Apotheken in USA

Ein Besuch bei Walgreens

Von Peter Ditzel, News Orleans | Chain-Pharmacy – Kettenapotheke. Bei einem Besuch der USA sollte man als deutscher Apotheker auf jeden Fall eine der typischen Filialen von Kettenapotheken aufsuchen. Die großen Kettenmarken wie Eckert Rx, Rite Aid oder Walgreens sind im Stadtbild und den Einkaufsstraßen nicht zu übersehen. Man sollte sich mit diesen Eindrücken unbedingt konfrontieren, um sich sein eigenes Bild davon zu machen. Denn immer wieder tönen Politiker, aber auch Apotheker selbst, dass dies in nicht allzu weiter Ferne auch Realität in Deutschland werden könnte. Im Rahmen des Kongresses des Weltapothekerverbandes (FIP) Anfang September in New Orleans bestand Gelegenheit, eine typische Kettenapotheke kennen zu lernen und hinter die Kulissen eines solchen Betriebs zu schauen.
Fotos: DAZ / diz
Wenn Sie in den USA weilen: Besuchen Sie die Filiale eine Apothekenkette, zum Beispiel Walgreens. Der Service, in einer Stunde Fotoabzüge von Filmen oder Digitalpeichern zu bekommen („1 Hr Photo“), ist üblich.

Das Organisationskomitee der FIP ermöglichte den Teilnehmern des Kongresses den Besuch einer neu eröffneten Filiale der Walgreens-Kette. Die Apotheke bzw. der Drugstore befindet sich etwa 20 Meilen außerhalb von New Orleans in einem Vorort. Für den, der noch nie die Filiale einer amerikanischen Kettenapotheke besucht oder gesehen hat oder sich mit einer solchen beschäftigt hat, hier eine kleine Beschreibung einer solchen Filiale. Die Filialen einer Kette sind im Prinzip immer nach dem gleichen (Marketing-)Schema aufgebaut. Nach dem Betreten einer solchen "Apothekenfiliale" wird man zunächst nichts von einer Apotheke feststellen, wie man sie von Deutschland her kennt.

Wenn man sich in den Drugstores zu dieser Wand mit der Aufschrift „Pharmacy“ vorgekämpft hat, dann weiß man: hier ist die eigentliche Apotheke, hier erhält man Verschreibungspflichtiges (Rx).

Auf einer Grundfläche von 2000 bis 3000 und mehr Quadratmetern präsentieren sich dem Kunden viele Meter Regalstraßen, gefüllt mit allerlei nur denkbaren Waren und Produkten, nur keine Arzneimittel: von gekühlten Getränken in Kühlschränken, den in den USA unvermeidlichen Kartoffelchips in tausend Variationen, Lebensmittel des täglichen Bedarfs bis hin zu fast allen Waren aus dem Non-Food-Bereich wie z. B. Glühbirnen, Videokassetten, Waschmittel, Drogerieartikel und Zigaretten. Das ist das typische Angebot eines Drugstores.

Hat man die ersten Regalmeter hinter sich gelassen, stößt man in ein bis zwei Reihen des Drugstores auf das vertraute Bild von OTC-Arzneimittelpackungen – frei zugänglich für jedermann, bestens eingeräumt und platziert nach Category-Management-Gesichtspunkten und Abverkaufsanalysen. Es sind Arzneimittel, die bei uns in keinem Fall in der Freiwahl zu finden sind, allenfalls in der Sichtwahl: Aspirin, Ibuprofen und Paracetamol, hoch wirksame Magenmittel, Präparate für HNO-Erkrankungen, Aufbaupräparate, Nahrungsergänzungsmittel, Präparate für die Wechseljahre und vieles mehr.

Großer Bedarf an Apothekern 

Die Chancen, als Apotheker/Apothekerin einen Arbeitsplatz in einer (Ketten-)Apotheke der USA zu finden, sind mehr als gut. So gibt es in den Vereinigten Staaten nach offiziellen Angaben derzeit über 4100 offene Stellen. Auch für die nächsten Jahre wird ein großer Bedarf an Pharmazeuten prognostiziert. Im Jahr 2002 besetzten Apotheker etwa 230 000 Stellen. Etwa 62% davon arbeiten in öffentlichen Apotheken (Kettenapotheken, unabhängigen Apotheken), etwa 22% in Krankenhausapotheken, der Rest in Kliniken, Versandapotheken, beim Großhändler, bei Behörden und Versicherungen.

Das Einkommen eines Pharmazeuten, der in einer Kettenapotheke angestellt ist, liegt im Bereich zwischen 66 000 und 87 000 Dollar pro Jahr. Der Durchschnittsverdienst im Jahr 2002 betrug 77 000 Dollar pro Jahr.

Freiwahl (!)-Regal in einerm Drugstore: zum Beispiel Aspirin, Ibuprofen und Paracetamol in allen Größen, Formen und Stärken.

Erst wenn man auch diese Regalmeter mit dem großen Freiwahlangebot an OTC-Arzneimitteln hinter sich gelassen hat, stößt man auf eine Wand mit mindestens zwei Fenstern ähnlichen Schaltern. An dieser Wand prangt das Wort Pharmacy, über den Fenstern die Worte Check out und Pick up. Es ist die Stelle eines Drugstores, wo der Kunde seine verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die er verordnet bekommen hat, einlösen und abholen kann. Beim Check out-Fenster gibt er sein Rezept ab, am Pick up-Schalter holt er nach einer Wartezeit die zusammengestellten Arzneimittel ab.

Während der Wartezeit kann er seine Besorgungen im Drugstore erledigen. Auffällig groß hängt über einem Ausgabefenster der Hinweis "Consultation". Hier bekommt der Kunden jederzeit Beratung. Ausdrücklich wird auf einem Schild darauf hingewiesen, dass das pharmazeutische Personal sehr gerne berät, auch zu Arzneimitteln im Freiwahlbereich.

Ausschnitt aus dem Warenlager einer Kettenapotheke: keine Originalpackungen, die an den Kunden abgegeben werden, sondern nur Packungen, aus denen ausgeeinzelt wird.

Back office

Wir dürfen hinter die Kulissen schauen und betreten durch eine Tür neben den Schalterfenstern den "Back Office"-Bereich der Apotheke. Was auffällt: keine für Deutschland typischen Schubladenschränke, keine Ziehschränke, in denen das Arzneimittellager untergebracht ist. Den größten Teil des Bereiches der eigentliche Apotheke nehmen einfache Regale ein, in denen Arzneimittelpackungen aller Art stehen – für deutsche Verhältnisse nicht allzu viel an der Zahl.

Der Grund: in amerikanischen Apotheken erhält der Patient seine verschriebenen Arzneimittel nicht in der Originalpackung, sondern der Apotheker dispensiert aus größeren Gebinden und Packungen die vom Arzt verordneten Teilmengen auf die Tablette genau. Das Warenlager der Apotheke schrumpft daher auf nur wenige Packungen zusammen. Für die Arzneimittel, die besonders häufig verordnet werden (Schnelldreher), befinden sich drei bis vier Regalbretter in der Nähe des Dispensiertisches. Dies hat den Vorteil, dass der Apotheker oder die pharmazeutische Assistentin keinen Weg zu den Regalen zurücklegen muss, um die gewünschten Arzneimittel zu holen, sondern mit einem Griff die entsprechende Packung zur Verfügung hat.

So werden Arzneimittel aus den Vorratspackungen dispensiert: aufs Dispensierbrettchen schütten, die verordnete Menge abzählen und in einer Röhrchen füllen.

Auf einem kleinen Dispensier-Brettchen werden die benötigten Arzneimittel aus einer größeren Packung schnell abgezählt, in ein kleines Kunststoffröhrchen geschüttet, verschlossen und etikettiert. Während des Dispensiervorgangs druckt ein Computer das Etikett aus und einen für deutsche Verhältnisse relativ knapp gehaltenen Beipackzettel, nachdem das Rezept vorher in der EDV-Anlage erfasst worden war. Außerdem wird eine Verbindung zum Rechner der Krankenkasse aufgebaut, die die Arzneimittelverordnung genehmigen und ihr O.K. für die Belieferung geben muss, gleichzeitig der Apotheke übermittelt, wie hoch die Zuzahlung für den Patienten in seinem jeweiligen Versicherungsprogramm ist. Nachdem das abgefüllte Arzneimittel mit der Vorratspackung und der Verordnung auf dem Rezept verglichen und gegengecheckt wurde, außerdem mögliche Interaktionen abgefragt wurden, kann der Patient sein Arzneimittel am Ausgabeschalter in Empfang nehmen. Dort wird er, falls er es wünscht, beraten.

Eine Rezeptur und ein Labor beschränken sich in einer solchen Apotheke auf ein kleines Schränkchen, in dem ein Messzylinder und ein Mörser untergebracht sind. Rezepturen in unserem Sinne kommen so gut wie nicht mehr vor. Auch eine pharmazeutische Bibliothek oder zumindest pharmazeutische Literatur sucht man in solchen Apotheken vergeblich. In der von uns besuchten Apotheke waren lediglich drei dicke Telefonbücher zu sehen, aber kein Arzneibuch.

Ohne Rechner läuft nichts

Auf die Frage, wie sich denn der Apothekenleiter und das pharmazeutische Personal über pharmakologische Fragen, über das Arzneimittel selbst, über Interaktionen und weitere pharmazeutische Fragen informieren, verwies man stolz auf das Computersystem, mittels dessen man online Zugang hat auf eine zentrale Datenbank dieser Apothekenkette und von dort entsprechende Informationen relativ zügig abrufen kann.

Im Gespräch mit dem leitenden Apotheker erfuhren wir, dass eine Fortbildungs- und Weiterbildungskultur, wie sie in Deutschland zu finden ist, in den USA nicht vorhanden ist. Fortbildung geschieht zum einen auf Symposien und Kongressen, die in erster Linie von der Pharmaindustrie gesponsert und angeboten werden. Die allgemeine Fortbildung erfährt der Apotheker, so er denn möchte, aus Fachzeitschriften und natürlich aus der ständig aktualisierten EDV, aus der er die benötigten Informationen über Arzneimittel entnehmen kann.

Das lieben Amerikaner: einkaufen ohne das Auto zu verlassen. Viele Drugstore-Filialen haben einen Autoschalter, eine „Drive Thru Pharmacy“.

Die von uns besuchte Walgreens-Apotheke hatte zusätzlich einen "Drive thru'"-Schalter aufzuweisen, einen Autoschalter. Hier fahren Patienten mit dem Auto vor, geben ihr Rezept ab, fahren weiter, um in den in der Nähe liegenden Geschäften Besorgungen zu machen, und kommen nach einiger Zeit wieder, um ihre Arzneimittel abzuholen. Für den Drugstore-Bereich und die OTC-Arzneimittel ist ein "Store-Manager" verantwortlich, für den Apothekenbereich ein "Pharmacist" mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium. Das Gehalt für einen Filialapotheker liegt bei durchschnittlich 60 000 bis 70 000 Dollar/Jahr.

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