BVA-Info

Tarifverhandlungen: Verkehrte Welt

In deutschen Unternehmen scheint sich eine fatale Haltung breit zu machen: Arbeitnehmer, die eigentlichen Leistungserbringer, werden nur noch als Manövriermasse betrachtet. Entlassungen und Gehaltseinbußen sind jederzeit möglich, um das Unternehmensergebnis kurzfristig zu verbessern Ų ohne Rücksicht auf langfristige Auswirkungen wie Motivation, Kompetenzerhalt und Servicequalität.

Oben Prämien, unten Kürzungen

Selbstverständlich ist die Unternehmensleitung von diesem Zwang zum Gürtel-enger-Schnallen ausgenommen. Da genehmigt man sich eher noch einen Zusatzbonus für die tolle Verschlankungsaktion. Diese dreiste Abzockermentalität ist leider nicht auf die Vorstandsetagen von Großkonzernen beschränkt. Auch in den eher beschaulichen, eigentümergeführten deutschen Apotheken werden wirtschaftliche Krisen fast ausschließlich zu Lasten der Mitarbeiter bewältigt.

Jammern auf hohem Niveau

Die ABDA hatte als Folge des Beitragssatzsicherungsgesetzes (BSSichG) Gewinnverluste von 50 000 Euro pro Apotheke prophezeit. Nach Schätzungen wird das betriebswirtschaftliche Ergebnis für 2003 (= Gewinn vor Steuern) einer Durchschnittsapotheke um lediglich knapp 5000 Euro unter dem Ergebnis von 2002 liegen.

D. h., das Bruttoeinkommen eines Apothekenleiters ist von 97 200 Euro im Jahr 2002 auf 92 300 Euro in 2003 gesunken. Das ist wahrlich ein Jammern auf hohem Niveau. Kein Wunder, dass die Arbeitgeber sich nun gegenseitig auf die Schultern klopfen, wie geschickt sie höhere Verluste vermieden haben.

Verschiedene Dimensionen

Die wahren Leidtragenden des BSSichG waren die Angestellten in Apotheken. Für sie, die seit Ende 2002 mit einer de facto Nullrunde leben müssen, sind die Einkommensverluste – durch Stundenreduzierungen und Gehaltskürzungen sowie die Teuerungsrate – von ganz anderer Dimension. Denn wer ohnehin nicht üppig verdient, spürt Veränderungen im Geldbeutel viel härter. Nicht zu vergessen die rund 1800 Mitarbeiter, die in Folge des BSSichG ihre Stelle ganz verloren haben.

ADA in der Verantwortung

Für 2004 hat die ABDA nun offiziell Entwarnung gegeben. Rund 80 Prozent der Apotheken soll es besser gehen als 2003. Doch in den Tarifverhandlungen findet dieser Optimismus bislang keinen Niederschlag. Offensichtlich wollen die Arbeitgeber erst einmal ihr eigenes Säckel weiter auffüllen, bevor auch die Mitarbeiter von den verbesserten Rahmenbedingungen profitieren dürfen. Wie kurzsichtig!

Selbst einem unternehmerischen Laien müsste auffallen, dass jetzt dringend ein Motivationsschub für die Mitarbeiter angesagt ist. Und das darf nicht der individuellen Entscheidung einzelner Apothekenleiter überlassen bleiben, sondern ist die ureigenste Verantwortung der Arbeitgebervertretung ADA. Es geht um die Zukunft der Apotheken in Deutschland. Ohne leistungsgerecht bezahlte MitarbeiterInnen steht diese Zukunft auf dem Spiel.

Der BVA fordert deshalb die Arbeitgeber auf, umgehend ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen. Die Angestellten wurden lange genug hingehalten.

Totalblockade – eine Chronologie der laufenden Tarifverhandlungen

Herbst 2002 BVA kündigt den Bundesgehaltstarifvertrag fristgerecht zum 31. 12. 2002.

6. Dezember 2002 Der BVA geht in die erste Verhandlungsrunde mit dem ADA mit einer Forderung von 6% Gehaltserhöhung. Die Verhandlungen werden mangels Angebot der Arbeitgeber ergebnislos auf Juni vertagt. Die Tarifparteien wollen zunächst den Start des Beitragssatzsicherungsgesetzes abwarten. Vertagt werden müssen auch kostenneutrale Punkte wie das Arbeitszeitkonto - die Arbeitgeber sind mangelhaft vorbereitet.

1. Januar 2003 Die ostdeutschen (Diplom-)PI erhalten eine Gehaltserhöhung. Diese war schon im Frühsommer 2002 vertraglich geregelt.

März 2003 Die Große Tarifkommission des BVA beschließt, die Gehaltsforderung auf 3% zu reduzieren. Anlass ist die wirtschaftliche Belastung der Apotheken durch die Zwangsrabatte. Beschlossen wird außerdem, eine Härteklausel für besonders betroffene Apotheken anzubieten.

18. Juni 2003 Der BVA fordert eine Gehaltserhöhung von 3% ab 1. 7. 2003 in Verbindung mit der o. g. Härteklausel. Der ADA bleibt bei seiner Forderung einer Nullrunde. Die Tarifparteien vertagen sich wiederum ohne Ergebnis.

4. Juli 2003 Die vom BVA gesetzte Frist für ein verhandlungsfähiges Angebot von Arbeitgeberseite verstreicht.

September 2003 Gesprächsangebot des ADA wird vom BVA abgelehnt, weil die Arbeitgeber kein Tarifangebot machen wollen. Beim Apothekertag am 18./19. 9. verteilt der BVA Flugblätter mit der vom ADA abgelehnten Härteklausel: großes Interesse bei den Apothekenleitern.

November 2003 Der ADA kündigt den Bundesrahmentarifvertrag zum 31. 12. 2004.

12. Januar 2004 Die Tarifparteien trennen sich ohne Fortschritte in den Verhandlungen. Statt eines Angebotes ergehen sich die ADA-Vertreter in Berichten über die schlechte Lage einzelner Apotheken.

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