Kommentar

Blister-Wahnsinn

Das Arzneimittelrecht steht zum vierzehnten Mal zur Novellierung an: Europarecht muss in deutsches Recht umgesetzt werden. Das will die "Noch-Bundesregierung" nutzen, um im Huckepack-Verfahren ihre Vorstellungen von einer patientenindividuell verblisterten Arzneimittelwelt zu verwirklichen.

Ausgangsgedanke der Gesetzesmacher: Die Zahl der älteren und multimorbiden Menschen steigt stetig, viele haben Probleme, ihre Arzneimittel richtig anzuwenden. Als Lösung favorisieren bestimmte politische Kreise die Idee, die jeweils benötigten Arzneimittel in Blister abzufüllen, damit der Patient genau weiß, welche Arzneimittel er morgens, mittags und abends einnehmen muss. Man verspricht sich davon die Vermeidung von Arzneimittelmüll und Kosteneinsparungen. Wer dieses Vorhaben mit nur einem bisschen pharmazeutischen und ökonomischen Sachverstand, der auch Laien klar zu machen ist, durchleuchtet, wird feststellen, dass man dies schlichtweg nur als Blister-Wahnsinn einstufen kann.

Die Gründe: Das Verblistern führt nicht zu Kosteneinsparungen, sondern generiert zusätzlich Kosten. Selbst ein Gutachten des regierungsnahen Gesundheitsökonomen Lauterbach kommt zu dem Ergebnis, dass Verblistern Geld kostet. Das zeigen auch Erfahrungen aus anderen Ländern. Außerdem: Mit pharmazeutischen Augen betrachtet weiß man, dass man nicht alles verblistern kann. Abgesehen von Tropfen und Säften, die sich einer Verblisterung entziehen, leiden auch manche feste Arzneiformen wie Zäpfchen, bestimmte licht- oder feuchtigkeitsempfindliche Dragees, Kapseln und Tabletten unter einer nachträglichen Ent- und erneuten Verblisterung. Pharmazeutisch gesehen würde damit auch nichts besser, es kostet nur mehr - das ist anachronistisch und konterkariert jede Einsparbemühung.

Vermutlich liegen die Gründe für solchen Irrsinn in geschickter Lobbyarbeit von Firmen, die mit dem Verblistern Geld verdienen wollen - ich denke hier an die Tochterfirma des Arzneimittelimporteurs Kohlpharma - und in Politikern, die auf solche Gedanken hereinfallen. Wollte man wirklich etwas für die Arzneimittelsicherheit tun, könnte der Apotheker im Einzelfall und mit Sachverstand auf individuellen Wunsch des Patienten die Arzneimittelrationen in Dosetts oder ähnliche Einnahmehilfen abfüllen. Die gewerbsmäßige Verblisterung dagegen könnte sogar eine neue Form des Versandhandels schaffen, die nur Ignoranten wollen können.

Fazit: Verblistern darf nicht Gesetz werden!

Peter Ditzel

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.