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Reform der staatlichen Studienförderung (Was meinen Sie, Herr Pfannkuche?)

Vor genau 33 Jahren trat das Ausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in Kraft. Nachdem das System der staatlichen Geldzuwendungen an sozial schwache Studierende mehrmals geändert worden war, halten viele Bildungspolitiker es nun für endgültig überholt: So will der Hamburger Wissenschaftssenator Jörg Dräger stattdessen ein System zinsgünstiger Kredite einführen. Wäre dies ein konstruktiver Beitrag zur Hochschulreform?
Matthias Pfannkuche studiert in Frankfurt 
Pharmazie und ist Präsident des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden 
in Deutschland e.V. (BPhD).

Pfannkuche:

Eine sichere Studienfinanzierung ist für die Anforderungen der modernen Wissensgesellschaft unerlässlich. Es geht dabei nicht nur um den ethischen Aspekt der Chancengleichheit, sondern auch um den volkswirtschaftlichen Nutzen, den die breitere Aktivierung des Bildungspotenzials in der Bevölkerung mit sich bringt. Der soeben veröffentlichte Bildungsbericht der OECD hat ergeben, dass Deutschland diesbezüglich im internationalen Vergleich weiter zurückfällt.

Der Anteil der Studierenden ist stark unterdurchschnittlich, und er würde beim Wegfall der BAföG-Förderung wahrscheinlich noch weiter sinken. Derzeit erhält etwa jeder fünfte Studierende in Deutschland BAföG-Zahlungen; die Rückzahlung der Fördersumme ist auf maximal 10 000 Euro, zinsfrei, begrenzt. Zinsgünstige Kredite, die vollständig zurückgezahlt werden müssen, wären für die meisten BAföG-Empfänger keine akzeptable Alternative. Wenn jemand weiß, dass nach dem Studium ein Schuldenberg von über 20 000 Euro auf ihm lasten wird, ermutigt ihn das nicht gerade, das Studium überhaupt zu beginnen.

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Drägers Modell sieht vor, dass jeder Studierende ein zinsgünstiges Darlehen beantragen kann. Einerseits wird die Zahl der Bedürftigen wachsen, weil ja auch Studiengebühren von ca. 1000 Euro pro Jahr fällig werden sollen. Andererseits soll die Studienförderung "elternunabhängig" sein. Jeder soll die Chance haben, nach eigenem Ermessen ohne familiäre Zwänge in seine Ausbildung zu investieren. Entspräche dies nicht den Wünschen der meisten Studierenden?

Pfannkuche:

Prinzipiell ist es ein Vorteil des Darlehensmodells, dass alle Studierenden ein solches Darlehen beantragen können. Die Reformen, die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehen, bewertet der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) jedoch negativ. So lehnt der BPhD Studiengebühren für ein Erststudium kategorisch ab, da sie den Schuldenberg der Studierenden erhöhen und – wie bereits gesagt – viele finanziell nicht so gut gestellte vor einem Studium zurückschrecken lassen würden. Ein Studium muss aber allen gesellschaftlichen Schichten möglich sein, und zwar nicht nur auf dem Papier.

Was die "Elternunabhängigkeit" betrifft, so kann man darüber geteilter Meinung sein. Warum soll man Eltern, die finanziell besser gestellt sind, aus der Verantwortung gegenüber ihrem Nachwuchs entlassen, selbst wenn es sich dabei nicht mehr um "Kinder", sondern um junge Erwachsene handelt? Aufgrund unseres Steuersystems erhalten wohlhabende Personen, deren Kinder studieren, schon jetzt beträchtliche indirekte Transferleistungen vom Staat. Das Geld aus den zinsgünstigen Krediten, die sie gar nicht benötigen, könnten sie gewinnbringend anlegen und für sich arbeiten lassen. Als Hochschulförderung kann man das nicht bezeichnen.

Sinnvoller wäre es, das jetzige BAföG-System zu reformieren und mehr Studenten in den Genuss der staatlichen Unterstützung kommen zu lassen. Zum Vergleich: In Frankreich werden 45%, in den Niederlanden sogar 90% der Studierenden vom Staat finanziell gefördert. Natürlich spielen bei diesen Größenordnungen nicht nur soziale Aspekte, sondern auch die Studienleistung eine Rolle. Dies lehnen wir nicht ab, im Gegenteil: Wir sind dafür, dass das völlig unzureichende Stipendiensystem in Deutschland deutlich verbessert wird.

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Hätten Sie auch noch spezielle Wünsche für die Pharmaziestudierenden?

Pfannkuche:

Bei einer Reform des BAföG-Systems sollte man sich überlegen, ob man die Zahlungen individueller gestalten könnte, indem man auf die Unterschiede in den einzelnen Fächern und an den einzelnen Hochschulstandorten eingeht. So müssen sich die Pharmaziestudierenden an den Kosten für die Laborpraktika beteiligen (Glasgeräte und Chemikalien). Da Pharmazie ein NC-Fach ist, können sich die Studierenden ihre Universität auch nicht aussuchen.

In Städten mit einem sehr hohen Mietspiegel und hohen Lebenshaltungskosten wie München oder Frankfurt kommt das Studium sie besonders teuer zu stehen. In einem so lernintensiven Fach ist es besonders schlimm, wenn neben dem Studium noch gearbeitet werden muss. Das schraubt die Studienzeiten nicht nach unten, sondern nach oben und treibt die Studierenden in einen Teufelskreis.

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