Internationale Pharmaindustrie: Europa hat Nase vorn

FRANKFURT (tmb). Die europäischen Pharmaunternehmen bieten im Vergleich zur amerikanischen Konkurrenz mehr Wachstum, höhere Erträge und bessere Zukunftsaussichten. Damit hat sich ein lange bestehender Vorteil der US-Unternehmen mit ihren weltweiten Blockbustern offenbar ins Gegenteil gewendet.

Ausgehend von Daten des Phar–ma–marktforschers IMS Health und einer Studie des Investmentbankhauses Morgan Stanley veröffentlichte das Handelsblatt am 2. November eine Analyse, nach der die großen europäischen Pharmaunternehmen derzeit deutlich schneller wachsen als ihre in Amerika beheimateten Wettbewerber. Während der Markt für Arzneimittel weltweit in den ersten neun Monaten dieses Jahres um etwa 5 bis 6% zugelegt habe, steigerten die führenden US-Pharmakonzerne ihre Umsätze in dieser Zeit nur um durchschnittlich etwa 3%. Für Merck & Co, Pfizer und Bristol-Myers Squibb wurden sogar Umsatzrückgänge im Pharmageschäft ausgewiesen. Dagegen stiegen die Pharmaumsätze bei Roche um 22 und bei der dänischen Novo Nordisk um 15%.

Auslaufenden Patenten folgt wenig nach

Bei den US-amerikanischen Herstellern häufen sich in naher Zukunft die Patentabläufe bisheriger Blockbuster, während vergleichsweise wenige Produkte mit entsprechenden Umsatzerwartungen nachrücken. So ist beispielsweise das Patent für das Epilepsiemittel Neurontin (von Pfizer) abgelaufen, für den Cholesterinsenker Zocor (von der amerikanischen Merck & Co) steht dies bevor. Hinzu kamen unvorhersehbare Probleme wie die Marktrücknahme von Vioxx (von Merck & Co), die weitere Diskussion über COX-2-Inhibitoren und die Unwägbarkeiten bei Schadensersatzprozessen in den USA.

Dagegen haben die Europäer gerade erst schmerzhafte Patentabläufe erlebt und daraufhin ihre Produktpipelines aufgefüllt. So hatten Patent–abläufe die Wachstumsraten von GlaxoSmithKline und Astra-Zeneca in den zurückliegenden Jahren verringert, aber in den ersten neun Monaten dieses Jahres konnten die beiden britischen Konzerne ihre Pharmaumsätze um 9 bzw. 10% steigern.

Nischenprodukte als Erfolgsrezept

Im Handelsblatt werden die verstärkten Vertriebsanstrengungen der Europäer in den USA und ihr Engagement für interessante Nischenprodukte, beispielsweise bei speziellen Krebstherapien, als Erfolgsfaktoren genannt. Ein Beispiel für eine solche Nische ist auch die Vogelgrippe. So profitieren jetzt die Impfstoffhersteller GlaxoSmithKline und Sanofi-Aventis und die Produzenten von Neuraminidaseinhibitoren (Roche und wiederum GlaxoSmithKline) von den Pandemieplänen verschiedener Regierungen.

Inzwischen scheinen die europäischen Pharmamultis meist weniger abhängig von einzelnen Blockbustern zu sein und profitieren in einigen Fällen sogar von Patentabläufen, wie im Fall von Novartis, das auch im Generikageschäft aktiv ist. Angesichts der langen Entwicklungszeiten von Arzneimitteln dürfte es für die Amerikaner schwer werden, die Pipelines schnell durch eigene Forschung aufzufüllen. Dies sollte den Markt für Firmenübernahmen und Beteiligungen anheizen. Allerdings sind Produktlebenszyklen keine Neuigkeit. Auch die derzeitigen Vorzeigeprodukte der Europäer werden irgendwann nicht mehr aktuell sein. Das Blatt kann sich daher langfristig wieder wenden. Daher sind auch bei europäischen Unternehmen weiterhin neue Entwicklungen nötig.

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