Kommentar

Im falschen Film

Paradoxer geht's nicht. DocMorris im juristischen Schlamassel - merkt es und beklagt es über eine Presseerklärung. Wer hilft mit Argumenten aus – wenn auch mit weit hergeholten, haarsträubenden? ABDA-Juristen und die ABDA-eigene Pharmazeutische Zeitung! Ich glaub', ich bin im falschen Film. Hintergrund: das Urteil des Kammergerichts Berlin (wir berichteten in der DAZ). In einem Berufungsverfahren gegen DocMorris-Mitbegründer Jacques Waterval hat das Berliner Kammergericht – ohne Revision zuzulassen – Ende 2004 herausgearbeitet, dass der Arzneiversand aus den Niederlanden nach Deutschland nach aktueller (!) Rechtslage illegal ist. Die rechtlichen Regelungen in Holland entsprächen, anders als notwendig, nicht den deutschen Standards nach GMG.

Dieses Urteil des Kammergerichts wird nun von den erwähnten ABDA-Kreisen heruntergespielt, bagatellisiert und grob fehlinterpretiert. Warum nur? Nur um eine schier unglaubliche Peinlichkeit in milderem Licht erscheinen zu lassen – die Peinlichkeit, dass die rund zehnköpfige Phalanx der ABDA-eigenen Juristen und auch die ABDA-eigene Zeitung das brisante Urteil verschnarcht und/oder total falsch eingeschätzt haben? Diese Vermutung liegt nah. Deshalb auch zunächst keinerlei Info über das Urteil an die Führungsspitzen von ABDA, DAV, Kammern und Verbänden; an die Berufsöffentlichkeit schon gar nicht.

Still ruhte der See. Erst als die DAZ die Öffentlichkeit informiert hatte, kam Hektik auf. Eine weitere Woche später kam die PZ mit dem Thema. Das Urteil habe einen "Schönheitsfehler": es betreffe nur Waterval, nicht DocMorris und andere. So die ABDA-Juristen und die PZ. Wer das Urteil gelesen hat, weiß: das ist grob falsch. Wenn das Gericht nur hätte prüfen wollen, wie die Situation war, als Waterval bei DocMorris noch das Sagen hatte - es hätte voll darauf verzichten können, sehr genau auch die aktuelle Lage nach dem GMG und dem EuGH-Urteil unter die Lupe zu nehmen. "Die Tathandlungen des Beklagten bzw. der DocMorris N.V. sind auch nach den Neuregelungen des GMG ... verboten" - so das Gericht. Dies muss nun - aber bitte mit Umsicht - rechtlich umgesetzt werden. Wir hätten alle Chancen.

Jeder kann mal einen Fehler machen. Auch wir. Zugeben und korrigieren - das stünde dann an. Jeder hätte Verständnis. So bleibt Kopfschütteln. Um das Gesicht zu wahren, opfern ABDA-Juristen und PZ fundamentale Positionen und Interessen der Apotheker.

Klaus G. Brauer

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