DAZ aktuell

Seehofer will auch weiterhin in der Gesundheitspolitik mitmischen

BERLIN (ks). Der CSU-Gesundheitsexperte Horst Seehofer hat sein Amt als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag niedergelegt. Damit zieht er die Konsequenz aus dem Streit um das Reformkonzept der Union zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Seehofer will aber Vizevorsitzender der CSU bleiben und sein Bundestagsmandat behalten. Zudem will er sich bei gesundheitspolitischen Themen auch weiterhin nicht den Mund verbieten lassen.
Foto: DAZ/Sket
WILL NICHT AUFGEBEN Auch nach seinem Rücktritt von der Fraktionsspitze will Seehofer für seine Position in der Gesundheitspolitik 
werben.

Seehofer gab seine Entscheidung nach einer Sitzung der CSU-Landesgruppe am 22. November in Berlin bekannt. Er begründete den Rücktritt mit seinen Bedenken gegen den zwischen CDU-Chefin Angela Merkel und dem CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber ausgehandelten Gesundheitskompromiss. Er kritisierte das Modell der solidarischen Gesundheitsprämie als "hochkompliziert" und "bürokratisch". Es führe zu einer Finanzierungslücke von 20 Mrd. Euro, benachteilige Familien gegenüber Alleinstehenden und begünstige Bezieher hoher Einkommen. Zudem widerspreche der Kompromiss dem Grundsatzbeschluss der CSU, dass ein Sozialausgleich nicht über Steuermittel finanziert werden soll. "Diese Auflösung der Solidarität in unserer Gesellschaft möchte ich nicht", erklärte Seehofer.

Kein Brückenbau

Nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Stoiber am 18. November in München sah es noch so aus, als werde Seehofer seine Ämter behalten. Er hatte sowohl Stoiber als auch Merkel seinen Rücktritt angeboten. Doch mit Stoiber kam er überein, sowohl CSU-Vize als auch stellvertretender Fraktionsvorsitzender zu bleiben. Allerdings sollte er aus seinem Zuständigkeitsbereich der Sozialpolitik in der Bundestagsfraktion künftig die Gesundheitspolitik ausklammern. Vereinbart wurde auch, dass sich Seehofer – nicht zuletzt angesichts des bevorstehenden CSU-Parteitags – in den Medien mit Kritik zurück halten soll.

Doch Seehofer verstummte auch am letzten Wochenende nicht mit seinen Attacken gegen den Kompromiss – zur Verärgerung von Vertretern beider Unions-Parteien. Am 21. November erfuhr der Sozialpolitiker, dass eine Aufteilung seines Aufgabengebiets als Fraktionsvize wohl doch keine praktikable Lösung sei. So jedenfalls sah es offenbar Merkel. Das Angebot des CSU-Landesgruppenchefs Michael Glos, einen anderen Aufgabenbereich zu übernehmen, schlug Seehofer am Morgen des 22. November aus.

Es war im Gespräch gewesen, dass er die Zuständigkeiten mit der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Gerda Hasselfeldt (CSU) tauschen könnte – mithin künftig schwerpunktmäßig die Themen Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Tourismus bearbeitet. Doch Seehofer machte deutlich: Er will sich selbst treu bleiben und lieber auf den Platz in der Fraktionsspitze verzichten, als einen anderen Aufgabenbereich zu übernehmen. Der von Stoiber versprochene "Brückenbau" sei "leider nicht zustande gekommen", ließ Seehofer wissen.

Seehofer will weiter für seine Position kämpfen

In einem Interview mit der "Neuen Passauer Presse" (Ausgabe vom 23. November) machte Seehofer keinen Hehl daraus, dass er von Stoiber und Merkel enttäuscht ist. Der CSU-Chef habe seine Zusage, dass Seehofer den Bereich Gesundheit in der Fraktion abgeben und gleichzeitig Fraktionsvize bleiben könne, nicht realisieren können. Daher entschied Seehofer "loszulassen". Er kündigte an, auch weiterhin für seine Position in der Gesundheitspolitik werben zu wollen. "Das werde ich verantwortungsvoll und ohne Schaum vor dem Mund tun. Ich gebe nicht auf." In Kürze will er der CSU eine umfassende Dokumentation vorlegen, in der er seine Position deutlich macht. "Ich werde in Ruhe dokumentieren, dass der Gesundheitskompromiss unsolidarisch, unterfinanziert und bürokratisch ist", sagte Seehofer der "Neuen Passauer Presse".

Stoiber will Seehofer als CSU-Vize halten

Stoiber erklärte in München, er respektiere "die persönliche Entscheidung" seines Stellvertreters. Der bayerische Ministerpräsident betonte, er setze auf die weitere Zusammenarbeit mit Seehofer als stellvertretendem Parteichef. Gestärkt durch den CSU-Parteitagsbeschluss zur Gesundheitsprämie am Wochenende, wies er erneut die Kritik Seehofers am Reformkonzept der Union zurück. "Der Kompromiss berücksichtigt alle wesentlichen Ziele der CSU und entspricht den Prinzipien der CSU", hieß es in der Erklärung. Den Vorwurf des Wortbruchs wies die CSU-Spitze ebenfalls zurück: Seehofer habe sich ebenfalls nicht an Absprachen gehalten und den Gesundheitskompromiss das ganze Wochenende über in Interviews attackiert.

Merkel: "Bedauerlich aber konsequent"

Merkel bezeichnete den Schritt Seehofers als "bedauerlich, aber konsequent". Ausdrücklich lobte die CDU-Vorsitzende Seehofer als "ausgewiesenen Fachmann, dem wir vieles an sozialpolitischen Entwicklungen zu verdanken haben". Sie hätte sich jedoch gewünscht, "er hätte diese Weichenstellung in ein neues Gesundheitssystem mit nachvollziehen können". Merkel betonte, sie habe Seehofer zu nichts gedrängt.

Schmidt: Seehofer hinterlässt ein "großes Loch"

Bedauern über den Rückzug des CSU-Politikers äußerte auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. "Er reißt mit seinem Rücktritt ein großes Loch, das ohne Weiteres nicht zu schließen sein wird", sagte Schmidt der "Berliner Zeitung" (Ausgabe vom 23. November). SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter erklärte, "das Wegmobben des qualifiziertesten Sozialpolitikers der Union zeigt, dass CDU und CSU das Interesse am Sozialen verloren haben". Nach den Rücktritten des CDU-Finanzexperten Friedrich Merz und Seehofers aus ihren Positionen als Fraktionsvize sei "Merkel allein zu Haus".

Nachfolge-Debatte im Gange

Nun heißt es in der Union, einen Nachfolger Seehofers zu finden. Es wird erwartet, dass die Entscheidung noch in dieser Woche getroffen wird. Im Gespräch ist unter anderem der CSU-Gesundheitspolitiker Wolfgang Zöller. Dieser ließ zu Wochenbeginn allerdings offen, ob er dieses Amt übernehmen könnte. "Ich gehe nie auf ein Amt zu, das Amt muss auf eine Person zugehen", sagte er.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.