Jahresgutachten 2005/2006: Sachverständige mahnen Reformen an

BERLIN (ks). Der Wirtschafts-Sachverständigenrat hat Union und SPD aufgefordert, die bereits begonnenen Reformen auf dem Arbeitsmarkt, in den Sozialversicherungssystemen und im Steuersystem weiterhin "mutig voranzubringen". In seinem aktuellen Jahresgutachten unterbreitet er ein Maßnahmenbündel, das Deutschlands Wirtschaft wieder in Schwung bringen soll. Doch der am vergangenen Wochenende zurechtgezurrte Koalitionsvertrag beherzigt diese Vorschläge nur wenig. So soll die Mehrwertsteuer schon bald auf 19 Prozent steigen, obwohl der Rat hiervor eindringlich warnt.

Das jüngste Gutachten des Sachverständigenrats zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung attestiert der deutschen Volkswirtschaft nach wie vor eine schlechte Verfassung: 4,89 Millionen Arbeitslose, ein schwaches Wirtschaftswachstum, Haushaltslöcher und wegbrechende Einnahmen in den Sozialsystemen machen dem Land zu schaffen.

Doch der Ratsvorsitzende Prof. Dr. Bert Rürup sieht keinen Grund zur Resignation: "Die deutsche Volkswirtschaft ist nicht der hoffnungsvolle Fall, als der sie gelegentlich beschrieben wird", sagte er am 8. November bei der Vorstellung des Gutachtens in Berlin. Mit ihrem vorgeschlagenen Maßnahmenpaket ließe sich ein beschäftigungs- und wachstumsfreundlicher Umbau der Wirtschafts- und Sozialordnung wesentlich voranbringen, so die Wirtschaftsweisen.

Pauschalen im Gesundheitswesen nötig

Auch wenn sich Union und SPD während der Koalitionsverhandlungen schwer taten, in der Gesundheitspolitik auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen: Die durch das GKV-Modernisierungsgesetz erzielte Atempause ist zu Ende - sollen die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nicht spätestens 2007 wieder in die Höhe schnellen, müssen weitere Reformen angegangen werden. Der Sachverständigenrat spricht sich abermals für einen Systemwechsel auf die so genannte "Bürgerpauschale" aus. Dieses Konzept sieht einheitliche einkommensunabhängige Beiträge und einen einheitlichen Versicherungsmarkt vor. Gegebenenfalls müsse zudem eine ergänzende Kapitaldeckung zur Beitragsglättung eingeführt werden. Der Soziale Ausgleich soll über Steuern erfolgen. Darüber hinaus wollen die Wirtschaftsexperten den Wettbewerb auf der Leistungsseite gestärkt sehen. Rürup nannte als Beispiele den Ausbau der Integrierten Versorgung, mehr Möglichkeiten zu Einzelverträgen sowie die Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung.

In der Pflegeversicherung raten die Wissenschaftler zu einem Übergang auf ein kapitalgedecktes Modell mit pauschalen, einkommensunabhängigen, kohortenspezifischen Beiträgen. Auch hier soll der soziale Ausgleich über Steuern gesichert werden. Alternativ könne auch in der Pflege auf eine Bürgerpauschale mit ergänzender Kapitaldeckung zur Beitragsglättung umgesteuert werden. Daneben spricht sich der Rat dafür aus, die Leistungspauschalen zu dynamisieren, die Leistungen für Demenzkranke zu verbessern und Fehlreize zugunsten der stationären Pflege abzubauen.

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