Die Seite 3

Ein trauriges Ergebnis

Peter Ditzel

In unregelmäßigen Abständen führen Stiftung Warentest, Zeitschriften wie BILD Gesundheit und Stern oder einschlägige Fernsehmagazine wie plusminus oder WISO Testkäufe in Apotheken durch. Die Ergebnisse sind bekannt: In den Apotheken wurde in den meisten Fällen nicht oder schlecht beraten, nur wenige Apotheken schnitten bei den Testkäufen gut ab. Auch die jüngste Stichprobe zur Beratung fiel katastrophal aus: Das ZDF Ratgeber-Magazin WISO strahlte am vergangenen Montagabend seinen Bericht über Testkäufe in zwölf willkürlich ausgesuchten Hamburger Apotheken aus.

Die Testkäuferin stellte die klassische Frage nach einem Kopfschmerzmittel. Auf Nachfrage hätte sie gesagt, dass sie auch unter Magenschmerzen und Sodbrennen leidet. Nur: In zehn von zwölf Apotheken wurde nicht nachgefragt, in den beiden anderen gab es eine "sekundenschnelle Beratung in einem Satz" wie es in der WISO-Sendung hieß. Und statt Aspirin ("das darf ich Ihnen in diesem Fall nicht geben") erhielt die Käuferin Thomapyrin – tolle Beratungsleistung.

Zweites Testkaufbeispiel in Hamburger Apotheken: Die Kundin legt ein Rezept über die Antibabypille vor und verlangt noch zusätzlich ein Johanniskrautpräparat. Nach den seit etwa zwei Jahren bekannten Untersuchungen kann Johanniskraut die Wirkung der Pille vermindern. Darauf machten allerdings ebenfalls nur zwei der besuchten Hamburger Apotheken aufmerksam. In einer Apotheke wurde man zwar kurz stutzig, konnte aber den Grund nicht korrekt angeben, warum die beiden Präparate sich nicht vertragen, und meinte, die Pille löse Depressionen aus und hebe die Wirkung des Johanniskrautpräparats auf – tolle Beratungsleistung.

Mit Unterstützung des Pharma- und Apothekenkritikers Glaeske, der die Testergebnisse bewertete, kam WISO zum Fazit: "Keine oder schlechte Beratung – kein gutes Ergebnis für die zwölf Apotheken in der WISO-Stichprobe." Und: Richtig gut beraten wird man nicht in der Apotheke, sondern beim Arzt.

Es tat weh, zusehen zu müssen, wie die Mehrzahl der Apotheken dieser Stichprobe keine Beratung anbot, ja, nicht einmal mit einer kleinen Nachfrage das Angebot zur Beratung signalisierte. Seit vielen Jahren laufen Testkäufe in Apotheken, seit vielen Jahren mit immer dem gleichen Ergebnis. Warum schaffen es so viele Apothekerinnen und Apotheker nicht, auch mit nur wenigen Worten ein Beratungsangebot zu machen? Warum ist dies immer noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen? "Ein Satz geht immer!" Mit diesem Slogan versuchte die Apothekerkammer Niedersachsen dazu aufzurufen, wenigstens mit einem Satz bei der Arzneimittelabgabe auf das Beratungsangebot aufmerksam zu machen. Schade, dass sich eine solche Aktion nicht über Deutschland ausgebreitet hat und in allen Köpfen fest und dauerhaft verankert werden konnte.

Besonders schmerzt es, wenn der Moderator den Beitrag mit dem Satz schließt, gute Arzneimittelberatung gebe es nur beim Arzt. Aus unserer Erfahrung und der unserer Patienten wissen wir, dass auch der Arzt in vielen Fällen nicht oder inkompetent über Arzneimittel berät. Auf die WISO-Stichprobe zur Arzneimittelberatung beim Arzt wäre ich schon heute gespannt. Seltsam nur, dass Fernsehmagazine und Stiftung Warentest solche Überprüfungen so gut wie nicht durchführen genauso wenig wie eine Überprüfung der ärztlichen Diagnose und Therapie.

Als Gegensatz dazu erscheinen die Befragungsergebnisse von Apothekenkunden (siehe Seite 35). Jüngstes Beispiel ist eine Umfrage in Ingolstadt: Nur fünf Prozent der Apothekenkunden waren unzufrieden. Aber, auch hier scheinen sich Defizite abzuzeichnen. Denn immerhin wünschen sich mehr als 60 Prozent der Befragten beim Kauf von OTC-Arzneimitteln eine intensivere Beratung und jeder zweite fühlte sich hinsichtlich Risiko und Aufklärung über Nebenwirkungen der verordneten Arzneimittel zu wenig informiert.

Wir geben Ihnen in dieser DAZ-Ausgabe wieder einen kleinen Leitfaden zur Beratung in der Selbstmedikation an die Hand, diesmal zum Thema Halsschmerzen. Das Beispiel ist dem Kitteltaschenbuch "Selbstmedikation" von Kirsten Lennecke, erschienen im Deutschen Apotheker Verlag, entnommen. Bitte, nehmen Sie das Thema Beratung und Beratungsangebot ernst, sehr ernst. Machen Sie es zum Chefthema!

Wir dürfen uns nicht wundern, wenn Apotheker immer seltener als Arzneimittelfachleute in der Öffentlichkeit um Rat gefragt werden. Erst vor kurzem stand ein Redakteur (kein Apotheker!) der Zeitschrift "Ökotest" im ARD-Morgenmagazin den Zuschauern Rede und Antwort in Sachen Arzneimittel. Ungeniert gab er Auskünfte zu Arzneimitteln und ihrer Anwendung. Wenn wir es nicht endlich schaffen, unsere Beratungsaufgabe nachweislich zu erfüllen, dann verspielen wir unsere Daseinsberechtigung – wir schaffen uns selbst ab.

Bitte helfen Sie mit, dass es – auch im Interesse der Patienten – nie soweit kommt und machen Sie ein Beratungsangebot.

Peter Ditzel

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