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Telematik: Weiter Streit um elektronische Karte

BERLIN/MÜNCHEN (im). Die Vereinbarung von Ärzten, Apothekern, Kliniken und Krankenkassen zur elektronischen Gesundheitskarte ist noch nicht wie geplant unter Dach und Fach. Weil die Krankenkassen in der wichtigen Frage, ob sie vor dem Apotheker an das Arzneimittelrezept gelangen, den zuvor abgestimmten Entwurf unsauber ausformulierten, verweigerten Apotheker, Ärzte, Zahnärzte und Klinikvertreter ihre Unterschrift zum Konzept, das die Kassen ihnen überdies viel zu spät vorgelegt hätten.

Bis zum 30. September waren die Beteiligten aufgefordert, dem Bundesgesundheitsministerium Vorschläge zu unterbreiten, wie die elektronische Gesundheitskarte funktionieren soll. Zu Wochenbeginn war noch unklar, ob das Bundesgesundheitsministerium per Ersatzvornahme die Dinge selbst in die Hand nehmen will oder der so genannten Selbstverwaltung eine längere Frist zur Einigung einräumt. Die Beteiligten reden allerdings nur von einer Vertagung, an dem Start der Karte im Jahr 2006 wollen alle festhalten.

Sorgfalt vor Schnelligkeit

"Sorgfalt geht vor Schnelligkeit", erklärten Ärzte, Apotheker und Kliniken übereinstimmend am 29. September in Berlin. Da die Krankenkassen zum Teil erst einen Tag zuvor ihre Version übermittelten, habe die Zeit für die eingehende Prüfung sämtlicher Materialien gefehlt. Darüber hinaus gebe es noch zu viele offene Fragen, hieß es. Ihre Version, an der sich der Streit entzündete, reichten gesetzliche und private Krankenversicherungen am 30. September ohne die Unterschriften von Ärzten und Apothekern im Ministerium ein.

Kassenzugriff ja oder nein?

Dr. Frank Diener von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) erläuterte am 30. September während der Hauptversammlung auf dem Deutschen Apothekertag im Beisein von Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder die zwei Knackpunkte, die die Unterschriften von Apothekern und Ärzten unmöglich gemacht hätten. Im September hatten sich die Beteiligten als Kompromiss darauf geeinigt, dass es bei der Datenübermittlung die Server- und die Kartenlösung geben soll. Dieser Kompromiss beinhaltete laut Diener auch die technische Lösung, die es den Krankenkassen verwehrt, Arzneimitteldaten vor den Apothekern zu erhalten. Der so genannte asymmetrische Schlüssel erlaubt dem Arzt, ein elektronisches Rezept an einen Server zu schicken, von dem es der Apotheker "abholt", ohne dass der Serverbetreiber oder Kassen Daten sammeln und steuern können.

Nachdem sich die Beteiligten in dieser wichtigen Frage geeinigt hatten, so Diener weiter, hatten die Kassen zugesagt, diese technische Lösung in den Entwurf einzuarbeiten. Das sei jedoch nicht geschehen. Vielmehr sei der symmetrische Schlüssel aufgeführt, so dass zum Beispiel der Betreiber des Server den Adressaten eines Rezepts, den Patienten also, kenne.

Wie ABDA-Geschäftsführer Diener mit Nachdruck sagte, wollen aber weder Apotheker noch Ärzte, dass auf der Wegstrecke zwischen beiden Heilberuflern die Daten des Patienten und seine Verordnungen Dritten – beispielsweise Krankenkassen – bekannt werden. Die gesetzlichen Kassen und privaten Krankenversicherungen als Kostenträger sollten erst hinterher für die Abrechnung die notwendigen Daten erhalten. Das sei auch der Konsens gewesen, den die Kassen allerdings unkorrekt in ihrer Version umgesetzt hätten. In Apothekerkreisen wird befürchtet, dass anderenfalls Kassen entgegen ihrer Verlautbarungen doch Patientendaten zusammenführen oder Verschreibungen vor der Abgabe an den Patienten steuern möchten.

Weiterer Knackpunkt

Apotheker, Ärzte und Klinikvertreter enthielten ihre Unterschriften aber auch noch wegen des zweiten Knackpunkts vor, des Transportwegs für das elektronische Rezept. Im Kassenentwurf werde allein die Online-Übermittlung (die Server-Lösung) genannt, während man sich zuvor auf beide Alternativen – Serverlösung und Karte als Speichermedium – geeinigt habe, was auch das Bundesgesundheitsministerium befürworte. Laut ABDA-Geschäftsführer Diener haben Apotheker und Ärzte die 1100-Seiten starke Version der Kassen teils erst am 28. September erhalten und nicht genügend Zeit zur Sichtung gehabt. Da allein die zwei genannten wichtigen Punkte fehlerhaft umgesetzt waren, sei angesichts der Fülle der Materialien die Gefahr zu groß gewesen, dass auch weitere Maßnahmen nicht wie besprochen ausformuliert sind.

Appell des Staatssekretärs

Staatssekretär Schröder nannte in München den Hinweis auf die zu knappe Zeit allerdings "nicht überzeugend". Angesichts der großen Bedeutung der Karte müssten Partikularinteressen zurückgestellt werden. Das Projekt sei nur umzusetzen, wenn alle das Gemeinwohl in den Vordergrund stellten. Angesichts der Größe des IT-Projekts elektronische Gesundheitskarte müsse auch das Bild der Deutschen im Ausland bedacht werden, es gehe darum, ob ein solch ambitioniertes Vorhaben bei uns fristgerecht umgesetzt werden kann. Apotheker, Ärzte und Klinikvertreter erklärten unterdessen in Berlin gemeinsam ihre Bereitschaft, weiterhin an dem Projekt zu arbeiten. Sie forderten aber eine technisch fundierte Grundlage, sonst seien "alle Lösungsvorschläge von heute schon morgen wieder Makulatur", hieß es.

Schwarzer-Peter-Spiel?

Zuvor hatten GKV und PKV versucht, Ärzten und Apothekern den Schwarzen Peter für die Verzögerung zuzuschieben. Ihrer Ansicht nach haben sich die Leistungserbringer "verweigert". Schließlich seien die wesentlichen Unterlagen bereits am 23. September und somit rechtzeitig versandt worden. Dass die Krankenkassen ihren umstrittenen Entwurf ans Ministerium weitergaben, ist insofern verwunderlich, da auch in Kassenkreisen intern noch offene Fragen bemängelt wurden. In einem internen Vermerk, der der "Deutschen Apotheker Zeitung" vorliegt, riet daher die Fachebene des AOK-Bundesverbands ihrem Vorsitzenden, dem Papier noch nicht zuzustimmen, da die Vorlage in sich nicht konsistent sei.

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