Kommentar

Alles Taktik?

Wie die zuständigen ABDA-Juristen mit dem Urteil des Kammergerichts Berlin zum Arzneiversand aus den Niederlanden umgegangen sind, war nach einer überaus freundlichen Lesart geprägt von dem Versuch, darauf taktisch klug und strategisch weitsichtig zu reagieren. Motto: Bitte nicht die Politik und die veröffentliche Meinung aufschrecken - die sich ja teilweise für den Versandhandel stark gemacht haben. Nichts sei auf ABDA-Seite übersehen, falsch oder zu spät eingeschätzt worden. Nur: Wenn es so gewesen wäre – warum gab es selbst Wochen nach Vorlage des kompletten Urteils keinerlei Information für die Berufsöffentlichkeit (über die PZ) oder wenigstens für die eigenen Funktionsträger (in einem der häufigen internen Rundschreiben)? Die Information allein der DAZ zu überlassen, wird ja wohl kaum Absicht gewesen sein. Immerhin geht es um ein Urteil, das auch die ABDA inzwischen als "wichtig" und "nützlich" einstuft.

In einer Stellungnahme der ABDA, die jetzt in Mitteilungen der Verbände einfließt, werden Hintergründe der taktisch-strategischen Überlegungen der ABDA-Juristen (oder der ABDA insgesamt?) dargelegt. Die Regierungskoalition habe den Versandhandel mit den Stimmen der Opposition beschlossen – gegen die restriktivere Rechtsprechung des EuGH: "Im Gegenteil wurde die ABDA aus Kreisen der Regierungskoalition und Opposition gewarnt, ihren Widerstand gegen den Versandhandel aufzugeben, da man ihn andernfalls beabsichtige, weiter zu liberalisieren". Der letzte Satz, beim Wort genommen, spricht exakt gegen die empfohlene Appeasement-Politik. Wann "droht" weitere Liberalisierung? Wenn die ABDA selbst den Widerstand aufgibt? Oder gerade dann nicht? Können Juristen so ungenau formulieren?

Aus dem weiteren Kontext muss man schließen: Unsere ABDA-Juristen empfehlen derzeit (anders als früher) einen Schmusekurs gegenüber der Politik – weil ja auch die "Eigentumsverhältnisse an Apotheken und die Apothekenpflicht nicht-verschreibungspflichtiger Arzneimittel in der Diskussion" seien. Ob diese Diskussionen beschwichtigt oder geradezu ermuntert werden, wenn sich die ABDA beim Versandhandel auf einmal als überaus flexibel zeigt – darüber lässt sich trefflich streiten.

Für Ermunterung spricht vieles: Wer mit guten Argumenten, nach heftigem Kampf und trotz anschließender juristischer Rückenstärkung den Kopf hängen lässt, reizt geradezu zu weiteren Nackenschlägen.

Klaus G. Brauer

Das könnte Sie auch interessieren

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Rückblick auf das EuGH-Urteil, Perspektiven für die Zukunft

Preisbindung auf dem Prüfstand

Hennrich sieht Befürchtungen bestätigt und erwartet einen „heißen Sommer“

DocMorris wächst – Politiker sind alarmiert

TGL-Vorsitzende Heidrun Hoch

„Warum liefert die ABDA nicht?“

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.