Arzneimittel und Therapie

Morbus Crohn: Anti-TNF-Antikörperfragment bei schwerem Krankheitsverlauf

Die meisten Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen lassen sich mit den derzeit verfügbaren Regimes zufriedenstellend behandeln. Diese versagen jedoch bei sehr schweren Krankheitsverläufen. Für Morbus-Crohn-Patienten haben die Wissenschaftler nun unter anderem Anti-TNF-alpha-Strategien im Visier. Derzeit auf dem Prüfstand: ein Anti-TNF-Antikörperfragment.

Die Therapie des Morbus Crohn stützt sich im Wesentlichen auf die Remissionsinduktion mit 5-Aminosalicylaten oder Steroiden. Bei chronisch aktivem Krankheitsverlauf hat sich die Immunsuppression mit Azathioprin oder 6-Mercaptopurin etabliert. Doch nicht alle Patienten lassen sich mit diesem Regime zufriedenstellend behandeln. Aktuell im Auge haben die Forscher nun Anti-TNF-Strategien. Denn der Tumornekrosefaktor-alpha gilt, so Professor Dr. Stefan Schreiber, Kiel, als "Treiber des Rezidivverhaltens".

Die Bestimmung der fäkalen TNF-alpha-Konzentration bei Morbus-Crohn-Patienten nach Remission zeigt, dass das Rezidivrisiko mit der TNF-Sekretion korreliert. Werden mehr als 70 pg/ml Stuhl gefunden, liegt die Remissionsdauer deutlich niedriger als bei geringeren TNF-Konzentrationen.

Vom Reagenzglas in die Klinik: CDP870

Die Anti-TNF-Therapie wird in Deutschland bei Morbus Crohn derzeit eher zögerlich eingesetzt. Einer der Gründe: Unter dem bislang einzigen zur Verfügung stehenden Antikörper sind schwere Nebenwirkungen aufgetreten. Nun wurde mit CDP870 das Fab-Fragment eines monoklonalen humanisierten Anti-TNF-Antikörpers entwickelt, der nur die TNF-bindenden Anteile enthält.

Um die Halbwertszeit im Plasma und damit auch die Intervalle zwischen den einzelnen Applikationen zu verlängern, wurde der Wirkstoff mit Polyethylenglykol versetzt. Mit dieser Zubereitung lassen sich bei vierwöchiger Applikation konstante Wirkstoffspiegel im Plasma erreichen.

Wie wirksam und sicher die Behandlung mit CDP870 ist, wurde nun in einer randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Multizenterstudie bei 292 Patienten mit moderater bis schwerer Erkrankung (Crohns Disease Activity Index = CDAI: 220 bis 450) auf den Prüfstand gestellt. Dosen von 100mg, 200mg oder 400mg bzw. Plazebo wurden dreimal im Abstand von vier Wochen subkutan injiziert.

Alle zwei Wochen über insgesamt zwölf Wochen wurde der Effekt, die Sicherheit über weitere acht Wochen untersucht. Der Fokus lag dabei auf der klinischen Ansprechrate. Patienten galten dann als Responder, wenn der CDAI um mindestens 100 Punkte zurückging oder eine Remission (CDAI < –150) erreicht wurde.

Das Ergebnis: Mit der 400-mg-Dosis wurde nach zehn Wochen eine Responderrate von 52,8 Prozent, mit Plazebo von 35,6 % erreicht - ein deutlicher Vorteil für das Antikörperfragment, der nach zwölf Wochen seine Signifikanz allerdings bereits wieder verloren hatte (44,4% versus 35,6%).

Patienten mit hoher Entzündungsaktivität profitieren

Günstiger fielen die Ergebnisse für CDP870 bei Patienten mit erhöhten CRP-Spiegeln über 10 mg/l (n=119) aus. Hohe CRP(C-reaktives Protein)-Spiegel gelten als Maß für die Entzündung im Darm und damit für die Aktivität der Erkrankung. Hier waren die Unterschiede von der zweiten bis zur zwölften Woche zwischen der 400-mg-Dosis und Plazebo signifikant.

So lag die Responderrate nach zehn Wochen bei 65,6 Prozent gegenüber 17,9 Prozent, nach zwölf Wochen bei 53,1 Prozent gegenüber 17,9 Prozent. Eine Remission wurde bei 45 Prozent der Patienten erreicht. Patienten mit CRP-Spiegeln unter 10 mg/l profitierten von der Therapie nicht.

Gefürchtete Nebenwirkungen wie Tuberkulose, opportunistische Infektionen oder Todesfälle wurden auch im weiteren Verlauf nicht beobachtet. Allerdings lag die gesamte Beobachtungsdauer lediglich bei 20 Wochen. Nach derzeitigem Stand der Dinge könnte CDP870 in wenigen Jahren eine zusätzliche therapeutische Alternative bei Morbus Crohn sein.

Quelle

Prof. Dr. Manfred V. Singer, Mannheim; Heino Holtz, Stadthagen; Prof. Dr. Stefan Schreiber, Kiel: Pressekonferenz "Vom Klassiker Dipentum® zur Innovation CDP870", Hamburg, 30. Oktober 2003 veranstaltet von der Celltech Pharma, Essen. Dr. Beate Fessler, München

Anti-TNF-Antikörperfragment

Fab-Fragmente (fab: fragment, antigen binding; antigenbindendes Fragment) sind die Bruchstücke eines Immunglobulins, die die spezifische Bindungsstelle tragen, d.h. diejenige Gruppierung des Antikörpers, die bei Vorhandensein der "richtigen" Tertiär- und Quartärstruktur des Antikörpers mit dem Antigen spezifisch reagiert. CDP870 ist das Fab-Fragment eines monoklonalen humanisierten Anti-TNF-Antikörpers, der nur die TNF-bindenden Anteile enthält. Es entsteht nach Einwirkung von proteolytischen Enzymen (z. B. Papain, Pepsin).

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