Naturalrabatte: Apotheker lassen sich nicht in die Schmuddelecke drängen

BERLIN (ks). Die derzeitige Diskussion um Naturalrabatte, die Generikafirmen Apothekern gewähren, ist für den Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) Hans-Jürgen Seitz "maßlos übertrieben und nicht nachvollziehbar". Behauptungen, Kassen erlitten durch diese Geschäftspraxis finanziellen Schaden und Apotheker steckten milliardenschwere Einkaufsvorteile in die eigene Tasche, wies die ABDA bei einem Pressegespräch am 11. August in Berlin zurück.

Zuletzt machte der BKK-Bundesverband Stimmung gegen Apotheker: Ihre – nicht weitergegebnen – Einkaufsvorteile durch Naturalrabatte beliefen sich auf jährlich bis zu eine Milliarde Euro, erklärte BKK-Chef Wolfgang Schmeinck Anfang vergangener Woche (siehe DAZ Nr. 32/2005, S. 17). Zuvor hatte Regierungsberater Karl Lauterbach den "Schaden" der Kassen durch Naturalrabatte auf zwei bis drei Mrd. Euro beziffert (siehe AZ Nr. 30/2005, S. 1). Die ABDA forderte den Kölner Gesundheitsökonomen Ende Juli auf, diese Berechnung zu belegen – doch auf eine Antwort wartet man im Berliner Apothekerhaus noch immer.

Kassen schöpfen bereits bei Apotheken ab

Angesichts dieser wenig fundierten Zahlenspiele trat die ABDA nun in die Offensive und präsentierte ihre eigenen Daten. ABDA-Geschäftsführer Frank Diener gab zunächst einen Überblick über die "harten Fakten", d. h. diejenigen Rabatte, die zur Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beitragen: Dazu zählt insbesondere der gesetzliche Apothekenabschlag von derzeit 2 Euro bzw. 5 Prozent pro Packung, der in diesem Jahr sein 100-jähriges Jubiläum feiert. Im laufenden Jahr werden die Apotheken auf diese Weise rund 1,2 Mrd. Euro in die Kassen der GKV spülen.

Diener machte deutlich: Auch wenn es zuweilen Streit um die Höhe des Apothekenrabatts gibt – dem Grunde nach akzeptieren die Apotheker die Regelung. Sie sorge dafür, dass die Kassen pünktlich ihr Geld erhalten und der gesamte Gesundheitsbetrieb am Laufen bleibt. Zudem, so Diener, hat der Kassenabschlag auch die Funktion, bei Apotheken entstehende Rabatte abzuschöpfen - dies habe der Gesetzgeber ausdrücklich so gewollt.

Den 1,2 Mrd. Euro, die den Kassen als Apothekenabschlag zufließen, stellte Diener Einkaufsvorteile von 450 Mio. Euro gegenüber – für die Kassen kein schlechtes Geschäft. In dieser Größenordnung bewegen sich nach Berechnungen der ABDA sämtliche Nachlässe, die den Apotheken von Großhändlern und Herstellern für verschreibungspflichtige und rezeptfreie Arzneimittel gewährt werden. Inbegriffen sind in dieser Summe sowohl der gewöhnliche kaufmännische Skonto, als auch Bar- und Naturalrabatte. Die Finanzämter seien bei der Berechnung des Nettoumsatzes und des Rohertrages empfindlich, betonte Diener. Das System funktioniere daher.

Der ABDA-Geschäftsführer verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass es betriebswirtschaftlich bedeutungslos sei, ob es sich um Bar- oder Naturalrabatte handle – keinesfalls seien Naturalrabatte "schmuddelig" und bar gewährte Nachlässe grundsätzlich "clean".

Kassen sparen mit Generika

Dass die Rabatte der Generikahersteller an Apotheken den Krankenkassen nicht schaden, legte Diener ebenfalls dar: Sie ändern nämlich nichts an der bestehenden Aut-idem-Regelung. Und diese besagt, dass der Apotheker entweder das vom Arzt verordnete Mittel oder eines der drei preisgünstigsten Präparate aus der Wirkstoffgruppe abgeben muss – für die Kassen eine erhebliche Ersparnis. Da sich die Arzneimittelpreise alle 14 Tage ändern können, mache es für einen Apotheker keinen Sinn, sich auf ein bestimmtes Generikum, für das er hohe Rabatte erzielt, festzulegen. Apotheker seien mit einer "Aktion Eichhörnchen" nicht gut beraten, erklärte Diener.

Er machte deutlich, dass angebotene Rabatte noch lange keine angenommenen Rabatte seien. Nicht jede Rabattofferte mache für den Apotheker Sinn - häufig handle es sich um Präparate, deren Verfallsdatum näher rücke oder um saisonale Ware. Auch Mittel mit auslaufendem Patentschutz bieten Hersteller gerne rabattiert an. Zu bedenken sei auch, dass Patienten in der Arzneimittelversorgung Kontinuität erwarten. Ihnen sei nicht zuzumuten, alle zwei Wochen ein neues Präparat zu bekommen, nur weil eine Firma gerade wieder günstigere Einkaufskonditionen bietet.

Ablenkungsmanöver der Kassen

Diener und Seitz verwiesen zudem darauf, dass es in der Diskussion um die Naturalrabatte Kassen gibt, die sich mehr hierüber echauffieren als andere. Diejenigen, die am lautesten Kritik üben, seien nicht dafür bekannt, dass sie sich aktiv um Rabattvereinbarungen mit Herstellern bemühen. Lediglich die Barmer Ersatzkasse hat diese gesetzlich vorgesehene Möglichkeit im Rahmen ihres Hausarzt-/Hausapothekenmodells genutzt. Es sei daher anzunehmen, dass die Diskussion um die Einkaufsvorteile der Apotheker schlicht von der eigenen Passivität manch einer Kasse ablenken soll, so die ABDA-Geschäftsführer.

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