Vogelgrippe: Experten warnen vor Hysterie wegen H5N1

BERLIN (ks). Auch nachdem vergangene Woche in der Türkei der gefährliche Vogelgrippe-Virustyp H5N1 nachgewiesen wurde, geht die Bundesregierung weiterhin von einer geringen Gefahr für Deutschland aus. Man sei zwar "sehr besorgt", dass der Virus nun bis in die Türkei vorgedrungen sei, sagte der übergangsweise für Verbraucherschutz zuständige Bundesminister Jürgen Trittin (Grüne). Dennoch schätze man das Risiko für Menschen zum jetzigen Zeitpunkt "eher gering bis mäßig ein".

Die Gefahr gehe weniger von einer Übertragung durch den Vogelzug aus, als vielmehr von einer Einschleppung durch illegale Importe oder unvorsichtige Reisende, betonte Trittin am 13. Oktober in Berlin. Die Bundesregierung habe deshalb Maßnahmen ergriffen, die die Einfuhrkontrollen verstärken. So werden spezielle Teams aus Zoll, Polizei und Veterinärbehörden die Überwachung gewährleisten. Zudem wurde ein Merkblatt für Reisende wurde bereitgestellt, das auf den Internet-Seiten des Auswärtigen Amts zu finden ist. Ein generelles Aufstallen von Hühnern in Deutschland hält die Regierung hingegen derzeit nicht für angemessen. Der Deutsche Bauernverband und der FDP hatten ein bundesweites Freilaufverbot für Hühner, Enten und Gänse verlangt.

Notfallplan steht

Sollte es allen Erwartungen zum Trotz dennoch zum "worst case" kommen, so beruhigt das Verbraucherministerium mit einem bereits ausgearbeiteten Krisenplan: "Wir sind auch weiterhin auf alles vorbereitet und können sofort handeln", sagte Staatssekretär Alexander Müller. Die EU-Kommission hat unterdessen Geflügelimporte aus Rumänien verboten. Auch dort wurde ein Vogelgrippevirus nachgewiesen - bis Redaktionsschluss stand allerdings noch nicht fest, ob es sich um das gefürchtete Virus H5N1 handelt. Ein EU-weiter Importstopp gilt bereits für Geflügel und dessen Produkte aus der Türkei und vielen weiteren Ländern Asiens.

EU-Kommissar Kyprianou rief zudem alle Mitgliedstaaten auf, genügend antivirale Medikamente "als erste Verteidigungslinie" vorzuhalten. Die Kommission schlug vor, eine Milliarde Euro für die Verteilung von Medikamenten und Impfstoffen für den Fall einer Epidemie bereitzustellen. Trittin warnte angesichts der in Deutschland steigenden Nachfrage nach Neuraminidasehemmern zur Behandlung von Grippe vor einer Einnahme "auf Verdacht". Personen, die in die betroffenen Länder reisen, empfahl er, sich von Geflügel fern zu halten und dieses nur gekocht und gut gebraten zu essen. Zudem sollten sie keine Lebensmittel aus diesen Regionen mitbringen.

Pandemie steht noch nicht vor der Tür

Beim Robert-Koch-Institut (RKI) bemüht man sich ebenfalls um eine sachliche Aufklärung. Institutsleiter Reinhard Kurth betonte, dass ein nach Deutschland eingeschlepptes hochpathogenes H5N1-Virus in erster Linie für das Geflügel eine Bedrohung wäre. Für die allgemeine Bevölkerung in Deutschland sei derzeit kein Risiko erkennbar. Das RKI wies auch darauf hin, dass eine Grippeimpfung nicht vor der Vogelgrippe schützt. Es bleibe daher weiterhin dabei, dass die jährliche Grippeschutzimpfung vorrangig für die über Sechzigjährigen empfohlen wird, für chronisch Kranke und Medizinpersonal.

Für die weltweite Bevölkerung könnte die Vogelgrippe erst dann zu einer pandemischen Gefahr werden, wenn sich das H5N1-Virus mit einem menschlichen Grippevirus vereint. Dann wäre auch eine Übertragung des Virus von Mensch zu Mensch möglich. Bereits jetzt werden Vorbereitungen getroffen, in einem solchen Fall schnellstmöglich einen Impfstoff zu entwickeln - um damit beginnen zu können, muss der noch nicht existente Virus aber erst entstehen. Danach könnte es sechs Monate dauern, bis ein wirksamer Impfstoff auf den Markt kommt. Er würde damit erst jenen Menschen zur Verfügung stehen, die nicht von der ersten Grippewelle ergriffen werden, sondern erst in einer zu erwartenden zweiten oder dritten Welle mit dem gefährlichen Virus angesteckt werden.

Informationen zur Vogelgrippe finden Sie im Internet unter www.rki.de und www.auswaertiges-amt.de

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