Die Seite 3

Die Hütte brennt ...

Klaus G. Brauer

... die ABDA pennt. Mag sein, dass der eine oder andere diesen polemischen Vorwurf nach wie vor für durchaus berechtigt hält. Derzeit aber trifft das nicht den Kern. Mein Eindruck: die Spitzen unserer Berufsvertretung wissen sehr wohl, was die Stunde geschlagen hat. Aber sie halten sich zurück. Sie warten ab, beschwichtigen und sparen aus. Sie beschönigen und wiegeln ab. Jedenfalls in der Öffentlichkeit. Wollen sie die "Basis" nicht beunruhigen? Oder steckt mehr dahinter?

Wo zum Beispiel waren auf dem Apothekertag die flammenden Reden gegen jene cleveren Geschäftemacher, die keck "avi(e)"sieren, dass sie Apotheker als Franchisenehmer suchen? Es ist kaum zu übersehen, dass damit wieder einmal die Elastizität des Apothekenrechts ausgetestet wird. Von dort bis zur Aufhebung des Fremdbesitzverbotes ist der Weg nicht mehr weit. Darauf hoffen jedenfalls einige, auch einige unserer Marktpartner. Hat die ABDA-Spitze vergessen, ihren Beitrag im Verein für deutliche Aussprache zu zahlen? Wir warten.

Eine klarere Positionierung als auf dem Apothekertag ist von der ABDA in absehbarer Zeit auch in Sachen Verblisterung einzufordern. Das ist ein heißes Eisen mit vielen Facetten – fachlichen, pharmaökonomischen, logistischen, rechtlichen. Der Markt für Re- und Parallelimportarzneimittel läuft wohl derzeit nicht mehr so, wie Marktführer Kohlpharma es sich wünschen würde. Er will deshalb in großem Stil ins Verblisterungsgeschäft einsteigen (DAZ Nr. 37 vom 9. September). Ob dabei alle (guten) Argumente, die gegen die Verblisterung auf Apothekenebenen sprechen, weiter gelten oder ob (sogar) weitere Argumente hinzukommen, ist zu prüfen. Klar ist allerdings schon jetzt: verkohlen lassen darf sich die ABDA nicht, sie muss Stellung beziehen.

Auch im Rückblick auf das am 1. Januar 2004 in Kraft getretene GKV-Modernisierungsgesetz scheint die ABDA eher auf Beschwichtigung zu setzen. Die Themen der vergangenen, verlorenen Schlachten scheinen weitgehend abgehakt. Solche Appeasement-Politik birgt Risiken – das sollten uns historische Bespiele lehren. Wer (und sei es nur scheinbar) den Kopf hängen lässt, reizt zu (weiteren) Nackenschlägen. Auch wenn die Regierung anderes zunächst einmal durchgesetzt hat, darf eine Berufsvertretung richtige Argumente nicht einfach einmotten, also aus dem öffentlichen Diskurs nehmen. Das gilt insbesondere, wenn Effekte eingetreten sind, die (angeblich) so gar nicht gewollt waren oder wenn die Regierung mit gezinkten Karten gespielt hat.

Da ist zum Beispiel die Zusicherung der Ministerin am "Runden Tisch", sie wolle den Versandhandel, aber sie wolle auch, dass dabei Präsenzapotheken und Versandapotheken im Wettbewerb mit gleich langen Spießen gegeneinander antreten können. Es ist versäumt worden, zumindest aber misslungen, diese Zusicherung im Gesetz klipp und klar zu verankern. Noch in der "Nacht der Entscheidungen" (vom 20. auf den 21. Juli 2003), die als Seehofers schönste Nacht in die Geschichte eingegangen ist, wäre das dem Vernehmen nach möglich gewesen.

Es blieb aus – und so konnte das Oberlandesgericht Hamm seine (zu kritisierende, aber jedenfalls vorläufig geltende) Entscheidung fällen; danach können sich ausländische Versandapotheken über Bestimmungen des Sozialgesetzbuches wie die Zuzahlungsregelungen und auch über die in Deutschland verbindlichen Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung hinwegsetzen – obwohl es um deutsche Versicherte geht und obwohl deutsche Krankenkassen involviert sind. Das verschärft die ohnehin inakzeptable Wettbewerbsbenachteiligung der inländischen "Präsenzapotheken". Ob es sinnvoll ist, dagegen primär juristisch vorzugehen, ist eine ernst zu nehmende Frage. Politisch müssen aber in jedem Fall alle Anstrengungen unternommen werden, diesen Konstruktionsfehler im Gesetz zu beseitigen.

Das Gleiche gilt auch für die Frage, für welche Arzneimittel der Versandhandel erlaubt bleiben soll. In Erwartung einer gleichlautenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hat der deutsche Gesetzgeber (im vorauseilenden Gehorsam) den Versand aller Arzneimittel erlaubt. Zwingend war das nach der Entscheidung des EuGH vom Dezember letzten Jahres aber nur für die risikoärmeren nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel.

Welche Anstrengungen unternimmt die ABDA eigentlich, der Politik Argumente dafür zu liefern, dass die risikoreicheren verschreibungspflichtigen Arzneimittel (nicht nur die Betäubungsmittel) generell und durchaus EuGH-konform von der Aufhebung des Versandhandelsverbotes weiterhin ausgeschlossen bleiben sollen – und dass das GMG zumindest über seine Ausführungsbestimmungen in diesem Sinne präzisiert werden kann? Oder hat sich unsere Berufsvertretung einschüchtern lassen von Hinweisen, ein Zurückdrehen der Regelungen des GMG sei ohnehin nicht mehr möglich?

Klaus G. Brauer

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