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Welt-Diabetes-Tag: BPI befürchtet schlechtere Diabetiker-Versorgung

BERLIN (ks). Knapp sechs Millionen diagnostiziere Diabetiker leben in Deutschland. Bei schätzungsweise zwei Millionen Menschen ist die Krankheit noch unentdeckt. Der am 14. November stattfindende Welt-Diabetes-Tag will erneut ein Augenmerk auf diese große Patientengruppe richten. Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hat das Thema in einem Pressegespräch am 8. November in Berlin aufgegriffen: Der Verband sieht die Diabetes-Forschung und -Versorgung in Deutschland durch eine Reihe gesundheitspolitischer Maßnahmen gefährdet.

Was die künftige Versorgung von Diabetikern betrifft, so ist man beim BPI-Mitgliedsunternehmen Novo Nordisk skeptisch, ob die Disease-Management-Programme (DMP) tatsächlich die erhofften Verbesserungen für die Patienten bringen werden. Über eine Million gesetzlich Krankenversicherte haben sich bereits in die bestehenden DMP eingeschrieben und unterziehen sich einer standardisierten Therapie.

Markus Leyck Dieken, Geschäftsführer von Novo Nordisk – dem Marktführer im deutschen Insulin-Markt –, hat zwar grundsätzlich nichts gegen eine Standardisierung in der Diabetes-Therapie. Dies müsse allerdings auf andere Weise geschehen als in den DMP. Anders als der "Vater" der deutschen Chroniker-Programme, Karl Lauterbach, glaubt Leyck Dieken nicht, dass mit den DMP eine Vielzahl von Folgeerkrankungen des Diabetes schon frühzeitig erkannt werden können. Denn in 30 bis 50 Prozent der Fälle liege bei der Diagnose Diabetes bereits eine Komplikation vor.

Er kritisiert an den DMP vor allem, dass die Ergebnisse der Programme nicht ausgewertet werden. "Die Programme mögen zwar Einsparungen erzielen, es bleibt aber im Dunkeln, welcher Arzt nun gut therapiert hat und wer nicht", so Leyck Dieken. Er ist sicher: "DMP werden dazu beitragen, dass die Zwei-Klassen-Medizin mehr an den Tag tritt". Moderne Therapieformen werden Privatpatienten und gut informierten Kassenpatienten, die diese einfordern, vorbehalten bleiben.

Insulinpräparate: Nirgends ist die Auswahl so groß wie in Deutschland

Der Novo Nordisk-Geschäftsführer plädiert daher für eine frühe Sekundärprävention, d. h. ein gezieltes Screening bei Hochrisikopatienten. Ebenso müsse die Primärprävention gestärkt werden: Die Bedeutung von Ernährung und Bewegung müsse schon im Kindesalter vermittelt werden. Leyck Dieken betonte zudem, dass es bereits vor den bundesweiten DMP regionale Chroniker-Programme gegeben habe, die die Diabetiker-Versorung deutlich verbessern konnten. Doch anders als im Rahmen der DMP stand den Ärzten in diesen Programmen ohne große Hürden eine ausdifferenzierte Insulin-Palette zur Behandlung zur Verfügung.

Für Einschränkungen in der Arzneimitteltherapie wird künftig auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen sorgen. Der Novo Nordisk-Geschäftsführer rechnet damit, dass eine Reihe von Analog-Insulinen vom Institut negativ bewertet werden. Zwar räumt auch Leyck Dieken ein, dass nicht alle Patienten von den neuen Analoga profitieren. Bei einigen ist es aber doch der Fall – und hierüber müsse man eine sachliche Diskussion führen können.

Gefahr durch Herstellerrabatte und Festbeträge

Die BPI-Geschäftsführerin Barbara Sickmüller erneuerte ihre Kritik am hohen Herstellerrabatt und den neuen Festbeträgen, die auch vor patentgeschützten Arzneimitteln nicht mehr Halt machen. Dies führe dazu, dass gerade mittelständische Firmen im Gegenzug an ihrem Forschungsetat sparen, erläuterte Sickmüller. Doch um die Volkskrankheit Diabetes wirksam bekämpfen zu können, bedarf es weiterer Forschung. Auch der Bundeskanzler hat sich bekanntlich in diesem Jahr die Förderung von Innovationen auf die Fahne geschrieben.

Um den Innovationsstandort Deutschland bzw. Europa tatsächlich zu stärken, seien Herstellerrabatte und Festbeträge jedoch der falsche Ansatz, betonte Sickmüller. Novo Nordisk setzt trotz der schwierigen Rahmenbedingungen weiterhin auf die Diabetes-Forschung. Derzeit investiert das Unternehmen rund 0,5 Mrd. Euro pro Jahr in die Entwicklung neuer Präparate. In ganz Deutschland werden jährlich 3,56 Mrd. Euro von der gesamten Pharmaindustrie in diesen Bereich investiert. Leyk Dieken gibt sich zwar grundsätzlich optimistisch – doch er ist überzeugt, dass eine gute Diabetes-Therapie künftig schwerer in Deutschland zu haben sein wird. Festbeträge, DMP, die Bewertung von Arzneimitteln sowie eine polemische Diskussion über Analoga werden dafür maßgeblich ursächlich sein.

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