Präventionsgesetz: Bundesregierung will Vorsorge stärken

BERLIN (ks). Die Bundesregierung will die Vorsorge und Gesundheitsförderung als eigenständige Säule im Gesundheitswesen etablieren. Dafür soll ein Präventionsgesetz sorgen, das am 2. Februar vom Kabinett beschlossen wurde. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass jährlich mindestens 250 Mio. Euro für präventive Maßnahmen verwendet werden sollen. Diesen Betrag sollen die Sozialversicherungsträger gemeinsam aufbringen. Die übten Kritik an dem Gesetzentwurf.

Bereits im Koalitionsvertrag vom Oktober 2002 hatte sich Rot-Grün das Ziel gesetzt, ein Präventionsgesetz zu erarbeiten. Im Rahmen der Verabschiedung des GKV-Modernisierungsgesetzes war die Bundesregierung im September 2003 vom Bundestag aufgefordert worden, dieses Gesetz innerhalb eines Jahres zu erarbeiten. Mit einigen Monaten Verspätung konnte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt nun den 90-seitigen Gesetzentwurf präsentieren. Er basiert auf den Verhandlungsergebnissen, die im vergangenen Jahr innerhalb einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erzielt werden konnten.

Maßnahmen auf drei Ebenen

"Prävention und Gesundheitsförderung müssen stärker als bisher als gemeinsame Aufgabe gesehen werden", betonte Schmidt im Anschluss an die Kabinettssitzung. Denn durch gezielte Vorbeugung sei es möglich, Gesundheit, Lebensqualität, Mobilität und Leistungsfähigkeit nachhaltig zu verbessern und damit erhebliche Kosten zu vermeiden. Dafür muss aber zunächst investiert werden: 100 Mio. Euro sollen künftig in individuelle Maßnahmen der Sozialversicherungsträger zur Vorbeugung von Krankheiten sowie die betriebliche Gesundheitsvorsorge fließen. Dazu zählen etwa Angebote zu Bewegung und Ernährung.

Weitere 100 Mio. Euro sollen für so genannte lebensweltbezogene Leistungen auf Landesebene verwendet werden, etwa in Schulen, Kindergärten, Senioreneinrichtungen und Betrieben. 50 Mio. Euro sind für Kampagnen und die Förderung von Modellprojekten auf Bundesebene vorgesehen, diese soll die neu zu gründende Stiftung für Prävention durchführen. Die Stiftung soll zudem Präventionsziele entwickeln und Qualitätsstandards konkretisieren. Schmidt: "Als Ziel wären die Verbesserung des Ernährungsverhaltens, aber auch die Verminderung der Sterblichkeitsrate bei Herz-Kreislauf- und anderen chronischen Erkrankungen denkbar."

BfA will sich nun doch nicht beteiligen

Aufgebracht werden die Mittel von den Sozialversicherungsträgern: 180 Mio. Euro entfallen auf die gesetzlichen Krankenkassen, dies entspricht rechnerisch den 2,62 Euro, die sie derzeit je Jahr und Mitglied für Prävention ausgeben dürfen. Daneben ist die gesetzliche Rentenversicherung mit 40 Mio. Euro beteiligt. Auf die Unfallversicherung fallen 20 Mio. Euro, auf die Pflegeversicherung 10 Mio. Euro. Eine Mitfinanzierung durch die Arbeitslosenversicherung und die privaten Krankenkassen (PKV) ist im Gesetzentwurf nicht vorgesehen.

Kurz vor dem Kabinettsbeschluss hatte die Bundesanstalt für Arbeit (BfA) ihre Zusage, sich mit 20 Mio. Euro zu beteiligen, zurückgezogen. Schmidt betonte jedoch, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. In Abstimmung mit Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) werde man im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens prüfen, wie man eine Beteiligung der BfA organisieren könne. Was die PKV betrifft, so habe diese signalisiert, ihren Anteil zu geben, sagte die Ministerin. Jedoch sei auch hier die Organisation angesichts der vielen unterschiedlichen Unternehmen schwierig. "Der Bund kann Privatunternehmen nicht verpflichten, mitzumachen", erklärte Schmidt.

Sozialversicherungen: "Inhaltliche Mängel"

Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger bemängelten, dass der Gesetzentwurf einige ihrer zentralen Forderungen nicht aufgreife. Dazu zählen die Vermeidung neuer Verschiebebahnhöfe, die Offenlegung und Fortschreibung der steuerfinanzierten Prävention und Gesundheitsförderung sowie die Selbsthilfeförderung durch Bund, Länder und Gemeinden. Auch der vorgesehenen Finanzverteilung stehen die Geldgeber kritisch gegenüber. Besonders bedauern sie den Rückzug der BfA. Prävention sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, in die auch die Arbeitsförderung mit einbezogen werden müsse. Das gleiche gelte für die PKV. Der Gesetzentwurf weise darüber hinaus handwerkliche und inhaltliche Mängel auf. So werde unter anderem das Ziel verfehlt, einfachere und transparentere Organisationsstrukturen zu schaffen. Auch sei es nicht gelungen, eine einheitliche Verbindlichkeit der Präventionsziele für alle Ebenen herzustellen.

Kritik und Lob aus der Union

Die Unionspolitiker Andreas Storm und Annette Widmann-Mauz bezeichneten den Gesetzentwurf als einen "Schritt in die richtige Richtung". Er verfehle aber sein "Ziel, den Flickenteppich aus unkoordinierten Einzelmaßnahmen zu überwinden und einheitliche Präventionsziele festzulegen". Sie kritisierten zudem, dass der Entwurf keine Aussagen zur finanziellen Beteiligung von Bund und Ländern enthalte. Zu befürchten sei ein massiver Verwaltungsaufwand, weil zahlreiche neue Gremien auf Bundes- und Landesebene eingerichtet werden, deren Arbeit koordiniert werden müsse. Anerkennung für den Gesetzentwurf kam hingegen von Baden-Württembergs Sozialministerin Tanja Gönner (CDU): "Die jetzt im Gesetz vorgesehene Einbindung der in den Ländern vorhandenen Strukturen wird verhindern, dass Programme von oben aufgesetzt werden und ineffiziente Parallelstrukturen entstehen". Baden-Württemberg war maßgeblich am Gesetzgebungsverfahren zum Präventionsgesetz beteiligt gewesen.

FDP: Zu bürokratisch

Kritik auch von der FDP: Gesundheitsexperte Detlef Parr erklärte, das Gesetz bewerkstellige vor allem eines: "Geld von den Sozialversicherungen an Länder, Kommunen und Bund umzuleiten." Verbunden werde dies mit der Schaffung neuer bürokratischer Strukturen. Die Liberalen haben einen eigenen Antrag zur Förderung der Prävention vorgelegt, der auf die Verantwortung des Einzelnen für seine Gesundheit abhebt (siehe DAZ 2005, Nr. 5, S. 24). Der Gesetzentwurf soll am 18. Februar im Bundestag beraten werden. Auch wenn die Union Kritik übt, ist mit Zustimmung im Bundesrat zu rechnen, da die Länder an der Erarbeitung des Entwurfs beteiligt waren.

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