DAZ aktuell

Integritas: Weitere Liberalisierung der Heilmittelwerbung

BONN (hb). Der Verein für lautere Heilmittelwerbung – Integritas führte seine diesjährige Mitgliederversammlung am 2. Dezember 2004 in Bonn durch. In einer Zeit, in der sich – wie der Vereinsvorsitzende Wolfgang Reinsch es beschrieb, das "Rad der Gesetzgebung immer schneller dreht", bot das Selbstkontrollorgan der Industrie im öffentlichen Teil der Tagung erneut zwei Vorträge an, die sich mit unmittelbar anstehenden bzw. in diesem Jahr in Kraft getretenen Gesetzesvorhaben aus dem Arzneimittelbereich befassten.

Publikumswerbeverbot wird gelockert

Einen Ausblick auf die anstehende Überarbeitung des Publikumswerbeverbots für OTC-Arzneimittel gab Rechtsanwalt Dr. Ulrich Reese, Düsseldorf. Ausgelöst wird diese durch das Gesetzespaket zur Novellierung des EG-Arzneimittelrechts, das bis zum 30. Oktober 2005 in nationales Recht umzusetzen ist. Hiernach ist unter anderem die konkrete Liste von Krankheiten, die nicht Gegenstand der Öffentlichkeitswerbung sein dürfen, gestrichen worden. Übrig bleibt ein relativ offen gehaltener Erlaubnistatbestand (siehe Kasten), an dem die entsprechende Verbotsliste des deutschen Heilmittelwerbegesetzes nun bei der Umsetzung – aller Voraussicht nach im Rahmen der 14. AMG-Novelle – zu messen sein wird.

Fraglich ist, so Reese, inwieweit mit der angestrebten Liberalisierung auf europäischer Ebene lediglich ein Mindest- oder gleichzeitig auch ein Maximalstandard festgeschrieben werden soll. Er selbst sieht hier für die Mitgliedsstaaten keinen Spielraum zu einer etwaigen Verschärfung. Auch kann die Richtlinie wohl kaum wörtlich übernommen werden, denn als normative Grundlage ist die Formulierung zu unscharf. So läuft wohl alles auf eine konkretisierende Umsetzung hinaus.

Keine Abschaffung der Krankheitsliste

Es spricht zwar einiges dafür, dass mit der Formulierung "Arzneimittel, die...ohne Tätigwerden eines Arztes verwendet werden können" automatisch alle nicht-rezeptpflichtigen Arzneimittel gemeint sein könnten – was einer sehr weitgehenden Liberalisierung gleichkäme – ein solcher Umkehrschluss ist für Reese aber nicht zwangsläufig. Eine komplette Abschaffung der Krankheitsliste des § 12 HWG wird es vor diesem Hintergrund ebenfalls wohl kaum geben, meint er, sondern eher eine Reduzierung, wobei zum Beispiel funktionelle Beschwerden oder unterstützende Begleittherapien für eine zulässige Bewerbung in Frage kämen.
 

"Für Arzneimittel, die nach ihrer Zusammensetzung und Zweckbestimmung so beschaffen und konzipiert sind, dass sie ohne Tätigwerden eines Arztes für die Diagnose, Verschreibung oder Überwachung der Behandlung verwendet werden können, erforderlichenfalls nach Beratung durch den Apotheker, kann Öffentlichkeitswerbung erfolgen."

Art. 88 Abs. 2 der Richtlinie 2004/27/EG zur Änderung des Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel

 

Werbung für Versandhandel relativ offen

ABDA-Geschäftsführer Lutz Tisch umriss die Werbemöglichkeiten für Apotheker nach dem GKV-Modernisierungsgesetz. Mit der Herausnahme der rezeptfreien Arzneimittel aus der Kassenerstattung, der damit verbundene Abschaffung des einheitlichen Apothekenabgabepreises und der Öffnung des Versandhandels hätten sich auf diesem Sektor große Veränderungen ergeben. Was die Freistellung der Werbung für den Versandhandelsbezug anbelangt, so ist diese kaum Beschränkungen unterworfen, weder in Bezug auf das Medium noch auf bestimmte Arzneimittelgruppen. Gleichwohl ist jedoch bei konkreter Produktwerbung das HWG zu beachten. Nicht zulässig ist darüber hinaus die Bevorzugung einzelner Leistungsanbieter durch die Krankenkassen oder auch die Nötigung der Versicherten zum Versandhandel, "Verfehlungen", zu denen es in jüngster Vergangenheit bereits verschiedentlich gekommen sei.

Rezeptpflichtige immer noch außen vor

Etwas komplexer scheint sich die neue Rechtslage bezüglich der Preiswerbung für Arzneimittel zu gestalten. Tisch erinnerte zunächst daran, dass für verschreibungspflichtige Arzneimittel nach wie vor Preisbindung besteht. So verstoßen etwa das "Taler-Konzept" oder das Gewähren von 3% Skonto für Privatpatienten bei Anwendung auf rezeptpflichtige Präparate gegen die Arzneimittelpreisverordnung. Schwer nachvollziehbar ist für ihn vor diesem Hintergrund das Urteil des OLG Hamm vom 21. September 2004 (4 U 74/04), nach dem DocMorris im Versandhandel weder an die Preisverordnung noch an die Zuzahlungsregelungen gebunden sein soll.

Die Grenzen der Ethik und des guten Geschmacks

Und auch wenn die Preise für nicht-rezeptpflichtige Arzneimittel nun frei sind, stößt die Produkt- oder absatzbezogene Werbung gleichwohl an die Grenzen von § 7 des Heilmittelwerbegesetzes mit dem Verbot, Zuwendungen und Werbegaben, das heißt auch Rabatte, anzubieten, anzukündigen, zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen.

Demgegenüber seien im Bereich der Unternehmenswerbung nicht Einzelfall bezogene Aktionen wie etwa die Ausgabe von "Treue-Punkten" oder auch von "Bonus-Punkten" für Rezepte von den Gerichten bereits als rechtmäßig anerkannt worden. Zulässig sind auch Werbeslogans wie "Dauerniedrigpreise in unserer Apotheke" oder "Wir sind günstig und gut". In der Praxis wundert sich Tisch nach eigenen Bekunden allerdings schon über die "Skrupellosigkeit", mit der solche Werbung gelegentlich ausgestaltet wird. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die Berufsordnungen, nach denen das Ansehen des Berufsstandes zu wahren ist und es darüber hinaus in dessen "berufstypischer Verantwortung" liegt, bei der Werbung für Arzneimittel den Fehlgebrauch zu verhindern.

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