DAZ aktuell

Gesundheitsreform: Zankapfel Praxisgebühr

BERLIN (ks). Die Gesundheitsreform ist bereits seit sieben Wochen in Kraft Ų doch rund läuft es noch immer nicht. Insbesondere die Praxisgebühr erweist sich als hartnäckiger Problemfall. Immer wieder wird ihre Abschaffung gefordert Ų selbst von SPD-Abgeordneten. Bundeskanzler Gerhard Schröder und der designierte SPD-Chef Franz Müntefering wiederholen unterdessen beständig, man werde an der Gesundheitsreform nicht rütteln. Am vergangenen Wochenende hat nun Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt selbst für neue Verwirrung gesorgt.

"Es gibt kein Zurück bei den Reformen", sagte der Bundeskanzler am 16. Februar vor dem Parteivorstand, "das gilt auch für die Praxisgebühr". Grund für die neuerliche Klarstellung lieferte die missverstandene Gesundheitsministerin selbst. In einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung (Ausgabe vom 16. Februar) hatte sie die Frage verneint, ob sie darauf wetten würde, dass die Gebühr in ihrer heutigen Form noch in fünf Jahren verlangt werde.

Es folgte die Erklärung, dass Krankenkassen Hausarztsysteme anbieten müssen, die eine Erstattung der Praxisgebühr vorsehen können. Diese Aussage wurde vielfach als Abrücken der Ministerin von der Praxisgebühr an sich verstanden. Völlig zu unrecht, erklärte am 16. Februar ihr Sprecher Klaus Vater.

Er stellte klar: "Das Gesundheitsmodernisierungsgesetz wird nicht geändert. Von Seiten unseres Hauses gibt es überhaupt keinen Grund, dies zu tun". Und: "Die Praxisgebühr wackelt und wankt nicht". Vater verwies darauf, dass die Praxisgebühr sowohl eine Finanzierungs- als auch eine Steuerungsfunktion habe. Auf die Steuerungsfunktion habe Schmidt in dem Interview aufmerksam machen wollen.

Steuerungsfunktion zweifelhaft?

Was die Steuerungsfunktion der Praxisgebühr betrifft, ist man sowohl im Ministerium als auch in der SPD geteilter Meinung. So hält Ottmar Schreiner, führender Kopf der SPD-Linken, die Praxisgebühr für nicht sinnvoll. Am 15. Februar sagte er in der Fernsehdiskussionsrunde "Sabine Christiansen": "Die Praxisgebühr hat im Kern keine Steuerungsfunktion. Sie ist ein Ersatz für fehlende Strukturreformen im gesundheitlichen Bereich". Schreiner hatte bei der Verabschiedung der Gesundheitsreform im Bundestag im vergangenen Herbst seine Zustimmung versagt.

Seehofer: Erst einmal abwarten

Der stellvertretende CDU/CSU-Vorsitzende Horst Seehofer machte in derselben Talk-Runde deutlich, dass die Union zu den Grundzügen des Gesetzes stehe. Er plädierte dafür, die Auswirkungen der Reform zunächst eine Weile zu betrachten und Mitte des Jahres Bilanz zu ziehen, ob etwas geändert werden sollte. Man dürfe nicht der Verlockung hektischer Änderungen verfallen, so Seehofer.

Kein Abrücken bei der Betriebsrenten-Regelung

Auch SPD-Fraktionschef Müntefering erklärte am 16. Februar im Deutschlandfunk, dass die Praxisgebühr bleiben werde und verwies auf die Möglichkeit von Hausarztsystemen – sie seien das "ursprüngliche Modell" der SPD gewesen. Er bekräftigte zudem, dass es auch keine Änderungen bei der Beitragsberechnung für Bezieher von Betriebsrenten geben werde, wie es der nordrhein-westfälische SPD-Landeschef Harald Schartau gefordert hatte.

"Ich verstehe auch, dass die Menschen nicht gerne zahlen", sagte Müntefering. Aber man müsse die bisherige Privilegierung sehen: "denn bisher sind diese Krankenversicherungsbeiträge anteilig aus der Steuerkasse gezahlt worden".

FDP: Praxisgebühr ist bürokratisches Monstrum

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Walter Döring erklärte am 17. Februar, die Praxisgebühr sei "nichts anderes als ein intransparentes, bürokratisches Monstrum und muss deshalb schnellstens wieder abgeschafft werden". Sie habe nichts zu tun mit einem sinnvollen Anreizsystem, das bei den Bürgern ein Bewusstsein für die Kosten von Gesundheitsleistungen schafft.

Zweifellos brauche man im Gesundheitssystem Zuzahlungsregelungen. "Aber sie müssen einfach, unbürokratisch und transparent ausgestaltet werden und vor allen Dingen sozial ausgewogen sein", so Döring.

Die Gesundheitsreform ist bereits seit sieben Wochen in Kraft – doch rund läuft es noch immer nicht. Insbesondere die Praxisgebühr erweist sich als hartnäckiger Problemfall. Immer wieder wird ihre Abschaffung gefordert – selbst von SPD-Abgeordneten. Bundeskanzler Gerhard Schröder und der designierte SPD-Chef Franz Müntefering wiederholen unterdessen beständig, man werde an der Gesundheitsreform nicht rütteln. Am vergangenen Wochenende hat nun Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt selbst für neue Verwirrung gesorgt.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.