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Westfalen-Lippe: Müller: Auf eigene Stärken setzen!

HAMM (im). Die Apotheker sollten trotz starken Gegenwinds durch Politik und Krankenkassen nicht auf Konfrontation gehen, sondern den Kassen Kooperationsbereitschaft signalisieren. Die Pharmazeuten könnten zum Beispiel bei den Reizthemen Versandhandel oder Verblisterung durch ein Tochterunternehmen des Importeurs Kohl-Pharma selbstbewusst die eigenen Dienstleistungen als überlegen darstellen. Eine offensive Strategie unter Ausspielen der eigenen Stärken hat Horst-Lothar Müller vom Apothekerverband Westfalen-Lippe den Kolleginnen und Kollegen empfohlen. Auf der Mitgliederversammlung des Verbands am 30. Oktober in Hamm kündigte er darüber hinaus eine neue Clearingstelle als Service für die Pharmazeuten an, die rasch Lösungen bei der Genehmigung von Hilfs- und Medizinprodukten bieten wird.

Für Resignation besteht kein Grund, davon zeigte sich Dr. Horst-Lothar Müller, Vorsitzender des 2228 Mitglieder starken Verbands, überzeugt. Zwar werde noch stärkerer Wettbewerb im Gesundheitswesen Einzug halten, und zwar unabhängig davon, welche Parteien die Regierung stellten. Aber die Politik wolle auch in Zukunft die Apotheker für die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Der Verbandschef warb dafür, den Nutzen durch Pharmazeuten für das Gesundheitssystem noch stärker als bisher herauszustellen. Auch die Krankenkassen wollten die Apotheken nicht völlig vom Markt haben, sie wollten allerdings deren Leistungen für ihre Versicherten optimieren.

Integrierte Versorgung kommt

Daher sei der Einstieg mit den Barmer Service-Apotheken richtig gewesen, was jetzt auf Bundesebene der Deutsche Apothekerverband mit dem Hausärzteverband und der Barmer weiterentwickele. Müller rechnet demnach mit dem ersten Vertrag zur integrierten – hausärztlich basierten – Versorgung durch Apotheken zum Jahresende. Die Vergütung von Leistungen wie Arznei- und Home-Service oder Boni auf nicht apothekenpflichtigen Produkten lehne sich an den Barmer Service-Apothekenvertrag an. Für die Kommunikation mit Ärzten über die Medikation werde an acht Euro plus Mehrwertsteuer pro Vorgang gedacht. Die Pharmazeuten sollten die Chancen der integrierten Versorgung sehen und nutzen, hieß es.

Sorgen der Basis

In der Diskussion befürchteten mehrere Apothekenleiter Gefahren durch den Versandhandel, wenn deutsche Krankenkassen womöglich selbst ausländische Versandapotheken kauften, um ihre Versicherten günstiger mit Arzneimitteln zu versorgen. So weitreichende Änderungen planen die Kassen nicht, diese wollten nicht selbst Leistungserbringer werden, erklärten dazu übereinstimmend Müller und Rötger von Dellingshausen, Geschäftsführer des Verbands.

Kooperationen mit ausländischen Versandapotheken wie der Europa Apotheek Venlo gingen die Kassen ein, um ihren Mitgliedern das als legales Zusatzangebot zu offerieren, sagte von Dellingshausen. Wie Müller ergänzte, lehnen die Patienten mehrheitlich eine hundertprozentige Steuerung hin zu Versandapotheken durch die eigene Kasse ab. Hier können seinen Worten zufolge die Apotheken ihre Stärke ausspielen und das Grundbedürfnis des Kranken auf Kommunikation erfüllen. Wesentlich sei dabei das Herausfiltern der individuell benötigten Informationen im Gespräch vor Ort. Das könne keine Versandapotheken bieten.

Noch mehr Wettbewerb

Allerdings müssen die Pharmazeuten berücksichtigen, dass auch CDU-Politiker mehr Wettbewerb auf der Preisschiene bei Arzneimitteln wünschten. Preisregulierungen, auch durch die neue AMPreisV, seien ihnen ein Dorn im Auge. So zitierte Müller Passagen aus dem Papier der CDU "Mehr Wachstum durch mehr Wettbewerb", in dem ausdrücklich auf die Rabatte in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verwiesen wird, die den privaten Krankenversicherungen aus kartellrechtlichen Gründen verboten seien. Das Rationalisierungspotenzial des Arzneimarktes komme daher nur einseitig den GKV-Versicherten zugute, heißt es bei der CDU weiter. Dort liegt erheblicher Sprengsatz, so die Meinung des Vorstands und der Geschäftsführung des westfälischen Verbands.

Trendumkehr 

Durch Filialen mehr Apotheken

In Westfalen-Lippe werden häufiger als in anderen Regionen Deutschlands Filialapotheken gegründet. Ende Oktober dieses Jahres gab es hier 66 Filialapotheken, von denen jede vierte neu gegründet wurde. Das hat Horst-Lothar Müller vom Apothekerverband Westfalen-Lippe am 30. Oktober in Hamm erklärt. Dass die Zahl der Filialen weit über dem Bundesdurchschnitt liegt, nannte er erstaunlich. Exakte Erklärungen dafür liegen dem Verband nicht vor.

Vorstand und Geschäftsführung vermuten allerdings, dass in etlichen Fällen Apothekenleiter konkurrierende Offizinen in der Nachbarschaft aufkaufen und dann als Filiale weiterführen oder zum Teil wieder schließen. Dadurch wird der bisherige Trend sinkender Apothekenzahlen umgekehrt. Gab es am 1. Januar dieses Jahres 2215 Offizinen in Westfalen-Lippe, waren es im Oktober 2228, woraus 2162 Hauptapotheken resultieren. Westfalen-Lippe liegt nach Worten von Müller auch bei den Schließungen über dem Durchschnitt.

Neue Strategie der Industrie

Müller verwies in Hamm auf Reaktionen der pharmazeutischen Industrie auf die neue Arzneimittelpreisverordnung mit ihrem Fixum plus Zuschlag pro Packung. Etliche Hersteller stellten derzeit auf Jumbogrößen um. Insgesamt gingen die Packungszahlen zurück, auch wegen der abnehmenden Besuche in den Arztpraxen. Allein in Nordrhein-Westfalen sei die Zahl der Rezepte um 18,5 Prozent eingebrochen. Eine sinkende Zahl der Packungen bei verschreibungspflichtigen Medikamenten führe zu Ertragsverlusten in den Apotheken. Auf diese Gefahr habe der Apothekenverband Westfalen-Lippe bereits im Vorfeld der Debatte um die neue AMPreisV hingewiesen. Andererseits habe die Politik handeln müssen, da ansonsten ganze Gruppen von hochpreisigen Arzneimitteln nicht länger in den Offizinen geblieben wären.

Neues Angebot

Als neues Dienstleistungsangebot des Verbands kündigte dessen Vorsitzender eine Clearing-Stelle für die Hilfsmittellieferverträge an. Diese entscheide, ob ein Hilfsmittel oder Medizinprodukt genehmigungsfähig sei und unterstütze die Apotheken, die Genehmigung bei der richtigen Organisation einzuholen. Laut Müller ist das eine große Entlastung für die Offizinen, weil bisher die Abstimmungen durch Apothekenmitarbeitern mit Kassenangestellten sehr zeitraubend waren und PTA deswegen häufig lange im Handverkauf ausfielen. So könnte auch uneinheitlichem Vorgehen von Kassen entgegengewirkt werden. Dazu stockt der Apothekerverband seinen Etat auf. Dies wurde angenommen, ebenso der Rechnungsabschluss 2003, auch der Vorstand wurde einstimmig entlastet.

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