Kommentar

Die EU und der Knofel

Die EU wittert deutlichen Knoblauchgeruch – nach Auffassung der Europäischen Kommission kommen dicke Knofelschwaden aus Richtung Deutschland. Und das will man nicht mehr hinnehmen: Deutschland behandelt, so die Auffassung der Kommission in Brüssel, Knoblauchpräparate, also Dragees und Kapseln mit getrocknetem Knoblauchpulver, durchweg als Arzneimittel. Andere Mitgliedstaaten dagegen vermarkten solche Präparate rechtmäßig als Nahrungsergänzungsmittel.

Das stinkt der Kommission. Eine solche Praktik Deutschlands stellt ein unverhältnismäßiges und unnötiges Hemmnis des freien Warenverkehrs dar und ist nach den Paragraphen des EG-Vertrags verboten. Außerdem soll in der Haltung Deutschlands ein unzureichendes Verständnis der Abgrenzung zwischen Nahrungsergänzungsmittel und Arzneimittel im Sinne der geltenden europäischen Rechtsvorschriften zum Ausdruck kommen. Kommissionsvizepräsident Günter Verheugen bringt das auf den Punkt: Ein Fall von eindeutiger Überreglementierung, unnötigen Belastungen für die Wirtschaft und ein Hemmnis für das Wirtschaftswachstum. Ergo: Die Europäische Kommission verklagt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof.

Wetten, wenn heute 1. April wäre, würden Sie es mir als Aprilscherz abnehmen. Von wegen – es ist bittere EU-Realität. Spätestens jetzt weiß man: Knofel schützt zwar vor Vampiren, aber nicht vor den Bürokraten der EU. Dieser Kommission sind nur der freie Warenverkehr und das Wirtschaftswachstum auf Teufel komm raus heilig.

Selbst wenn man den Angriff auf den Knofel noch belächeln und als Arbeitbeschaffungsmaßnahme für vermeintlich unausgelastete Gerichte abtun könnte, er verheißt nichts Gutes. Irgendwie rückt dieser Angriff schon verdammt nah ran an die generelle Apothekenpflicht so mancher Phytos. Möglicherweise ließen sich auch in anderen Mitgliedstaaten Unterschiede in der Einstufung weiterer Präparate finden – die Konsequenz: Die Apothekenpflicht für viele OTC wackelt. Und es ist nicht mehr weit, bis Verheugen und seine Mannen die Apothekenpflicht als Hemmschuh des freien Warenverkehrs und Wirtschaftsbelastung abtun.

Mit wieviel Unkenntnis in Brüssel gearbeitet wird, zeigen die noch laufenden Bemühungen, Deutschland dazu zu zwingen, die Arzneibelieferung von Krankenhäusern aus allen EU-Mitgliedstaaten zuzulassen und nicht nur von den benachbarten Apotheken. Der EuGH wird entscheiden – da hilft auch kein Knofel.

Peter Ditzel

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.