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Schmidt lobt Barmer Hausarzt- und Hausapothekenvertrag

BERLIN (ks). Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ist hocherfreut über den ersten bundesweiten Hausarzt- und Hausapothekenvertrag zwischen der Barmer Ersatzkasse, der hausärztlichen Vertragsgemeinschaft und der Marketinggesellschaft Deutscher Apotheker (MGDA), der auf Initiative des Deutschen Hausärzteverbands und des Deutschen Apothekerverbands (DAV) geschlossen wurde. "Solchen Modellen, die Qualität, Effizienz und Wirtschaftlichkeit verbinden, gehört die Zukunft", sagte sie am 22. Dezember 2004 in Berlin. Auch Regierungsberater Karl Lauterbach lobte den Vertrag. Kritik kam hingegen vom NAV-Virchow-Bund, der das Modell als "größten Bluff des Jahres" titulierte.

Gemeinsam mit den Spitzen der Vertragspartner stellte die Ministerin kurz vor Weihnachten das Hausarzt- und Hausapothekenmodell in der Bundespressekonferenz vor. Der Vertrag zur integrierten Versorgung zeige, dass sich "Veränderungen durchsetzen und für viele Menschen erlebbar werden", erklärte Schmidt. Besonders durch die Verbindung mit einer Hausapotheke würden die Bedingungen für eine rationale und qualitativ hochstehende Arzneimitteltherapie verbessert. Ausdrücklich begrüßte die Ministerin, dass nicht nur die Akutversorgung einbezogen wird, sondern der Vertrag auch Angebote der Prävention und Gesundheitsförderung umfasst. Von der flächendeckenden Einführung des Modells verspricht sie sich zudem, dass "die massiv vorhandenen Verkrustungen im deutschen Gesundheitswesen aufgebrochen werden."

Keller: "Historische Stunde"

Der DAV-Vorsitzende Hermann S. Keller bezeichnete den Schritt in eine neue Versorgungslandschaft als eine "historische Stunde". Die Apothekerschaft sei überzeugt, dass das Gesundheitssystem nur effizienter werde, wenn Krankenkassen, Ärzte und Apotheker Hand in Hand mit dem Patienten arbeiten, so Keller. Das vor gut zwei Jahren mit der Barmer entwickelte Hausapothekenmodell sei heute die Grundlage der Kooperation mit den Hausärzten. "Ich bin zuversichtlich, dass sich die Hausapotheke als Modell erweisen wird, das für die Patienten eine bessere Betreuung schafft". Zwar würden die Patienten mit ihrer Einschreibung einen Teil ihrer Apothekenwahl aufgeben – "dafür erhalten sie aber ein Höchstmaß an Arzneimittelsicherheit", betonte Keller.

Erstmals definiertes Miteinander von Arzt und Apotheker

Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands Ulrich Weigeldt sprach von einem "Meilenstein". Vor allem, dass die Schnittstelle zwischen Arzt und Apotheker erstmals definiert werde, sei für die Patienten vorteilhaft. "Vorher haben wir nebeneinander her gearbeitet", räumte Weigeldt ein. Er wies darauf hin, dass sich auch andere Krankenkassen an dem Vertrag beteiligen können und warnte vor dem Abschluss zu vieler verschiedener Verträge, auch auf regionaler Ebene. "Man darf nicht mehr Bürokratie aufbauen", so der Hausärzte-Chef.

Todesfälle durch falsche Medikation reduzieren

Die Barmer-Vorstände Eckart Fiedler und Klaus H. Richter gehen von einer großen Akzeptanz des neuen Modells aus. Einer Befragung zufolge sind 70 Prozent der Barmer-Versicherten bereit, an einer vorteilhaften hausarztorientierten Versorgung teilzunehmen, erklärte Richter. Fiedler betonte, dass mit dem Vertrag der Wettbewerb um Qualität und Wirtschaftlichkeit forciert werde. Zudem werde dem drohenden Kostenschub im Arzneimittelsektor entgegengewirkt und qualitative Defizite in der Versorgung beseitigt. Nicht zuletzt könnten "katastrophale Arzneimittelnebenwirkungen" vermieden werden.

300.000 Menschen müssen jedes Jahr wegen negativer Arzneimittelwechselwirkungen ins Krankenhaus, bis zu 25.000 Menschen sterben an den Folgen, erläuterte der Barmer-Chef. Ziel sei es, mit dem Vertrag das Risiko von Todesfällen und Krankenhauseinweisungen um bis zu 50 Prozent zu senken. Der Hausapotheker im Barmer-Vertrag sei durch die Führung der Medikationslisten ein "Garant für Sicherheit", so Fiedler.

Lauterbach: Bis zu fünf Milliarden Einsparpotenzial

Der Gesundheitsökonom Karl Lauterbach geht davon aus, dass Modelle wie das der Barmer hohe Einsparpotenziale für die gesetzliche Krankenversicherung eröffnen. "Wenn alle Kassen das einführen, lassen sich mindestens zwei bis fünf Milliarden Euro im Jahr sparen", sagte er der Berliner Zeitung (Ausgabe vom 24. Dezember). Das Modell ermögliche eine rationellere Arzneimitteltherapie und vermeide zugleich überflüssige Überweisungen in Krankenhäuser und zu Fachärzten. "Wenn diese Verträge Schule machen, kommt so etwas wie die zweite Stufe der Gesundheitsreform in Gang", so Lauterbach.

Kritik vom Verband der niedergelassenen Ärzte

Der NAV-Virchow-Bund kritisierte das Modell hingegen scharf. "Der Patient gibt für den billigen Köder von zwei oder drei Praxisgebühren sein Recht auf freie Arztwahl auf und hat keinerlei erkennbaren Vorteil daraus", erklärte der Bundesvorsitzende des Verbandes, Maximilian Zollner. Er hielt der Barmer vor, darauf zu spekulieren, dass die teilnehmenden Ärzte ihre Patienten verstärkt in Disease-Management-Programme einschreiben. "Dafür erhält der Arzt eine Pauschale als 'Fangprämie', die Barmer jedoch rund 5.000 Euro aus dem Risikostrukturausgleich aller Krankenkassen", so Zollner.

Einschreibung ab März möglich

Der Barmer Hausarzt- und Hausapothekenvertrag gilt seit dem 1. Januar dieses Jahres bundesweit. Apotheken und Arztpraxen haben zwei Monate Zeit, sich vorzubereiten. Ab dem 1. März können sich die Barmer-Versicherten in den Vertrag einschreiben. Sie müssen dann nur noch im ersten Quartal 10 Euro Praxisgebühr entrichten. In der Folge entfällt diese Gebühr.

Die Bundesgesundheitsministerin hält den ersten Hausarzt- und Hausapothekenvertrag der Barmer Ersatzkasse für einen Meilenstein: das Modell werde die "massiven Verkrustungen im Gesundheitswesen" aufbrechen.

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