Recht aktuell

Naturkosmetik – gibt es Standards?

Von Irene Mahlein | Welche Erwartung hat der Verbraucher an als natürlich bezeichnete Produkte? Ist was drauf steht auch wirklich drin? Gibt es rechtlich verbindliche Standards, an denen sich die Verbraucher orientieren können? Bestehen Möglichkeiten für Verbraucher wie auch Unternehmen, die Bezeichnung Naturkosmetik anzugreifen? Ziel des folgenden Beitrages ist es, die vorstehenden aufgeworfenen Fragen zu erörtern und soweit als möglich einer Antwort zuzuführen. Dies wird jedoch soviel sei bereits vorweggenommen mehr den praktischen Umgang mit der Bezeichnung Naturkosmetik im Wege der Selbstverpflichtung von Hersteller- und Vertriebsseite zum Gegenstand haben als rechtliche Vorgaben.

Mit dem sich in den vergangenen Jahren immer stärker entwickelnden Bewusstsein für Umwelt und Gesundheit ist auch ein gesteigertes Verbraucherinteresse an naturbelassenen Waren zu beobachten. Demnach liegt auch so genannte Naturkosmetik im Trend: Im Jahre 2001 erwarb jede dritte deutsche Frau, vornehmlich im Alter zwischen 50 und 60, Kosmetika auf natürlicher Basis. Der Branchenumsatz stieg um rund 20%. Mittlerweile werden über 2000 verschiedene Erzeugnisse angeboten, wobei die Produktpalette von Reinigungs- und Pflegemitteln bis hin zu dekorativen Kosmetika reicht. Diese werden nicht mehr nur traditionell in Bioläden und Reformhäusern angeboten, sondern auch in Drogeriemärkten, Kaufhäusern und teilweise in Apotheken.

Maßgeblichkeit der Verbrauchererwartung

Die Vorstellung der Verbraucher ist zum einen Ausgangspunkt der Formulierung von Qualitätskriterien durch Naturkosmetikhersteller. Zum anderen ist das Verbraucherverständnis Grundlage der Bewertung, ob die Bezeichnung natürlich irreführend im Sinne des Wettbewerbsrechtes - also unwahr - ist und daher von Wettbewerbern und gegebenenfalls Verbrauchern angegriffen werden kann.

In der Herstellerbranche wird davon ausgegangen, dass sich der Verbraucher von Naturkosmetik eine milde, schonende und verträgliche Verschönerung und Pflege des menschlichen Körpers mittels Wirkstoffen aus der Natur erwartet. Dies schließt die Verwendung von synthetisch hergestellten Substanzen, vor allem von Konservierungsmitteln, aus. Ferner wird der Verbraucher von Naturkosmetik wohl auch erwarten, dass die Rohstoffe, aus denen diese Produkte hergestellt sind, Umwelt und Ressourcen schonend gewonnen und hergestellt werden sowie sparsam bzw. recycelbar verpackt sind.

In der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung wird zugrunde gelegt, dass der Verbraucher von einem natürlichen Produkt erwarte, dass das Erzeugnis zum weit überwiegenden Teil aus natürlichen, also in der Natur vorkommenden und nicht synthetisch hergestellten Bestandteilen besteht. Der Verbraucher habe die Vorstellung von nahezu völliger Chemiefreiheit (vergleiche OLG Nürnberg, Urteil vom 16.08.1988, AZ 3 U 4219/87, GRUR 1989 S. 28).

Rechtliche Rahmenbedingungen

Kosmetische Mittel sind auf europäischer Ebene in der Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel (ABl. L 262 vom 27.09.1976, S. 169) geregelt. Auf nationaler, deutscher Ebene finden sich Vorschriften insbesondere über die Zusammensetzung und die Etikettierung von kosmetischen Mitteln im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) vom 08.07.1993 (BGBl. I 1993 S. 1169) sowie in der Verordnung über kosmetische Mittel vom 16.12.1977 (BGBl. I 1977 S. 2589).

Für den Begriff Naturkosmetik gibt es jedoch in keiner dieser Rechtsquellen eine verbindliche Definition. 1993 hat die damalige Bundesregierung mit Vertretern der Bundesländer, der Wirtschaft und der Verbraucherschaft eine Empfehlung für die Anforderungen, die an Naturkosmetika zu stellen sind, formuliert. Danach sollten die Produkte ausschließlich aus Stoffen bestehen, die pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Ursprungs sind. Die Rohstoffe durften nur mittels physikalischer oder enzymatischer und mikrobiologischer Verfahren gewonnen und weiterverarbeitet werden. Die Empfehlung enthielt außerdem eine Liste der Konservierungsstoffe und Emulgatoren, die in Naturkosmetika verwendet werden durften.

Allerdings hat sich das Verständnis von Naturkosmetik seit der Empfehlung von 1993 weiterentwickelt. Insbesondere haben einige Verbände und Hersteller eigene Standards für Naturkosmetika erarbeitet (hierzu nachstehend). Gegenwärtig ist das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft bestrebt, die verschiedenen Anforderungen und Gütesiegeln zu vereinheitlichen, um dadurch insbesondere eine Irreführung der Verbraucher zu vermeiden. Wann mit einer derartigen Vereinheitlichung zu rechnen ist, ist gegenwärtig noch nicht absehbar; ganz zu schweigen von einer rechtverbindlichen Definition für Naturkosmetika.

Herstellerstandards und Gütesiegel

Mehr Transparenz bei Naturkosmetika soll gegenwärtig vor allem durch das Herstellerzeichen Kontrollierte Naturkosmetik des Bundesverbands Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflege e. V. (BDIH) geschaffen werden. Dem Verband gehören über 350 Hersteller und Vertreiber von Kosmetika, Nahrungsergänzungsmittel, diätetischen Lebensmitteln, frei verkäuflichen Arzneimitteln und Medizinprodukten an. Der BDIH hat eine Richtlinie erlassen, die den Begriff der Naturkosmetik entsprechend der Verbrauchererwartung sachlich und konkret definieren soll. Die Richtlinie beschreibt Mindeststandards für die Gewinnung und Verarbeitung der Kosmetikrohstoffe. Damit soll auch ein fairer Wettbewerb unter den Herstellern und Vertreibern von Naturkosmetika ermöglicht werden.

Weiterhin wird das Drei-Häuser-Logo von neuform Vertragswarenhersteller der Reformhäuser für Kosmetika vergeben, die die strenge Qualitätsrichtlinien neuform-geprüfter Produkte erfüllen. Dies sind ausschließlich Erzeugnisse, die sich durch einen möglichst hohen Grad an Naturbelassenheit, kosmetischer Wirksamkeit, Verträglichkeit, guten Gebrauchseigenschaften sowie Produktsicherheit auszeichnen.

Die Einhaltung der Kriterien der beiden vorerwähnten Labels wird jeweils durch ein neutrales Kontrollinstitut überprüft. Daneben ist ein besonderes Label des internationalen Herstellerverbandes gegen Tierversuche in der Kosmetik (IHTK) in Form einer schützenden Hand über einem Kaninchen auf dem Markt. Hierdurch werden Produkte ausgezeichnet, die ohne Tierversuche hergestellt werden. Dieses Label unterliegt den strengsten Kriterien und wird vom Deutschen Tierschutzbund e. V. mitgetragen.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt bei der Herstellung von Naturkosmetika ist nicht nur die Qualität der Rohstoffe an sich, sondern auch die Sozialverträglichkeit der Rohstoffgewinnung vor Ort, häufig in Ländern der dritten Welt. Um der Ausbeutung von Menschen und Produktion in Dritte-Welt-Ländern Einhalt zu gebieten, wurden in der Kosmetikbranche zahlreiche Fair Trade-Projekte ins Leben gerufen, die Absatzgarantien, marktgerechte Preise, höhere Löhne sowie Schulungsprogramme zum Gegenstand haben. Welche Unternehmen diese Fair Trade-Projekte fördern und in welchen Erzeugnissen Rohstoffe, die daraus gewonnen werden, verwendet wurden, ist leider nicht ausreichend gekennzeichnet. Es existiert allerdings ein Support Community Trade-Zeichen, welches auf allen Produkten erscheint, die Inhaltsstoffe aus einem der Hilfe-durch-Handel-Projekte enthalten.

Weiterhin dürfen sich Kosmetika bzw. Kosmetikrohstoffe, die aus kontrolliert biologischem Anbau stammen, mit dem Zusatz kbA auszeichnen. Der Begriff des ökologischen Anbaus, der zwischenzeitlich gesetzlich festgeschrieben wurde, besagt, dass bei der Pflanzung keine synthetischen Pestizide bzw. chemische Dünger, die häufig Rückstände in den Endprodukten hinterlassen, zum Einsatz gekommen sind. Auch die Einhaltung des Zusatzes kbA wird durch unabhängige Stellen regelmäßig kontrolliert.

Die Richtlinie des BDIH im Einzelnen

Erzeugnisse, die sich mit dem Lable des BDHI Kontrollierte Naturkosmetik auszeichnen dürfen, müssen mindestens folgenden Qualitätskriterien genügen:

  • Pflanzliche Rohstoffe sollen soweit als möglich aus kontrolliert biologischem Anbau oder kontrolliert biologischer Wildsammlung gewonnen werden.
  • Weder bei Herstellung noch bei Entwicklung oder Prüfung der Endprodukte dürfen Tierversuche durchgeführt oder in Auftrag gegeben werden.

Demnach dürfen Rohstoffe, die vor dem 1.1.1998 noch nicht auf dem Markt waren, nur dann verwendet werden, wenn sie nicht durch Tierversuche getestet worden sind. Hierbei gilt allerdings eine wesentliche Einschränkung: Tierversuche, die durch Dritte durchgeführt werden, die weder im Auftrag noch auf Veranlassung des Auftraggebers gehandelt haben, noch mit diesem gesellschaftsrechtlich oder vertraglich verbunden sind, bleiben dabei außer Betracht.

Tierische Rohstoffe müssen von lebenden Tieren gewonnen werden, beispielsweise Bienenwachs oder Wollwachs von Schafen. Hierbei soll der artgerechten Tierhaltung der Vorzug gegeben werden. Der Einsatz von Rohstoffen toter Wirbeltiere ist nicht gestattet, dies betrifft zum Beispiel

  • Walrat, Schildkrötenöl, Nerzöl, tierische Fette, tierisches Collagen und Frischzellen.
  • Mineralische Rohstoffe, wie beispielsweise Natriumchlorid sowie anorganische Salze, zum Beispiel Magnesiumsulfat, sind zur Herstellung von Naturkosmetika grundsätzlich gestattet. Als Farbstoffe sind beispielsweise Chlorophyll, Henna-Extrakte und Carotin erlaubt.
  • Verzichtet werden muss jedoch auf organisch- synthetische Farbstoffe, synthetische Duftstoffe, ethoxilierte Rohstoffe, Silikone sowie Paraffine und andere Erdölprodukte.
  • Emulgatoren dürfen für die Herstellung von Naturkosmetika nur dann verwendet werden, wenn sie durch chemische Verfahren (Hydrolyse, Hydrierung, Veresterung oder Umesterung) aus Naturstoffen wie Fette, Öle und Wachse, Leci-thine, Lanoline, Mono- und Polysaccharide sowie Proteine und Lipoproteine gewonnen werden.
  • Neben natürlichen Konservierungssystemen, wie beispielsweise Alkohole aus natürlicher Gärung, sind auch bestimmte naturidentische, jedoch synthetisch gewonnene Konservierungsmittel zugelassen (Benzoesäure, Salicylsäure, Sorbinsäure und Benzylalkohol).
  • Die radioaktive Bestrahlung zur Entkeimung von organischen Rohstoffen und kosmetischen Endprodukten ist nicht gestattet.

Kennzeichnungspflichten für Naturkosmetika

Auch Naturkosmetika unterliegen der in Deutschland geltenden Verordnung über kosmetische Mittel (KosmetikVO) und damit insbesondere den vorgeschriebenen Kennzeichnungspflichten. Alle Inhaltsstoffe müssen vollständig auf den Behältnissen, Verpackungen oder einem Beipackzettel aufgeführt werden. Gemäß § 5 a KosmetikVO sind die Bestandteile in abnehmender Reihenfolge ihres Gewichts zum Zeitpunkt der Herstellung des Kosmetikums anzugeben. Bestandteile mit einer Konzentration bis zu 1% im Erzeugnis können im Anschluss hieran ohne Beachtung einer bestimmten Reihenfolge aufgeführt werden. Farbstoffe können ebenfalls nach den anderen Bestandteilen mit ihren Colour-Index-Kennzahlen aufgelistet werden. Riech- oder Aromastoffe sowie ihre Ausgangsstoffe sind mit der Angabe Parfum, Parfüm oder Aromau kennzeichnen. Weitere, detaillierte Anforderungen an die Kennzeichnungspflicht sind der Kosmetikverordnung und ihren Anlagen zu entnehmen.

Blick aufs Etikett

Mangels rechtsverbindlicher Definition des Begriffes Naturkosmetik werden immer noch eine Vielzahl von Artikeln als natürlich angepriesen, obwohl sie überwiegend synthetische Rohstoffe enthalten. Letztendlich hilft dem Verbraucher nur ein Blick auf die Etikettierung des jeweiligen Produktes. Denn auch für Naturkosmetika gelten die allgemeinen rechtlichen Anforderungen an Kosmetika, das heißt, auch sie müssen nach der Kosmetikverordnung insbesondere ihre Zusammensetzung voll deklarieren.

Die Selbstverpflichtung von Kosmetikherstellern oder Vertreibern auf die Einhaltung bestimmter Qualitätskriterien und die damit einhergehende Auszeichnung ihrer Produkte mit bestimmten Labels kann dank der Prüfung durch unabhängige Kontrollinstitute sicherlich einen wertvollen Anhaltspunkt für die Natürlichkeit des Kosmetikums liefern. Allerdings werden Streitigkeiten hinsichtlich der Einhaltung der Selbstverpflichtungen häufig nur auf der jeweiligen Verbandsebene und lediglich im außergerichtlichen Streitverfahren, beispielsweise durch Schiedsgerichte oder Mediatoren erörtert. Vor staatlichen Gerichten ist Naturkosmetik daher meist nur unter dem Gesichtspunkt des unlauteren, insbesondere irreführenden Wettbewerbs angreifbar.

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