzufolgen bemüht war, zeigt auch seine zweite, 1805 – nicht 1806, wie oft mit Bezug auf das Titelblatt des Gesamtbandes behauptet wird [8] – erschienene Publikation "Darstellung der reinen Mohnsäure (Opiumsäure) nebst einer chemischen Untersuchung des Opiums mit vorzüglicher Hinsicht auf einen darin neu entdeckten Stoff und die dahin gehörigen Bemerkungen", in der er die Entdeckung des Morphins bekannt machte (Abb. 5) [9]. Die letzten drei Wörter finden sich gleichfalls in Bucholz' Aufsatzüberschrift (s. o.).

Sertürner hatte vermutlich mit gebührender Ehrfurcht den Aufsatz von Bucholz studiert, der in der Einleitung ein Programm zur Suche von Wirkstoffen in Drogen enthält: "Wenn es für den Scheidekünstler schon an und für sich wichtig ist, die Bestandtheile vegetabilischer Stoffe und deren Eigenschaften immer mehr kennen zu lernen, um dadurch die Methode ihrer Untersuchung diesen zufolge besser einsehen und gründen zu können, so wird das Interesse und der Werth dieser Kenntnisse umso mehr zunehmen, jemehr der untersuchte Stof [!], entweder noch eine ausgezeichnete Wirkung als chemische Substanz, oder als Arzneymittel besitzt, dadurch die Ursache jener Wirkungsart in einiges oder mehreres Licht gesetzt wird, und man sich dadurch in den Stand gesetzt sieht, zu beurtheilen, welcher Stoff oder Bestandtheil des untersuchten Körpers diese vorzügliche Wirkungsart hervorbringt." ([7], S. 24 f.)

Minutiös beschrieb Bucholz anschließend seine einzelnen Versuche. Bemerkenswert erscheint – und dies ist bisher offenbar noch keinem Sertürner-Biografen aufgefallen –, dass Sertürner in seiner berühmten zweiten Publikation von 1805 eine ähnliche Darstellungsweise wählte (s. u.).

Pflanzenchemie um 1800

Bucholz' Versuche spiegeln den Stand der Pflanzenchemie zu dieser Zeit wider. Er stützte sich methodisch auf die zwischen 1795 und 1799 unter dem Titel "Kurze Anleitung zur chemischen Zergliederung der Vegetabilien" dargelegten Arbeiten des Berliner Apothekers Sigismund Friedrich Hermbstaedt (1760 – 1833) [10]. Gemäß dessen Nomenklatur fand Bucholz im Opium unter anderem einen Gummistoff, einen Seifenstoff, "harzigte Theile", einen "Kautschouckstoff" sowie einen glutenartigen Stoff. Neben der Schwefel- und Salzsäure, die er nachzuweisen vermochte, vermutete er eine Pflanzensäure, die das wirksame Prinzip des Opiums sein müsse.

Diese Vermutung war naheliegend, hatte doch der wohl bedeutendste Apotheker des 18. Jahrhunderts, Carl Wilhelm Scheele (1742 – 1786), eine ganze Reihe organischer Säuren wie die Äpfel-, Citronen- und Oxalsäure aus Vegetabilien isoliert und damit die Pflanzensäuren in den Mittelpunkt der chemischen Analyse gerückt [11]. So verwundert es nicht, dass auch Sertürner zunächst nach einer "Säure im Opium" suchte und in seiner ersten Veröffentlichung die Entdeckung einer solchen bekannt gab.

Der Greifswalder Professor für Pharmazeutische Chemie und Geschichte der Pharmazie, Johannes Valentin (1884 – 1959), und der Dozent Günther Wagner (1925 – 1999), später in Leipzig einer der bekanntesten pharmazeutischen Chemiker der ehemaligen DDR [12], haben 150 Jahre später Sertürners Experimente nachgearbeitet [1]. Den weißen Niederschlag, den Sertürner für ein Kalksalz der "Opiumsäure" hielt, identifizierten sie papierchromatographisch als ein Gemisch mehrerer Opiumalkaloide mit nur wenig Morphin, die z. T. an Mekonsäure gebunden waren.

Keine Säure, sondern eine Base

Dem Beispiel Bucholz' folgend, beschrieb Sertürner detailliert seine 57 Versuche. Nachdem er mit Hilfe von Tierversuchen festgestellt hatte, dass die von ihm isolierte Säure nicht das "principium somniferum" ist, schilderte er ausführlich die Herstellung eines von ihm "neu entdeckten Stoffs" und führte im 26. Versuch Folgendes aus:

"Sechs Gran der rohen Substanz, so wie sie aus einer wässerichten Opiumextraktion geschieden, wurden in drey Quentchen Alkohol durchs Kochen aufgelöst, mit etwas Zuckersaft vermischt, einem anderthalbjährigen gesunden Hunde eingegeben. Um ihn desto genauer beobachten zu können, wurde er eingesperrt. Anfänglich war an ihm nichts als Unruhe zu bemerken, doch blieb er dabey munter; schon nach einer halben Stunde stellten sich sichtbare Spuren zum Schlafe ein, und nicht selten machte er sogar beym Stehen Miene zum Umfallen." [9].

Im 27. Versuch zog Sertürner folgende Schlussfolgerung: "Hieraus fließt mehr als wahrscheinlich, daß dieser Körper der eigentliche betäubende Grundstoff des Opiums ist; um aber allen Zweifel zu entfernen, suchte ich ihn möglichst rein darzustellen, damit nicht Harz oder Extraktivstoff eine versteckte Rolle spielen möchten" [9].

Am Ende seines Aufsatzes, nur in einer Anmerkung, findet sich die Bemerkung, dass der "schlafmachende Stoff" eine "den Kalien fast ähnliche Eigenschaft" besitze [9]. Damit widersprach er den gängigen Vorstellungen, dass pflanzliche Wirkprinzipien Säuren sind, und leitete eine Wende in der Arzneimittelforschung ein.

Sertürner hatte übrigens berichtet, dass der Winter, in dem er seine Untersuchungen zum "principium somniferum" durchgeführt hatte, besonders streng war. Dies traf laut Günther Kerstein für den Winter 1804/05 zu, während die Winter des Vor- und Folgejahres außerordentlich mild waren [13].

Anfangs kaum beachtet

Es ist häufig diskutiert worden, warum Sertürners Publikation anfangs kaum Beachtung fand. Einerseits hatte Sertürner mit dem Hinweis, Derosne habe "schon früher einen kristallisierbaren Körper im Opium gefunden", seine Entdeckung relativiert. Wie Leopold Rosenthaler nachwies, hatte Jean-Franćois Derosne (1774 –1855) – in der Literatur wurde dieser Aufsatz [14] häufig dessen Bruder Charles Louis Derosne (1780 – 1846) zugeschrieben, da Trommsdorff in seinem "Journal" nur einen "Bürger Derosne" erwähnte – tatsächlich vor Sertürner Morphin dargestellt. Jedoch vermochte er es weder "als chemisches Individuum" zu charakterisieren noch vom Narcotin zu unterscheiden [15]. Zudem fehlte bei Derosne die Erkenntnis, dass es sich dabei um eine Base handelte.

Auch Trommsdorffs Anmerkung, Sertürner möge seine Versuche "mit etwas größeren Mengen wiederholen", trug dazu bei, dass die Experimente eines in der wissenschaftlichen Welt gänzlich unbekannten Apothekergehilfen mit Skepsis betrachtet wurden. Allerdings muss es wohl eher als positives Zeichen für den Entwicklungsstand der Naturwissenschaften im frühen 19. Jahrhundert gelten, dass man Entdeckungen erst dann Vertrauen zu schenken bereit war, wenn sie durch weitere Experimente reproduziert werden konnten.

Sertürner hatte sich durch die geringe Beachtung, die seine Arbeiten fanden, jedenfalls nicht beirren lassen. Seine weiteren Untersuchungen mündeten 1817 in eine Studie "Ueber das Morphium, eine neue salzfähige Grundlage und die Mekonsäure, als Hauptbestandteile des Opiums" [16]. Darin findet sich neben einer exakten chemischen Beschreibung des neuen Stoffes, den Sertürner nun Morphium – nach Morpheus, dem Gott des Traumes oder Schlafes – nannte, die Vorschrift für dessen Herstellung sowie Ausführungen über dessen Wirkung auf den menschlichen Körper.

Hierzu hatte Sertürner an sich selbst sowie an drei jugendlichen Personen pharmakologische Versuche durchgeführt, die sie fast das Leben gekostet hätten, sodass Sertürner schlussfolgerte: "Nach dieser wirklich höchst unangenehmen eigenen Erfahrung zu urteilen, wirkt Morphium schon in kleinen Gaben als ein heftiges Gift" [16].

Die Folgen der Morphinentdeckung

Die Entdeckung des Morphins leitete eine Wende in der Pharmazie ein [17]. Es begann eine systematische Suche nach weiteren hochwirksamen Arzneistoffen, deren Erfolge wesentlich zur Entstehung der pharmazeutischen Industrie und zur Etablierung der Pharmazie an der Hochschule beitrugen.

Alkaloidchemie

Erst durch Sertürners Aufsatz von 1817 wurden seine Untersuchungen in Deutschland und dann durch Vermittlung Heinrich Roses (1795 – 1864) auch in Frankreich – zu dieser Zeit das Zentrum der chemischen Forschung – allgemein zur Kenntnis genommen. Louis Joseph Gay-Lussac (1778 – 1850), der eine Übersetzung in den "Annales de chimie et de physique" herausgab, urteilte damals:

"Die Entdeckung einer alkalischen Basis, welche aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff besteht und sehr ausgezeichnet die neutralisierenden Eigenschaften besitzt, scheint mir von der höchsten Wichtigkeit zu sein, und ich habe daher geeilt, meinen Lesern von ihr Kenntnis zu geben [...] Ich nehme keinen Anstand zu behaupten, dass durch die Entdeckung des Morphiums uns ein neues Feld eröffnet wird, und, dass wir nun bald genaue Begriffe von den Giften des Pflanzenreiches und des Tierreiches erlangen werden. Die mehrsten dieser Substanzen zeichnen sich aus durch eine stickstoffartige Natur und durch alkalische Eigenschaften, und sie werden hinfür eine eigene Gattung ausmachen" [18].

Damit umriss Gay-Lussac gleichsam das Programm zur Erforschung weiterer Alkaloide. Es war kein Zufall, dass eine große Zahl Alkaloide von französischen Apothekern entdeckt wurde, denn bei ihnen besaß die Pflanzenchemie Tradition. Gay-Lussac regte zunächst den Apotheker Pierre Jean Robiquet (1780 – 1840, Abb. 6) zur Auseinandersetzung mit Sertürners Untersuchungen an. Dieser fand bei seinen Studien ein weiteres Opium-Alkaloid, das Narcotin, und erkannte vorbehaltlos Sertürners Verdienste an, eine Meinung, die indessen nicht von allen französischen Forschern geteilt wurde. Neben Robiquet waren die französischen Pharmazeuten Joseph Pelletier (1788 – 1842) und Joseph Bienaimé Caventou (1795 – 1877) als Alkaloidforscher überaus erfolgreich.

Auch außerhalb Frankreichs wurden weitere Alkaloide entdeckt. Im Jahr 1818 berichtete der Hallenser Apotheker Friedrich Wilhelm Meissner (1792 – 1853) im "Journal für Chemie und Physik" über die Isolierung des Veratrins [19]. Meissners Veröffentlichung erlangte vor allem terminologische Bedeutung, da er definierte: "Ueberhaupt scheint es mir auch angemessen, die bis jetzt bekannten alkalischen Pflanzenstoffe nicht mit dem Namen Alkalien, sondern Alkaloide [= den Alkalien ähnlich] zu belegen" [20]. Der Begriff Alkaloid, der also auf Meissner zurückgeht, begann sich nach 1820 zunehmend einzubürgern.

Pharmazeutische Industrie

Eine wichtige Voraussetzung für den therapeutischen Einsatz der Alkaloide war deren ausreichende Herstellung in möglichst guter Qualität. Dafür erwies sich die Apotheke aus ökonomischen und fachlichen Gründen als ungeeignet; die Zukunft lag in der Großherstellung mit speziell ausgebildeten Pharmazeuten. Im Unterschied zu ihren deutschen Kollegen wandten sich einige französische Alkaloidentdecker selbst der Produktion zu, so Robiquet, aber auch Pelletier, der 1826 in Paris eine Chininfabrik eröffnete.

Bald darauf entstanden auch in Deutschland chemisch-pharmazeutische Fabriken, die z. T. aus Apothekenlaboratorien hervorgingen und sich bevorzugt der Produktion von Alkaloiden widmeten. So gründete der Apotheker Friedrich Ludwig Koch (1785 – 1865) in Oppenheim die erste deutsche Chininfabrik [21, 22], die aber nur bis 1888 bestand, da sie nicht länger den Reinheitsanforderungen zu entsprechen vermochte. Dagegen konnten sich andere Firmen, die gleichfalls mit der Produktion von Alkaloiden begonnen hatten, später zu namhaften Industrieunternehmen profilieren, so die Betriebe von Johann Daniel Riedel (1786 – 1843) in Berlin [23] und Heinrich Emanuel Merck (1794 – 1855) in Darmstadt [24].

Moderne Arzneimittelforschung

Die intensive Beschäftigung mit den isolierten Alkaloiden brachte der Arzneimittelforschung wichtige Impulse. Nachdem zunächst die Summenformeln der Verbindungen bestimmt und dann teilweise ihre Strukturen aufgeklärt worden waren, bemühten sich Forscher, die Alkaloide synthetisch herzustellen. Die erste Synthese eines Alkaloids, die des Coniins, gelang 1886 in Kiel dem Chemiker Albert Ladenburg (1842 – 1911).

Bald begannen die Forscher, die Alkaloide durch die Einführung oder Entfernung von Substituenten abzuwandeln, um zu Verbindungen zu gelangen, die sich durch eine modifizierte, nach Möglichkeit noch größere Wirksamkeit auszeichneten oder weniger unerwünschte Begleiterscheinungen aufwiesen. Von den Alkaloiden ausgehend, sind seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts zahlreiche synthetische Arzneimittel entwickelt worden, die viele Jahrzehnte lang, ja teilweise bis heute den Arzneischatz prägten [4].

Friedrich Wilhelm Sertürner leitete einen Paradigmenwechsel in der Arzneimitteltherapie, -forschung und -herstellung ein. Seine vor 200 Jahren geglückte Morphinentdeckung wurde damit zum Ausgangspunkt der modernen Pharmakotherapie.

 

Danksagung:
Der Verfasser dankt Herrn Prof. Dr. Gunter Seitz, Marburg, für Hinweise und anregende Diskussionen.

 


 

Literatur

[1] Valentin, J.: Der erkenntnistheoretische Wandel Sertürners im Jahre 1804. Dtsch. Apoth.-Ztg. 97 (1957), 573 f.

[2] Meyer, K.: Friedrich Wilhelm Sertürner – Apotheker und Phar- mazeut in Einbeck. Friedrich Wilhelm Sertürners Kampf um die Erhaltung seiner Apotheke in Einbeck. Oldenburg 1996 (Kleine Schriften des Städtischen Museums Einbeck, Heft 13).

[3] Piehler, A.: Leben und Werk des F. W. A. Sertürner. Diss. med., Leipzig 1999.

[4] Müller-Jahncke, W.-D., Friedrich, Ch., Meyer, U.: Arzneimit- telgeschichte. Stuttgart 2004.

[5] Jantz, V.: Pharmacologia Browniana. Pharmakotherapeutische Praxis des Brownianismus, aufgezeigt und interpretiert an den Modellen von A. F. Marcus in Bamberg und J. Frank in Wien. Diss., Marburg 1974.

[6] Sertürner, F.: Säure im Opium. Journal der Pharmacie 13, 1. Stück (1805), 234 f.

[7] Bucholz, Ch. F.: Versuche die Zerlegung des Opiums in seine nähere Bestandtheile betreffend; nebst einigen dahin gehöri- gen Bemerkungen. Journal der Pharmacie 8, 1. Stück (1800), 24– 62.

[8] Krömeke, F.: Friedrich Wilh. Sertürner, der Entdecker des Morphiums. Lebensbild und Neudruck der Original-Morphin- arbeiten. Jena 1925.

[9] Sertürner, F.: Darstellung der reinen Mohnsäure (Opiumsäure) nebst einer chemischen Untersuchung des Opiums mit vor- züglicher Hinsicht auf einen darin neu entdeckten Stoff und die dahin gehörigen Bemerkungen. Journal der Pharmacie 14, 1. Stück (1805), 47 – 93.

[10] Borchardt, A.: Die Entwicklung der Pflanzenanalyse zur Zeit Hermbstaedts. Braunschweig 1974 (Veröffentlichungen aus dem Pharmaziegeschichtlichen Seminar der Technischen Uni- versität Braunschweig, 13).

[11] Friedrich, Ch.: Carl Wilhelm Scheele (1742 – 1786). Apothe- ker und Forscher – ein großer Sohn der Stadt Stralsund. Stral- sund 1992 (Sundische Reihe, Heft 7).

[12] Friedrich, Ch.: Wissenschaftliche Schulen in der Pharmazie. Teil 6: Günther Wagner und sein Schülerkreis. Pharmazie 45 (1990), 777 – 782.

[13] Kerstein, G.: Ueber den Zeitpunkt der Entdeckung des Mor- phins durch Sertürner. Dtsch. Apoth. Ztg. 94 (1954), 968 f.

[14] Rosenthal, L.: Die Entdeckung des Morphins. Schweiz. Apoth.-Ztg. 58 (1920), 409– 411.

[15] Derosne, [J.-F.]: Ueber das Opium. Journal der Pharmacie 12, 1. Stück (1804), 223 – 253.

[16] Sertürner, [F.]: Ueber das Morphium, eine neue salzfähige Grundlage und die Mekonsäure, als Hauptbestandteile des Opiums. Annalen der Physik N.F. 25 (1817), 56 – 89.

[17]Krafft, F.: Wenden in der Pharmazie: Zum Periodisieren ihrer Geschichte. Geschichte der Pharmazie 49 (1997), 1– 11.

[18] Trommsdorff, H.: Johann Bartholomäus Trommsdorff und sei- ne Zeitgenossen. 2. Teil: Trommsdorff und Sertürner. Jahrbü- cher der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt N.F. 55 (1941), 133 – 244, hier 166.

[19] Friedrich, Ch., Domarus, C. von: Carl Friedrich Wilhelm Meissner (1792 – 1853) – Apotheker und Alkaloidforscher. Pharmazie 53 (1998), 67 – 73.

[20] Meissner, W.: Ueber ein neues Pflanzenalkali (Alkaloid).
Journal für Chemie und Physik 25 (1818), 381.

[21] Friedrich, Ch.: Die Anfänge der industriellen Ära der Pharma- zie in Deutschland. In: Pötzsch, R. (Hrsg.): Die Apotheke. Historische Streiflichter. Basel 1996, S. 243 – 255.

[22] Huhle-Kreutzer, G.: Die Entwicklung arzneilicher Produk- tionsstätten aus Apothekenlaboratorien, dargestellt an ausge- wählten Beispielen. Stuttgart 1989 (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie, 51).

[23] Dann, G. E.: Die Familie Riedel. Pharm. Ztg. 71 (1926), 1136 f.

[24] Possehl, I.: Modern aus Tradition. Geschichte der chemisch- pharmazeutischen Fabrik E. Merck Darmstadt, 2., erw. Aufl., Darmstadt 1994.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Christoph Friedrich

Institut für Geschichte der Pharmazie Roter Graben 10, 35032 Marburg

 

Im Jahr 1804 isolierte der Apothekergehilfe Friedrich Sertürner in Paderborn das "schlafmachende Prinzip" im Opium, das er Morphium nannte. Damit legte er den Grundstein für die Alkaloidchemie und darüber hinaus für die moderne Arzneimittelforschung.  Sertürners Entdeckung wurde damals vom Fachpublikum sehr kritisch aufgenommen, denn die Lehrmeinung besagte, dass die Partner der pflanzlichen Säuren mineralische Alkalien sind. Deshalb hielt man es für ausgeschlossen, dass die spezifischen Wirkungen einer pflanzlichen Droge auf ihren basischen Inhaltsstoffen beruhen könnte. Sertürner gelangte zu seiner umwälzenden Erkenntnis, nachdem er pharmakologische Tests sowohl mit der Mohnsäure als auch mit dem Morphin durchgeführt hatte.

Literaturtipp

Wolf-Dieter Müller-Jahncke, Christoph Friedrich, Ulrich Meyer Arzneimittelgeschichte 2., überarbeitete und erweiterte Auflage IX, 282 S., 48 s/w Abb., kart. 44,– Euro Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2004. ISBN 3-8047-2113-3

Das könnte Sie auch interessieren

DAZ.online-MiniSerie „Berühmte Apotheker“ (2)

Morphin und Co. – Apotheker als Forscher und Industrielle

Todestag von Friedrich Sertürner

Vor 175 Jahren starb der Entdecker des Morphins

250. Geburtstag von Johann Bartholomäus Trommsdorff

„Vater der Wissenschaft Pharmazie“

Der Einsatz von Apothekern während der Cholera-Epidemie im 19. Jahrhundert

Wo das Übel nicht weichen will und sehr große Not herrscht

DAZ-Adventsrätsel – Tag 2

Wofür steht das „contin“ in Oxycontin?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.