OTC-Ausnahmeliste: G-BA beschließt weitere Ausnahmen

BERLIN (ks). Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) plant Änderungen an der OTC-Übersicht für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel. So sollen Antihistaminika, die als Antiallergika eingesetzt werden, sowie harnstoffhaltige Arzneimittel in bestimmten Fällen wieder zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden können. Seinen Beschluss zur Enteralen Ernährung will der G-BA hingegen nicht abändern.

Wie der Vorsitzende des G-BA Rainer Hess am 19. Juli in Berlin mitteilte, hat der G-BA beschlossen, ein Stellungnahmeverfahren zur Änderung der OTC-Übersicht einzuleiten. Zum einen schlägt der G-BA vor, Antihistaminika wieder in die Liste aufzunehmen. Sie sollen künftig erstattungsfähig sein, wenn sie gegen schwerwiegende allergische Rhinitis (Heuschnupfen) verordnet werden und eine Behandlung mit cortisonhaltigen Sprays nicht ausreichend ist. Zum anderen schlägt der Ausschuss vor, dass die Kassen wieder harnstoffhaltige Arzneimittel zur Behandlung von Ichthyosen (Fischschuppenkrankheit) erstatten, soweit keine therapeutischen Alternativen für den jeweiligen Patienten indiziert sind.

Einen weitergehenden Antrag der Patientenvertreter, Harnstoffpräparate auch bei Psoriasis und schwerer Neurodermitis in die OTC-Übersicht aufzunehmen lehnte der G-BA ab. Er soll im Rahmen des Anhörungsverfahrens geklärt werden. Hess erläuterte, dass mit den Erweiterungen der Ausnahmeliste Forderungen nach einer Erhöhung der Altersgrenze für die Erstattung von nicht-verschreibungspflichtigen Medikamenten "zurückgedrängt" werden sollen. Eine endgültige Entscheidung will der Ausschuss nach dem Anhörungsverfahren in seiner nächsten Sitzung im September treffen.

Beanstandung des BMGS zurückgewiesen

Keinen Änderungsbedarf sieht der G-BA hingegen bei seinem Beschluss zur Enteralen Ernährung. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) hatte diesen Beschluss beanstandet und Klarstellungen gefordert (siehe auch DAZ Nr. 18, 2005, S. 33). Unter anderem sollte die medizinisch notwendige enterale Ernährung nach Auffassung des BMGS auch dann verordnet werden können, wenn die Fähigkeit zur normalen Ernährung nur eingeschränkt ist, aber nicht vollständig fehlt. Beim G-BA traf diese Beanstandung auf Unverständnis und Widerspruch. Er hatte sich in seinem Beschluss bewusst gegen die Aufnahme einer Generalindikation ausgesprochen. Damit soll verhindert werden, dass insbesondere Patienten in Pflegeheimen aus Bequemlichkeit künstlich ernährt werden.

"Aus fachlicher Sicht gibt es keine Möglichkeit, die beschlossenen Richtlinien so zu ändern, dass sie den Maßgaben des Ministeriums entsprechen", erklärte Hess. Daher habe sich der G-BA entschlossen, das Angebot des BMGS zu einer Fristverlängerung für eine Überarbeitung abzulehnen. Das Ministerium müsse nun prüfen, wie es mit der Beschlussfassung des G-BA umgehe, so Hess. Auch die anhörungs- aber nicht stimmberechtigten Patientenvertreter im G-BA sehen nach wie vor Änderungsbedarf hinsichtlich der Richtlinien und haben sieben Änderungsanträge zur Gewährleistung der Versorgung verschiedener Patientengruppen, z.B. Patienten mit Enzymmangelkrankheiten, vorgeschlagen. Der G-BA hat sich aus den vorgenannten Gründen jedoch nicht mit diesen Anträgen befasst.

Scharfe Kritik von Patienteninitiativen

Von Seiten der Patienteninitiativen kam scharfe Kritik an Richtlinie zur Enteralen Ernährung. "Es ist unglaublich, mit welcher Arroganz dieses Gremium, in dem Krankenkassen- und Ärztevertreter das Sagen haben, und das doch eigentlich dem Wohl des Patienten dienen soll, deren Rechte mit Füßen treten", sagte Dr. Ekkehard Bahlo, Mitglied des Vorstands der Patientenvertretung Recht auf Essen und Leben e. V. Der G-BA habe mit seiner Richtlinie ein undurchschaubares bürokratisches Monster geschaffen und versuche nun, dieses gegen alle Widerstände durchzusetzen.

Regierung will eigene Richtlinie erlassen

Auch im BMGS reagierte man mit Verärgerung und Unverständnis auf die Haltung des G-BA zur Enteralen Ernährung. Ministeriumssprecher Klaus Vater sagte, die Entscheidung richte sich klar gegen die Interessen der betroffenen Patienten und habe darüber hinaus keine "triftige sachliche Grundlage". Er verwies darauf, dass die Richtlinie nicht nur Patienten in Pflegeheimen betreffe, sondern z. B. auch Kinder und Säuglinge, die eine spezielle Eiweißnahrung brauchen, weil sie eine Kuhmilcheiweißallergie haben. Sie könnten aufgrund der G-BA-Entscheidung nicht versorgt werden. "Das Bundesgesundheitsministerium hat überhaupt kein Verständnis dafür, dass man die Eltern kranker Kinder, die auf künstliche Ernährung angewiesen sind, weiter bangen lässt", erklärte Vater. Das Ministerium werde nun reagierten und möglichst schnell eine eigene Richtlinie per Ersatzvornahme auf den Weg bringen.

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