Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: Arzneimittelversteigerungen im Internet sind

(ks). Wer Privatpersonen die Möglichkeit bietet, Arzneimittel über das Internet zu ver- oder zu ersteigern, handelt gegen geltendes Recht. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) jüngst entschieden. Er wies die Beschwerde einer Internetbörsen-Betreiberin (Antragstellerin) zurück, der von der Regierung von Oberbayern untersagt worden war, den Kauf und Verkauf von Arzneimitteln über ihre Plattform zu vermitteln. Die Behörde hatte auch die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung angeordnet, sodass die Antragstellerin das untersagte Verhalten trotz Widerspruchs umgehend einstellen musste. Das Bayerische Verwaltungsgericht München bestätigte diese Entscheidung im Eilverfahren - der VGH sah dies nicht anders. (Beschluss des Bayerischen VGH vom 10. Oktober 2005, Az.: 25 CS 05.1427)

Auf ihrer Internetplattform ermöglichte die Antragstellerin Privaten die Ver- und Ersteigerung von apotheken- und verschreibungspflichtigen Medikamenten. Sie pries dabei ihre Dienste als moderne Art der Kostenersparnis im Pharmamarkt an und wies darauf hin, dass in vielen Haushalten hochwertige Arzneimittel lagerten, die nicht mehr benötigt würden. Über die Internetbörse könnten diese Medikamente daher bis zu 75 Prozent günstiger bezogen werden. Die Antragstellerin erhielt für ihre Dienste vom Verkäufer eine Kommissionsgebühr und eine Verkaufsprovision.

Handeltreiben außerhalb einer Apotheke

Der VGH sieht in dem Vorgehen der Antragstellerin einen Verstoß gegen § 43 Abs. 1 S. 2 Arzneimittelgesetz (AMG). Nach dieser Vorschrift darf mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken kein Handel getrieben werden. Darunter versteht man jede eigennützige auf Umsatz gerichtete Tätigkeit. Wie das Gericht ausführt, könne offen bleiben, ob bereits das Bereitstellen der Internetplattform und die Durchführung der Versteigerungen an sich ein verbotenes Handeltreiben darstelle. Jedenfalls liege im Betrieb der Internetbörse eine "ganz wesentliche Förderung des Handeltreibens durch Dritte". Dies reicht im Verwaltungsrecht aus, um als "Störer" betrachtet zu werden, gegen die eine behördliche Maßnahme verhängt werden kann.

Den Einwand der Antragstellerin, jedenfalls dem Internet-Verkäufer fehle die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht, wies der VGH zurück. Die Richter betonten, dass die zur Versteigerung angebotenen Medikamente für den Verkäufer wertlos seien. Er könne sich nicht darauf berufen, vorher Krankenkassenbeiträge oder Praxisgebühren entrichtet zu haben, da diese Kosten auch ohne den Erwerb des Arzneimittels entstanden wären.

Im Urteil heißt es: "Generell erscheint es dem Senat nach den Maßstäben der praktischen Vernunft als ausgeschlossen, dass jemand ein legal erworbenes apothekenpflichtiges Medikament, für das er selbst Bedarf hätte, unter Verlust versteigern möchte." Wer das Mittel jedoch nicht benötige, dem könne es im Einzelfall sinnvoller erscheinen, es zu verkaufen, als es zu vernichten - unmittelbares Motiv sei dabei die Gewinnerzielungsabsicht, so das Gericht.

Verschreibungspflichtiges ohne Rezept

Dass über die Internetbörse auch verschreibungspflichtige Arzneimittel vertrieben werden, stellt nach Auffassung des VGH-Senates einen weiteren Verstoß gegen das AMG dar. Denn rezeptpflichtige Arzneimittel dürfen gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 und § 49 Abs. 1 S. 1 AMG nur nach Voralge einer Verschreibung abgegeben werden. Zudem dürfen derartige Arzneimittel nur von Apotheken abgegeben werden. Für die Richter liegt es auf der Hand, dass die Versteigerung verschreibungspflichtiger Arzneimittel mit diesen gesetzlichen Vorgaben unvereinbar ist.

Warenverkehrsfreiheit nicht verletzt

Der VGH hat darüber hinaus im Hinblick auf den europäischen Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung. Die Antragsgegnerin zitiere diesen Grundsatz zwar, lege aber nicht dar, weshalb dieser verletzt sein sollte. Solange die nationalen Vorschriften über den Verkauf von Arzneimitteln nicht europaweit harmonisiert sind, bleibe es Sache der Mitgliedstaaten, das Niveau zu bestimmen, auf welchem sie den Schutz und die Gesundheit der Menschen gewährleisten wollen. Ebenso sei es Sache der Mitgliedstaaten, festzulegen, wie streng die Kontrollen durchzuführen sind, so das Gericht. Dies gelte allerdings nicht, wenn die Gesundheit oder das Leben von Menschen genauso wirksam durch Maßnahmen geschützt werden können, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beschränken.

Der Europäische Gerichtshof hat das im Fall einer virtuellen Apotheke aber nur unter der Prämisse angenommen, dass sie unter der Überwachung der Behörden eines anderen Mitgliedstaates steht, die im Vergleich zu der einer herkömmlichen Apotheke nicht unzureichend ist. Bei der in Frage stehenden Internetplattform finde aber überhaupt keine Überwachung statt. Daher sah der VGH keinen Anlass, dass die Untersagungsverfügung mit dem Europarecht nicht zu vereinbaren ist.

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