DAZ aktuell

Kommentar: Selbstverwaltung nicht abschaffen

Der Frust dauerhaft erkrankter Patienten ist verständlich. Gut drei Wochen ist das Reformgesetz in Kraft, und viele von ihnen wissen nicht, wie viel sie künftig an Zuzahlungen leisten müssen und ob sie überhaupt als chronisch Kranke - im Sinne des Gesetzes - gelten. Erst für den heutigen Donnerstag steht die Konkretisierung zu erwarten, der Vorsitzende des zuständigen gemeinsamen Bundesausschusses, Dr. Rainer Hess, hat sie in Aussicht gestellt.

Für viele dürfte die Definition, wer zu den Chronikern gehört, eine negative Überraschung bringen. In den vergangenen Tagen kamen in unzähligen Fernsehberichten und Artikeln beispielsweise Diabetiker zu Wort. Nur, Patienten mit leichtem Altersdiabetes zum Beispiel sollen gar nicht zum Kreis der Chroniker - im Sinne des Gesetzes - gehören, das wird voraussichtlich bei insulinpflichtigen Diabetikern anders aussehen. Es ist an schwere dauerhafte Erkrankungen wie Mukoviszidose gedacht.

In diesen Tagen ist der Bundesgesundheitsministerin unter die Nase gerieben worden, sie sei für das Chaos und die Verunsicherung rund um Praxisgebühr oder Zuzahlungen verantwortlich. Stimmt dies? Ministerin Ulla Schmidt hat das unsägliche Gesundheitsmodernisierungsgesetz im Herbst durchs Parlament gebracht, das ist richtig. Anschließend waren Ärzte und Krankenkassen im Bundesausschuss für die konkrete Umsetzung in die Praxis gefordert, die ominöse Selbstverwaltung also.

Ulla Schmidt, dünnhäutig geworden, will die aktuellen Probleme auf die Ärzte und Kassen schieben, sie wären an der derzeitigen Verunsicherung schuld. Nur - die Selbstverwaltung hatte einen Entwurf formuliert, wer etwa als Chroniker gelten sollte. Schmidt kassierte diese Fassung, die sie für zu eng hielt, ein. Ärzte und Kassen hatten also vorgearbeitet, sie geben den Ball prompt zurück. Wenn die Ministerin ein so restriktives Gesetz wie das GMG erlasse, sei es nicht ihre Aufgabe, das sozialverträglich abzufedern.

Ulla Schmidt hat das GMG so gestrickt, wie es ist, sie hätte dem Bundesausschuss Beine machen sollen, sprich Fristen setzen müssen, damit am ersten Januar alles parat gewesen wäre, auch nach einer eventuellen Verzögerung wie durch zurückgewiesene Entwürfe zur Nachbesserung. Dass die Ministerin hier nicht ihrer Verantwortung gerecht geworden ist, diesen Vorwurf muss sie sich gefallen lassen.

Dass Ärzte und Kassen sich im Übrigen nie schnell einigen, liegt an ihrer unterschiedlichen Sichtweise der Dinge. Mag sein, dass es viel Klein-Klein und Hick-Hack bei der Umsetzungsarbeit gegeben hat. Aber die Selbstverwaltung abschaffen, wie Schmidt jetzt androht? Sollen Politiker und Beamte des Gesundheitsministeriums am grünen Tisch festlegen, wie die Praxis auszusehen hat? Das wäre eine Alternative, und in meinen Augen die schlechtere. Es wäre der Schritt in Richtung Staatsmedizin. Ulla Schmidt überzieht mit ihrer Forderung nach Abschaffung der Selbstverwaltung von Ärzten und Kassen.

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