Arzneimittel und Therapie

Nierentransplantation: Vergleich von Mycophenolatmofetil und Azathioprin

Zum Schutz vor akuten Abstoßungen erhalten viele Nierentransplantat-Empfänger Mycophenolatmofetil. Nach den Ergebnissen der MYSS-Studie scheint es jedoch gegenüber dem preiswerteren Azathioprin keine Vorteile zu haben, wenn gleichzeitig Ciclosporin als Mikroemulsion verabreicht wird.

Mycophenolatmofetil (CellCept®) wird in Kombination mit Ciclosporin und Glucocorticoiden zur Prophylaxe akuter Transplantat-Abstoßungen nach Nierentransplantation eingesetzt. In drei großen Zulassungsstudien verringerte Mycophenolatmofetil die Rate akuter Abstoßungen sechs Monate nach Nierentransplantation um 30 bis 50% gegenüber Azathioprin (z. B. Imurek®) oder Plazebo und ist seitdem in den meisten Transplantationszentren fester Bestandteil der Erhaltungstherapie.

Bessere Resorption aus der Mikroemulsion

In der MYSS(mycophenolate steroids sparing)-Studie wurden Mycophenolatmofetil und Azathioprin erneut verglichen. Dabei wurden sie zusätzlich zum neuen Ciclosporin-Mikroemulsionspräparat Neoral® gegeben. Aus dieser Arzneiform wird Ciclosporin rascher und vollständiger resorbiert als aus dem älteren Sandimmun®, das in den Zulassungsstudien von Mycophenolatmofetil verwendet worden war. Mycophenolatmofetil und Azathioprin wurden außerdem auf ihre "Glucocorticoid-sparenden" Eigenschaften untersucht, also auf die Möglichkeit, mit ihrer Hilfe Glucocorticoide zu reduzieren oder abzusetzen.

Niere von hirntoten Spendern

Die erwachsenen Teilnehmer der Multicenterstudie bekamen erstmals die Niere eines hirntoten Spenders transplantiert. Die immunsuppressive Erhaltungstherapie mit Mycophenolatmofetil oder Azathioprin begann innerhalb von drei Tagen nach der Transplantation. Randomisiert nahmen die Patienten zweimal täglich 1 g Mycophenolatmofetil oder 100 bzw. 150 mg Azathioprin ein (abhängig vom Körpergewicht < 75 kg bzw. ≥ 75 kg).

Zusätzlich erhielten alle Patienten ab Tag 4 Ciclosporin als Mikroemulsion und ab Tag 5 ein orales Glucocorticoid (beides vorher i. v.). Die Ciclosporin-Mikroemulsion wurde mit dem Ziel verabreicht, einen festgelegten Wirkstoff-Talspiegel im Blut aufrechtzuerhalten. Kein Patient erhielt eine Induktionstherapie. Transplantatabstoßungen wurden hoch dosiert mit Glucocorticoiden behandelt, in der Biopsie bewiesene glucocorticoidresistente Abstoßungen mit Antilymphozyten-Globulinen oder monoklonalen Antikörpern gegen CD3.

Zwei Studienphasen

Die Studie bestand aus zwei Phasen: A (0 bis 6 Monate) und B (7 bis 21 Monate). In Phase A wurden alle Medikamente verabreicht, in Phase B wurde die Glucocorticoid-Dosis in den Monaten 7 bis 9 reduziert und dann abgesetzt. An Phase B nahmen nur Patienten teil, bei denen ein Absetzen des Glucocorticoids möglich erschien: Patienten, die beispielsweise höchstens zwei akute Abstoßungen, davon keine glucocorticoidresistente, gehabt hatten. Primäres Wirksamkeitskriterium war die Zahl akuter, klinisch diagnostizierter Abstoßungen. Pro Gruppe wurden 168 Patienten randomisiert. Je 167 bekamen ein Transplantat und nachfolgend eine immunsuppressive Erhaltungstherapie. Die meisten Patienten waren männlich, das Durchschnittsalter lag bei 45 Jahren.

Akute Abstoßungen genauso häufig

Die Intention-to-treat-Analyse ergab: 56 Patienten mit Mycophenolatmofetil (34%) und 58 mit Azathioprin (35%) stießen das Transplantat in den ersten sechs Monaten akut ab. Bei 30 (18%) gegenüber 38 (23%) der Patienten konnte die Abstoßung in der Biopsie bewiesen werden. Neun (5%) gegenüber 18 (11%) der Patienten hatten glucocorticoidresistente akute Abstoßungen. Die Unterschiede waren nicht signifikant. In beiden Behandlungsgruppen erlitten je zwei Patienten einen irreversiblen Funktionsverlust des Transplantats.

Auch in den Nebenwirkungen unterschieden sich die Behandlungsgruppen kaum. Je vier Patienten jeder Gruppe starben im ersten halben Jahr nach der Transplantation. Leukozyten- und Thrombozytenzahl waren in der Frühphase zwischen den Gruppen vergleichbar. Etwa jeder vierte Patient jeder Gruppe wurde in Phase A wegen einer Zytomegalievirus-Reaktivierung mit Ganciclovir behandelt.

177 (60%) der 296 Patienten, die Phase A beendeten, begannen Phase B. Mit Mycophenolatmofetil erlitten 14 (16%), mit Azathioprin 11 (12%) in Phase B eine akute Abstoßung, die bei je sechs Patienten (7%) mittels Biopsie bewiesen wurde. Als glucocorticoidresistent erwies sich nur eine Abstoßung in der Mycophenolatmofetil-Gruppe. Sie führte zum irreversiblen Funktionsausfall des Transplantats. In Phase B starb kein Patient. Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen vergleichbar, allerdings litten mehr Azathioprin-Patienten nach Absetzen des Glucocorticoids mindestens einmal an Leukopenie. Eine schwere Thrombozytopenie oder Anämie kam nicht vor.
 

Mycophenolat bei Autoimmunkrankheiten

Mycophenolatmofetil ist der 2-Morpholinoethylester der Mycophenolsäure (MPA). MPA ist ein hochwirksamer, selektiver, nicht kompetitiver und reversibler Hemmer der Inosinmonophosphat-Dehydrogenase und hemmt daher den De-novo-Weg der Guanosin-Nucleotidsynthese, ohne in die DNA eingebaut zu werden. Da für die Proliferation von T- und B-Lymphozyten die De-novo-Synthese von Purinen unerlässlich ist, während andere Zellarten den Wiederverwertungsstoffwechsel benutzen können, wirkt MPA stärker zytostatisch auf Lymphozyten als auf andere Zellen.

Auf Grund seiner starken immunsuppressiven Wirkung wird derzeit in Studien der Einsatz von Mycophenolatmofetil bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen wie Myasthenia gravis, Morbus Crohn, chronisch-entzündlichen rheumatischen Erkrankungen oder Psoriasis untersucht. ck

Niedrige Abstoßungsrate durch optimalen Ciclosporin-Spiegel?

Demnach verringerte Mycophenolatmofetil in Gegenwart von Sandimmun Neoral® die Zahl akuter Transplantatabstoßungen nicht stärker als Azathioprin. Auch Funktionsverluste des Transplantats und Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen ähnlich häufig. Die Abstoßungsrate war in beiden Gruppen niedrig, was mit dem neuen Ciclosporin-Präparat und seiner Dosierung zu tun haben könnte. Der Ciclosporin-Talspiegel lag nämlich kurz nach der Transplantation bei den meisten Patienten im Zielbereich (330 bis 430 µg/l), und diese Patienten hatten eine besonders niedrige Abstoßungsrate.

Mycophenolatmofetil ist etwa 15-mal teurer als Azathioprin: Die Kosten des Arzneistoffs pro Patient betrugen in Phase A 2665 Euro gegenüber 184 Euro und in Phase B 5095 Euro gegenüber 322 Euro. Da das Nutzen-Risiko-Profil von Mycophenolatmofetil nicht besser zu sein scheint, sollte nach Meinung der Autoren möglicherweise das preiswertere Azathioprin in der immunsuppressiven Erhaltungstherapie nach Nierentransplantation verwendet werden.

Susanne Wasielewski, Münster

Quelle 
Remuzzi, G., et al.: Mycophenolate mofetil versus azathioprine for prevention of acute rejection in renal transplantation (MYSS): a randomised trial. Lancet 364, 503 – 512 (2004). 
Burke, G. W., Ciancio, G.: Immunosuppression in kidney transplantation. Lancet 364, 481 – 482 (2004).

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