DAZ Feuilleton

Der geschmiedete Himmel

Hochkarätige Objekte der Bronzezeit aus ganz Europa zeigt das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle derzeit in der Sonderausstellung "Der geschmiedete Himmel". Zur Himmelsscheibe von Nebra gesellt sich hier der nur wenig jüngere Sonnenwagen von Trundholm in Dänemark.

Für eine Million Mark wollten Händler dem Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin einen Schatz aus der Bronzezeit verkaufen: zwei Schwerter, zwei Beile, Bruchstücke von Armspiralen sowie eine tauschierte Bronzescheibe mit 30 cm Durchmesser. Als sie ahnungslos erzählten, dass die Objekte kürzlich bei Sangerhausen geborgen worden seien, musste das Museum das Angebot ablehnen: Laut Denkmalschutzgesetz von Sachsen-Anhalt werden archäologische Funde mit der Entdeckung Eigentum des Landes. Als die Ware später erneut angeboten wurde, war das Landeskriminalamt zur Stelle und nahm die Händler fest. Die Ermittlungen ergaben, dass zwei Raubgräber die Fundstücke 1999 mit einer Sonde im Ziegelrodaer Forst im Süden Sachsen-Anhalts aufgespürt hatten. Ohne es zu ahnen, hatten sie einen der wichtigsten archäologischen Funde des 20. Jahrhunderts zutage gefördert, die Himmelsscheibe von Nebra", so benannt nach der nächstgelegenen Stadt Nebra an der Unstrut. Das spektakuläre Objekt ist bis zum 24. April 2005 glanzvoller Mittelpunkt einer facettenreichen Sonderausstellung in Halle.

Astronomie mit Mythologie

Die Tauschierung auf der Bronzescheibe wird als symbolhafte Darstellung des Himmels interpretiert. Sichelmond und Vollmond – oder Sonne? – scheinen gleichzeitig. 32 Sterne verteilen sich über die Fläche, ohne dass sie Sternbilder ergeben. Eine Gruppe von sieben Sternen könnte indessen auf die Plejaden hindeuten. Ein Bogen am rechten (= östlichen) Rand der Scheibe markiert den Bereich der Sonnenaufgangspunkte im Laufe des Jahres; ein einst an der gegenüberliegenden Seite angebrachter Bogen für die Sonnenuntergangspunkte fehlt heute. Beide Bögen könnten zu Kalenderberechnungen gedient haben, die für die Landwirtschaft erforderlich waren. Am unteren Rand der Scheibe erscheint ein stärker gekrümmter Bogen. Er kann wohl nur mythologisch gedeutet werden und wird als Barke bezeichnet, weil er an die Sonnenschiffe des alten Ägypten erinnert. Die Darstellung entstand vor etwa 3600 Jahren. Die Scheibe selbst ist aber nachweisbar noch älter und wurde an der Oberfläche mehrfach verändert.

Keine Grabbeigabe

Seit dem ausgehenden dritten vorchristlichen Jahrtausend war es in ganz Europa üblich gewesen, "Prominente" sehr prunkvoll zu bestatten und ihnen reich verzierte Waffen und Schmuck mit ins Grab zu geben. Edle Materialien wie Bernstein, Kupfer, Zinn und Gold waren überall begehrt und wurden über große Entfernungen gehandelt. Bei der Himmelsscheibe von Nebra handelte es sich jedoch nicht um eine Grabbeigabe, sondern um einen Opfergegenstand, der am Fundort vergraben worden war. Ähnliche Horte mit häufig einander ähnelnden Gebrauchsgegenständen, die im Alltag nie benutzt worden sind, hat man zwischen Atlantikküste und Schwarzem Meer, Südschweden und Mittelmeer gefunden. Vermutlich wollten die Menschen den Gottheiten hiermit einen Teil dessen, was diese ihnen beschert hatten, zurückgeben. Die Himmelsscheibe von Nebra ist indessen bisher einzigartig. Nach Aussagen der Raubgräber stand sie im Hort aufrecht. Davor befanden sich in diagonaler Position die beiden goldverzierten Schwerter mit nach unten angeordneten Klingen. Aus Hortfunden der ausgehenden Bronzezeit kann man folgern, dass sich die religiösen Vorstellungen der Menschen im Verlauf der Jahrhunderte gewandelt haben. So unterscheiden sich die Niederlegungssitten um 1200 vor Christus deutlich von den Bräuchen in früheren Zeiten. Insbesondere wurden nun weniger wertvolle Metallobjekte geopfert. In mitteldeutschen Horten der Urnenfelderzeit ersetzten zusehends Sicheln die mitunter überdimensionalen Beile der frühen Bronzezeit. Zwar wurden umfangreichere Metallhorte mit einer größeren Objektvielfalt angelegt. Das in dieser Zeit zusehends übliche Deponieren von Bronzebruch spiegelt indessen deutlich einen Wertewandel im Geistesleben wider.

 

Literatur

Vaas, R.: Die Himmelsscheibe von Nebra ! ! ! ! – ! ! ! ! die älteste Darstellung des Sternenhimmels. Naturwiss. Rundschau 57, 247 ! ! ! ! – ! ! ! ! 252
(2004).
Kaufholz, Ute: Sterne, Mond und Sonne ! ! ! ! – ! ! ! ! das Geheimnis der Himmelsscheibe vom Mittelberg. Anderbeck 2004.

 

Reinhard Wylegalla

 

Info

Landesmuseum für Vorgeschichte, Richard-Wagner-Straße 9, 06114 Halle, Tel. (03 45) 52 47 30, Fax (03 45) 5 24 73 51, www.archlsa.de. Geöffnet bis 24. April 2005: dienstags bis sonntags 9 bis 19 Uhr, montags nach Voranmeldung. Buch: U. Kaufholz: Sterne, Mond und Sonne. 200 S., zahlr. Abb., 15 Euro. ISBN 3-937751-05-X

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