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Pharmagesponsorte EDV-Systeme in der Kritik

BERLIN (ks). Den Krankenkassen entsteht durch von Pharmafirmen manipulierte Computerprogramme ein jährlicher Schaden von mehr als einer Milliarde Euro. Dies berichtete am 25. November das NDR-Magazin "Panorama". Dem Fernsehbericht zufolge arbeiten rund drei Viertel der Ärzte mit solchen von Herstellern gesponsorten Softwareprogrammen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bot den Herstellern von Praxis-EDV-Systemen an, eine freiwillige Selbstbeschränkung zu verabschieden.

Die Pharmaunternehmen – in der Regel Generikahersteller – ließen die Software für Arztpraxen so gestalten, dass ihre jeweiligen Produkte begünstigt würden, hieß es in "Panorama". Der Arzt muss nur noch die Diagnose in seinen Computer eingeben, schon läuft alles auf die Verordnung eines Arzneimittels der Sponsor-Firma hinaus. Einige Bestätigungen mit der Eingabetaste genügen. Ärzte, die ein Präparat eines anderen Herstellers verordnen wollen, hätten einen größeren Arbeitsaufwand, um ein entsprechendes Rezept in ihrem Computer zu erstellen, erklärte ein Allgemeinarzt dem NDR-Magazin. Die Sponsoren sehen es anders: Sie betonen, dass der Arzt jederzeit Herr des Verfahrens bleibe. Im übrigen seien die Programme vollkommen legal.

Der virtuelle Pharmaberater

Pharmakritiker Gerd Glaeske wertet dieses – von den Ärzten oftmals nicht bemerkte – Lenken auf ein bestimmtes Produkt eindeutig als Manipulation. "Besser geht es wirklich nicht: Es ist sozusagen der virtuelle Pharmaberater, der vor dem Arzt sitzt", sagte Glaeske "Panorama". Er beziffert den Schaden, der den Krankenkassen durch derartige Software zugefügt wird, auf jährlich eine bis 1,2 Milliarden Euro. Dieser entstehe dadurch, dass die Sponsor-Firmen eher zu den "mittelteuren" Generika-Anbietern gehören.

Ministerin sucht Gespräch mit Ärzteschaft

Auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt betrachtet die Entwicklung mit Sorge: "Ich würde mir wünschen, dass auch die Ärzteschaft sich sehr viel stringenter gegen den Einfluss der Pharmafirmen wehren würde". Sie sollten auf Pharma-unabhängige Programme setzen, meint die Ministerin – doch diese sind ungleich teuerer. Anfang Dezember will sich Schmidt mit Vertretern der Ärzteschaft über das Problem unterhalten.

KBV: Kostenlose Lauer-Taxe würde helfen

Die KBV erklärte bereits im Vorfeld, dass sie sich der Frage zusammen mit den Software-Herstellern annehmen wolle. "Ein verantwortungsvoller Umgang mit pharmagesponserter Praxissoftware ist wichtig. Deshalb bieten wir den Herstellern von Praxis-EDV-Systemen an, in Zusammenarbeit mit der KBV eine freiwillige Selbstbeschränkung zu verabschieden", erklärte KBV-Vize Dr. Leonhard Hansen am 24. November in Berlin. Er betonte zugleich, dass die Ärzte sehr wohl in der Lage seien, "selbst und bewusst eine Entscheidung bei der Verordnung zu treffen". Die Praxis-EDV zeige Alternativen auf, die berücksichtigt werden können. Hansen ergänzte: "Viel wäre schon gewonnen, wenn die Apothekerverbände den niedergelassenen Ärzten die Lauer-Taxe kostenlos zur Verfügung stellten."

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