Gesundheitsreform - Schwarz-Rot setzt sich selbst unter Druck

In der Gesundheitspolitik steht die neue Bundesregierung unter enormem Erfolgsdruck. Im kommenden halben Jahr will sie einen Weg finden, wie die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung stabilisiert werden können. Auf einer Dialog-Veranstaltung des AOK-Bundesverbandes am 14. Dezember in Berlin machten sowohl Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt als auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Annette Widmann-Mauz, deutlich, dass es keine Alternative zu einer Einigung gibt Ų so unterschiedlich die Reformansätze der beiden großen Parteien auch sind.

Schmidt ist sich bewusst: Auf Dauer wird die Begrenzung der Kassenbeiträge auf das Einkommen nicht ausreichen. Selbst wenn alles für die GKV günstig liefe, würde zwischen ihren Einnahmen und Ausgaben eine Finanzierungslücke von rund 10 Mrd. Euro in dieser Legislaturperiode klaffen.

Im Worst-Case-Szenario müssten die Kassen gar eine Lücke von bis zu 14 Mrd. Euro stemmen, räumte die Ministerin ein. Berücksichtigt sind in dieser Prognose bereits die gestrichenen Steuerzuschüsse und die steigende Mehrwertsteuer. Angesichts dieser Berechnungen seien rasche Reformen unausweichlich. Mit dem AVWG habe man einen ersten Schritt gemacht. Schmidt betonte, dass sie in dem Gesetz auch gerne eine Regelung für die erhöhte Mehrwertsteuer, die die Kassen ab 2007 zu schultern haben, gesehen hätte. Ihr Vorschlag, diese Mehrausgaben den Pharmaherstellern aufzubürden, scheiterte an der Union.

Schmidt erklärte jedoch, dass man in den Fraktionen von Union und SPD noch aushandeln wolle, wie man mit diesem Problem umgeht. Sie verwies darauf, dass sich Gesundheitspolitiker stets für den reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel stark machen würden - unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. Doch die Haushaltspolitiker machten ihnen stets aufs Neue einen Strich durch die Rechnung. Dennoch gab sich Schmidt zuversichtlich, dass man einen Weg finden werde, der den Kassen nicht stets neue Belastungen beschert. Darüber hinaus machte sie deutlich, dass sie auf Dauer die Einführung einer Kosten-Nutzen-Bewertung für Arzneimittel und Untersuchungsmethoden für unerlässlich hält.

Fauler Kompromiss ausgeschlossen Bei der anstehenden Finanzreform, so betonte die Ministerin, dürfe man sich vor allem eines nicht erlauben: einen faulen Kompromiss. Schmidt ist optimistisch, dass die große Koalition einen gangbaren Weg finden wird, der es den Parteien offen lässt, nach neuen Mehrheiten im Parlament ihren eigenen Weg weiterzugehen. Wie auch immer die Reform aussehen wird - drei Voraussetzungen müssen der Ministerin zufolge auf jeden Fall bestehen bleiben: Der universelle Zugang zu Gesundheitsleistungen, die Garantie, dass jeder die medizinisch notwendigen Leistungen auf Höhe des medizinischen Fortschritts erhält und die solidarische Finanzierung.

Die Ministerin macht ihre Sicht der Dinge erneut deutlich: "Nur wenn alle einzahlen, kann eine nachhaltige, dauerhafte Finanzierung sichergestellt werden". Sie verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass Deutschland nunmehr das einzige OECD-Land sei, das noch eine private Vollversicherung anbiete.

Union will an PKV-–Honoraren nicht rütteln Annette Widmann-Mauz bemühte sich zwar, Gemeinsamkeiten mit der Ministerin zu finden - zugleich machte sie aber auch deutlich, dass es aus ihren Augen nicht darum geht, alle Bürger in ein System zu bringen. Vielmehr müsse ein Finanzierungssystem entwickelt werden, das nachhaltig wirkt. Dass dieses solidarisch sein muss, ist allerdings auch der CDU-Politikerin klar. Sie betonte zudem, dass die Union keinesfalls den privaten Kassen den Garaus machen wolle. Wenn man über eine leistungsgerechtere Honorierung der Ärzte spreche und über eine Angleichung an die PKV nachdenke, so müsse man im Blick behalten, dass die Regierung nicht die Absicht hat, Änderungen in der PKV-Honorierung vorzunehmen.

"Da werden wir nicht eingreifen - und wenn die Privaten den Ärzten den 100-fachen Satz zahlen", so Widmann-Mauz. Weiterhin betonte die Gesundheitspolitikerin, dass sich die Regierungsfraktionen durch die schrittweise Streichung der Bundeszuschüsse an die GKV unter einen erheblichen Druck gesetzt hätten. Das müsse nicht schlecht sein, denn "manchmal macht Not erfinderisch", so Widmann-Mauz.

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