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Apothekenpflicht und Zoogeschäfte (Meinung)

Die einschlägigen Warnungen vor den Folgen der Kettenbildung im Einzelhandel verweisen meist auf Lebensmittel- und Elektrogeschäfte, Drogeriemärkte und Möbelläden. Ein weniger beachtetes, aber interessantes Beispiel sind die Zoofachgeschäfte. Bei näherer Betrachtung haben sie mehr mit Apotheken zu tun, als es auf den ersten Blick scheinen mag.
Thomas Müller-Bohn

Sie sind zunächst einmal eine typische Nische des Einzelhandels, in der sich – relativ spät – Ketten bilden, die alteingesessene Fachgeschäfte verdrängen. Als besonders expansiv gilt die Franchisegruppe "Fressnapf", die innerhalb von nicht einmal 15 Jahren auf fast 600 Märkte in Europa angewachsen ist und als "Franchise-Geber des Jahres 2004" ausgezeichnet wurde. Auf der Internetseite der Tierfutterkette beschreibt der Unternehmensgründer das Konzept so: "Wir sind ein großes hungriges Rudel – es gibt einen Leitwolf – das ist die Fressnapf-Idee. Jeder beißt sich durch und alle werden satt."

Sogar manche Tierärzte sehen diese Entwicklung inzwischen mit Sorge, weil einige von ihnen einen recht beachtlichen Teil ihres Umsatzes mit Tiernahrung erzielen. Sie erleben damit einen Wettbewerb, wie ihn Apotheken in ihrem nicht-apothekenpflichtigen Randsortiment längst kennen. Doch sind die Zoogeschäfte möglicherweise weit mehr als nur ein beliebiges weiteres Beispiel für Kettenbildung im Einzelhandel.

Denn unter Tierärzten wird gemutmaßt, der neue Trend im Zoofachhandel könnte zu einem Angriff auf die Apothekenpflicht führen. Umsatzstarke nicht-verschreibungspflichtige Tierarzneimittel, z. B. Antiparasitika, könnten in neue Spezialabteilungen der marketingaktiven Zoogeschäfte abwandern. Für die Apotheken ist dies kein beachtlicher Markt, aber die Tierärzte würden es sehr zu spüren bekommen. Langfristig könnte die Tierarztpraxis sogar zum Anhängsel eines Tier-rund-um-Versorger-Supermarktes werden, ähnlich wie der Apotheker in der versteckten prescription corner eines amerikanischen drug stores.

Zusammen mit den bekannten Sorgen der Apotheker um die Apothekenpflicht trägt dies zu einem düsteren Gesamtbild bei. Tierärzte und Apotheker müssen gemeinsam zweierlei feststellen: Erstens wächst der ökonomische und damit zwangsläufig der politische Druck auf die Apothekenpflicht, und zweitens gibt es zu diesem Thema wahrscheinlich viel mehr Interessenten, als den meisten Beobachtern bewusst ist. Doch wird über die Apothekenpflicht wohl nicht beim Tierarzt, sondern in der Apotheke entschieden. Daher gilt es mehr denn je, den Mehrwert der Apotheke gerade in der Selbstmedikation deutlich erlebbar zu machen.

Thomas Müller-Bohn

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