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Verwaltungsausgaben der Kassen (Was meinen Sie, Herr Ahrens?)

Die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen sind immer wieder Stein des Anstoßes, wenn es um Einsparungen im Gesundheitswesen geht. Wir fragten dazu Dr. Hans-Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands.
Foto: AOK
„Könnten die Verwaltungskosten nicht noch zu niedrig sein?“ – 
AOK-Vorstand Ahrens.

DAZ:

Bei den AOK sind die Verwaltungskosten im ersten Halbjahr dieses Jahres um 1,8 Prozent im Westen und um 3,9 Prozent in den neuen Bundesländern gemessen am Vorjahreszeitraum gestiegen. Müssen die Krankenkassen angesichts der angespannten Finanzlage der GKV nicht selbst mit gutem Beispiel vorangehen und nach Einsparungen in ihrem eigenen Bereich suchen?

Ahrens:

Die Zahlen des ersten Halbjahres geben noch keine solide Erkenntnis über die Entwicklung der Verwaltungskosten im Gesamtjahr 2004. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es bei einigen AOKs im letzten Jahr eine erhebliche Verringerung der Verwaltungskosten z. B. durch zeitlich befristete Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich gegeben hat, die in diesem Jahr nicht fortgesetzt werden kann. Die Steigerungsraten 2004 werden hierdurch statistisch beeinflusst.

Im Übrigen verlangt der Wettbewerb unter den Kassen von jeder Kasse, möglichst effizient zu wirtschaften. Das gilt natürlich auch für den Bereich der Verwaltungskosten. Nun kann es durchaus sinnvoll sein, Verwaltungskosten einzusetzen, um z. B. durch bessere Betreuung von Krankengeldempfängern Leistungsausgaben zu sparen. Die von Ihnen genannten Zahlen geben daher keine eindeutige Auskunft, ob eine Kasse insgesamt besser gewirtschaftet hat. Die isolierte Betrachtung einer Kostenart – hier der Verwaltungskosten – macht eben keinen Sinn.

Außerdem wäre noch zu unterscheiden zwischen Ausgabenänderungen pro Mitglied oder absolut. So sind z. B. die Verwaltungskosten der AOK 2003 gegenüber 2002 absolut nur um 0,84% gestiegen, je Versichertem um 2,31%. Hier wirkt sich der Mitgliederrückgang aus. Und da meist Mitglieder wechseln, die keine Leistungen in Anspruch nehmen und z. B. auch keine Anträge auf Zuzahlungsbefreiung gestellt haben, wird der Arbeitsaufwand für die Kassen durch den Mitgliederrückgang nicht automatisch weniger.

DAZ

Muss der Anteil der Netto-Verwaltungskosten an den Gesamtausgaben der GKV mit 5,4 Prozent bundesweit so hoch sein? Seit 1991 sind die Verwaltungskosten der Kassen kontinuierlich gestiegen und haben sich 2003 auf 8,04 Milliarden Euro summiert.

Ahrens:

Könnte der Verwaltungskostenanteil nicht noch zu niedrig sein, weil die Kassen zu wenig Personalkapazität haben, um all die Unwirtschaftlichkeiten im Bereich der Leistungserbringung aufzuspüren und abzustellen? Hier hilft ein Blick zur Konkurrenz: Die private Krankenversicherung nennt für 2003 rund 800 Mio. Euro Verwaltungskosten sowie 2250 Mio. Euro Verwaltungskosten für Abschlußkosten incl. Provision. Das sind insgesamt 3050 Mio. Euro Verwaltungsaufwand bei Leistungsausgaben von gerade einmal 15 320 Mio. Euro. Die gesetzliche Krankenversicherung bietet also deutlich mehr Leistungen und Service zu wesentlich günstigeren Konditionen als die private Krankenversicherung.

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Was unternehmen die AOK konkret, um die Verwaltungskosten in ihrem Bereich zu senken, die laut GKV-Modernisierungsgesetz eingefroren sind und im gesamten Jahr nur um 0,17 Prozent zulegen dürfen?

Ahrens:

Zur Begrenzung der Verwaltungskosten haben alle AOK bereits seit Jahren im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten Personalanpassungsmaßnahmen eingeleitet, die zu spürbaren Erfolgen geführt haben: Hierdurch konnte der Personalbestand – bezogen auf Vollbeschäftigteneinheiten – seit 1996 bundesweit um rd. 19% (AOK West – 14%, AOK Ost – 33%) verringert werden. Diese Maßnahmen werden auch im laufenden Jahr fortgesetzt. Hierzu gehören insbesondere individuelle und kollektive Formen der Arbeitszeitverkürzung, Teilzeitinitiativen, Altersteilzeit, Outsourcing, unbezahlte Freistellungen, befristete Neueinstellungen, keine Neueinstellungen im Rahmen der Fluktuation.

In einzelnen AOK kommt es auch zu betriebsbedingten Kündigungen. Ebenso wurde der Zulagentarifvertrag für Urlaubs- und Weihnachtsgeld gekündigt. Auch im Bereich der Sachkosten werden strenge Kostenbegrenzungen vollzogen: Hierzu gehören insbesondere Schließungen von Geschäftsstellen, Änderungen in der Organisationsstruktur, Budgetkürzungen bei Geschäftsbedarf, Reisekosten, Literatur, Fuhrpark und Werbung etc.

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Das Bundesgesundheitsministerium hat mit Krankenkassen und der Gewerkschaft Verdi eine Ausbildungsplatzoffensive gestartet, damit die Kassen mehr Auszubildende einstellen. Weil das Geld kostet, dürfen die Verwaltungskosten steigen. Ist das der richtige Weg, da es sich um eine gesellschaftspolitische Aufgabe handelt, die – wenn überhaupt –ūvon allen Bürgern über Steuern und nicht nur von den GKV-Versicherten gezahlt werden sollte?

Ahrens:

Richtig ist, dass es sich um eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe handelt, jungen Menschen den Weg in die Ausbildung zu ebnen. Hiervon müssen sich alle Arbeitgeber, auch die Krankenkassen, angesprochen fühlen. Die AOK hat diese Herausforderung angenommen. Schlimmer als eine entsprechende Belastung der Verwaltungskosten wäre, wenn junge Menschen den Start in das Berufsleben mit Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit beginnen müssten.

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