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DocMorris: Konkurrenz aus Deutschland nicht gefürchtet

BERLIN (ks). Das Thema Versandapotheken stand am 28. Januar auf der Tagesordnung der Handelsblatt-Konferenz "Die Gesundheitsreform in der Praxis Ų Umsetzungsmöglichkeiten für GKV und PKV". Der Vorstandsvorsitzende des BKK-Landesverbands Bayern, Gerhard Schulte, und DocMorris-Geschäftsführer Ralf Däinghaus berichteten in Berlin von ihren Erfahrungen mit dem Arzneimittelversand im vergangenen Jahr und den neuen Perspektiven durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG).

Der BKK-Landesverband Bayern hatte 2003 erste Verträge mit niederländischen Versandapotheken abgeschlossen – doch damals war das Versenden von Arzneimitteln noch verboten. Die Folge: Apotheker verklagten den Verband, das bayerische Staatsministerium erließ eine Unterlassungsanordnung.

In diesem Jahr haben sich die Rahmenbedingungen geändert: Das GMG erlaubt den Versand von Arzneimitteln unter engen Voraussetzungen. Und der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im vergangenen Dezember entschieden, dass ein nationales Versandverbot jedenfalls für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel mit europäischem Recht nicht zu vereinen sei.

Versandapotheken: Für BKK nicht erst seit 2004 gut

Schulte, der zwischen 1991 und 1995 im Bundesgesundheitsministerium für Arzneimittel zuständig war, erläuterte, dass die Nachfrage der Versicherten die Betriebskrankenkassen schon vor der Gesundheitsreform zur Zusammenarbeit mit Versandapotheken bewegt hatte. Von Anfang an habe die Devise gelautet, "Gutes" und "Vernünftiges" zu tun (im Versand bezogene Arzneimittel zu bezahlen), aber nicht darüber zu reden.

Damit auch die Qualität der Arzneimittelversorgung nicht leide, sei Voraussetzung für einen Vertragsabschluss gewesen, dass die Versandapotheke ein Qualitätsmanagement nach ISO 9000 erfülle. Die Voraussetzungen, die das GMG nun an eine Versandapotheke stelle, habe DocMorris schon lange erfüllt.

Dankbar für spätes EuGH-Urteil

Vier Projektziele habe die BKK verfolgt, erklärte Schulte. Drei davon seien mittlerweile erreicht: preisgünstige Bezugsmöglichkeiten zu erschließen, europäisches gegen deutsches Recht in Stellung zu bringen und die BKK als Nachfrager und politische Gestalter zu profilieren. Das strategische Ziel, die Arzneimittelpreisverordnung zu Fall zu bringen, sei hingegen nur teilweise erreicht, so Schulte.

Was die EuGH-Entscheidung zum deutschen Versandverbot betrifft, erklärte er, man könne "dankbar" sein, dass dieser sein Urteil erst so spät – nach Beschluss des GMG – gefällt habe. "Ich bin nicht sicher, ob man das Gesetz so gemacht hätte, hätte man diese Entscheidung erwartet", sagte Schulte.

Er wertete das Urteil nicht sehr positiv – schließlich besagt es, dass der Versand mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus Gründen des Gesundheitsschutzes durchaus national verboten werden kann. Der BKK-Vorstandsvorsitzende räumte ein, dass mit der neuen Arzneimittelpreisverordnung die erzielbaren Preisvorteile für die Krankenkassen deutlich kleiner werden.

Durch die Einführung eines Fixzuschlags von 8,10 Euro plus drei Prozent auf den Einkaufspreis sind vormals hochpreisige Arzneimittel nun billiger geworden. Die Apothekerschaft, so Schulte, habe im Gesetzgebungsverfahren, eine kluge Entscheidung gefördert – und ihre Strategie sei aufgegangen: Rosinenpickerei ist für Versandapotheker nicht mehr möglich.

ABDA-Erfolg ein Pyrrhus-Sieg?

Auch wenn die Reform letztlich nicht konsequent genug gewesen sei, verbucht Schulte die von seinem Verband verfolgte Versandhandelsstrategie als Erfolg: Zwar ist der mögliche Preiswettbewerb geopfert worden, doch die verkrusteten Strukturen wurden aufgebrochen und in die Distribution ist Wettbewerb eingekehrt. Auch Hausapothekenverträge seien direkte Ergebnisse der Strategie: "Sie entstanden nicht aus Eigeninitiative der Apotheker, sondern wurden nur vor diesem Hintergrund möglich", erklärte Schulte.

Für die Apotheken könnte sich der Lobby-Erfolg letztlich als Pyrrhus-Sieg erweisen, warnte der Kassenchef weiter: Während Verträge mit inländischen Versandapotheken wegen des mangelnden Preiswettbewerbs "ziemlich witzlos" seien, blieben EU-ausländische Apotheken für die Krankenkassen attraktiv. Die BKK werde auf jeden Fall zu ihren bisherigen holländischen Vertragspartnern stehen, so Schulte.

DocMorris startet zuversichtlich ins neue Jahr

Und so gibt sich auch DocMorris-Geschäftsführer Däinghaus optimistisch, dass seine Apotheke ihre Umsätze in Deutschland weiter steigern kann – trotz neuer Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel. DocMorris bietet seinen Kunden als Anreiz eine um 50 Prozent reduzierte Zuzahlung an.

Für jemanden, der bislang von der Zuzahlung befreit war und nun für ein Medikament zehn Euro aus der eigenen Tasche zahlen muss, sei es doch "besser, von null auf fünf als von null auf zehn Euro" zu gehen, meint Däinghaus. Offenbar denkt so auch mancher GKV-Versicherte.

Seit dem letzten Quartal 2003 schreibt DocMorris nach eigenen Angaben schwarze Zahlen, und Däinghaus berichtet von derzeit rund 1500 neuen Kunden täglich. Seit dem Start im Oktober 2000 habe DocMorris 250 000 Kunden gewonnen. Däinghaus wies darauf hin, dass 80 Prozent der Kunden nicht das Internet, sondern traditionelle Bestellwege – per Post oder Telefon – nutzten.

Neue Arzneimittelpreise – DocMorris freut sich

Das GMG hindere wegen des Fortbestands des Fremdbesitzverbots DocMorris zwar daran, nach Deutschland zu kommen – dennoch sieht sich die holländische Apotheke in Deutschland keiner echten Konkurrenz ausgesetzt: deutsche Versandapotheken könnten weder Kunden noch Krankenkassen Vorteile anbieten, so Däinghaus.

Auch die neue Arzneimittelpreisstruktur gefällt dem DocMorris-Geschäftsführer. Während niedrigpreisige Medikamente im vergangenen Jahr durch den Zuzahlungsverzicht noch eine negative Marge hatten und eine Quersubventionierung durch teure Arzneimittel nötig gewesen sei, bekomme man nun 8,10 Euro garantiert. "Da geht mein Herz auf", freut sich Däinghaus. Für ihn ist klar: "Der Versandhandel rechnet sich auch nach dem neuen Modell."

Schon bald werde DocMorris mit vielen deutschen Krankenkassen Verträge geschlossen haben. Es sei nur noch eine logistische Sache, bis diese unterschrieben seien, so Däinghaus. Nachdem seine Apotheke nun einen legalen Status in Deutschland erreicht hat, nimmt er weitere Ziele in Angriff: In die Qualitätsoffensive will DocMorris nun gehen und neue Standards in der pharmazeutischen Versorgung setzen.

Medikationsprofil, Wechselwirkungsreport, Arztbrief, Doppelverordnungsreport sind die Stichworte, alles computergestützt. Der Kunde erhalte alle Informationen automatisch und kostenlos – und das nicht nur, wenn er persönlich am HV-Tisch stehe, so Däinghaus. Der Geschäftsmann zeigt sich wenig bescheiden: DocMorris werde Maßstäbe für Apotheken setzen und das deutsche Gesundheitssystem verändern, erklärte er abschließend.

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