AOK-Studie: Viele Patienten sind durch "IGeL" verunsichert

(az/leo). Das Geschäft mit Individuellen Gesundheitsleistungen, abgekürzt IGeL - in den bundesdeutschen Arztpraxen läuft gut, ja sehr gut. Immer mehr Ärzte bieten ihren Patienten medizinische Leistungen an, die sie aus der eigenen Tasche bezahlen sollen. Doch das Angebot trägt zur Verunsicherung bei. Rund ein Drittel der Patienten geht, inzwischen davon aus, dass sich durch IGeL das Verhältnis zum behandelnden Arzt verschlechtert. So das Ergebnis einer Studie, die das Wissenschaftliche Institut der Ortskrankenkassen (WIdO) und die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen vorgelegt haben.

An der Studie nahmen fast 4000 gesetzlich Krankenversicherte teil: 3000 repräsentativ ausgewählte Personen wurden telefonisch befragt, 900 äußerten sich schriftlich in den Verbraucherzentralen. Danach "vermuten viele Patienten, dass es beim IGeL-Angebot weniger um ihre Gesundheit als vielmehr um das Portmonee des Arztes geht", äußerte sich der Verfasser der Studie, Klaus Zok vom WIdO. Deshalb fordern Krankenkassen wie auch Verbraucherschützer mehr Transparenz auf dem Markt und eine systematische Qualitätssicherung.

Frauen- und Augenärzte stehen der Studie zufolge an der Spitze der Anbieter. Die häufigsten angebotenen Privatleistungen sind mit einem Anteil von 21,8 Prozent Ultraschalluntersuchungen, gefolgt von Augeninnendruck-Messungen (16 Prozent) und alternativen Heilmethoden (10,3 Prozent). Über 60 Prozent der Befragten gaben an, dass sie selbst nicht nach diesen Leistungen gefragt, sondern Arzt oder Arzthelferin dieses Angebot unterbreitet hätten.

IGeL-Angebote ohne medizinische Notwendigkeit

"Durch IGeL wird aus dem Patienten ein Kunde. Der Arzt gerät in den Rollenkonflikt zwischen objektiver medizinischer Betreuung einerseits und ökonomischen Interessen andererseits. Die Patienten nehmen diesen Konflikt durchaus wahr und fühlen sich verunsichert", sagt Zok. Doch viele Patienten können nicht beurteilen, ob es sich um medizinisch Ratsames handelt oder ob es den Medizinern um "Geschäftemacherei" geht.

Fast ein Viertel der gesetzlich Krankenversicherten hat nach dem Ergebnis der repräsentativen Befragung in den vergangenen zwölf Monaten eine Zusatzleistung in Anspruch genommen oder angeboten bekommen. Das sind rund 16 Millionen Versicherte. Innerhalb eines Jahres stieg der Anteil der Patienten mit IGeL-Erfahrung damit um 44 Prozent.

Die ärztlichen Zusatzleistungen werden überwiegend Patienten mit hoher Bildung und hohem Einkommen angeboten. So kamen nur 17,6 Prozent der Versicherten in der Einkommensgruppe bis 2 000 Euro Haushalts-Nettoeinkommen IgeL-Angebote, während es in der Einkommensgruppe oberhalb von 4 000 Euro doppelt so viele (35,5 Prozent) waren. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die rechtlichen Vorgaben beim IGeL-Angebot werden häufig nicht eingehalten. Der erforderliche schriftliche Vertrag vor der Leistungserbringung etwa lag in über 60 Prozent der Fälle nicht vor. Und immerhin 15 Prozent der Patienten erhielten nach der Behandlung keine Rechnung.

Eine lukrative zusätzliche Einnahmequelle

Eine auf den Umfrage-Ergebnissen basierende Modellrechnung des WldO ergibt für den IGeL-Markt ein geschätztes Volumen von knapp einer Milliarde Euro im Jahr, Nach einer Hochrechnung wurden 2004 in den Arztpraxen rund 15,9 Millionen IGeL-Leistungen verkauft. Das macht, deutlich, dass diese Angebote als lukrative zusätzliche Einnahmequelle gelten.

Einige der ärztlichen Zusatzleistungen können durchaus nützlich sein, zum Beispiel eine reisemedizinische Beratung. Viele sind jedoch auch überflüssig. Einzelne Angebote sind medizinisch umstritten und können sogar gesundheitsschädlich sein. Im Bereich der Krebsvorsorge können etwa unzuverlässige Diagnose- und Behandlungsmethoden Patienten in falscher Sicherheit wiegen oder sie unnötig in Sorge versetzen.

Die Vertragsärzte haben sich gegen den Vorwurf gewehrt, "am Pranger zu stehen". IGeL seien nicht mit Geschäftsmacherei gleichzusetzen, sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Roland Stahl. Gleichwohl haben Mediziner beim letzten Deutschen Ärztetag in einem Antrag das Erstellen von zwei Katalogen gefordert. Die eine Auflistung soll die Leistungen enthalten, welche die Krankenkassen nicht bezahlen, die dennoch sinnvoll sind und gängigen Qualitätsstandards entsprechen. Der andere Katalog soll die Leistungen aufzählen, die nicht erbracht werden dürfen, weil sie ohne Nutzen oder sogar mit einem nicht zu vertretenden Risiko verbunden seien. Der Beschluss darüber wurde vertagt.

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