DAZ Feuilleton

Geschichte der Calciumtherapie

Calcium gehört zu den unspezifisch wirkenden Substanzen. Seine Wirksamkeit bei bestimmten Indikationen ist umstritten, dennoch wird es auch heute noch therapeutisch verwendet. Die Calciumtherapie allergischer Erkrankungen begann schon vor über hundert Jahren, als der Begriff der Allergie noch gar nicht existierte.

 

Anlass: eine falsche Hypothese

Der britische Physiologe und Pathologe Almroth Wright (1861 – 1947) gilt als Begründer der Calciumtherapie. Er hatte im Jahre 1891 beobachtet, dass sich nach oraler oder parenteraler Verabreichung von Calciumchlorid die Gerinnungsfähigkeit des Blutes erhöht. Eine falsche Hypothese zur Ätiologie der Urtikaria veranlasste Wright, sie mit Calcium zu therapieren. Nach umfassenden Untersuchungen publizierte er im Jahre 1896 seine Ergebnisse und legte damit das Fundament für die Calciumtherapie der Allergie.

Der Brite Thomas Savill (1857 bis 1910) verifizierte das neue Therapiekonzept und machte es durch die Publikation seiner Erfolge weiter bekannt. Über "Merck's Jahresberichte" wurde die Calciumtherapie auch international in Fachkreisen publik gemacht. Obwohl die Rezeption nicht durchweg positiv war, wurde die Calciumtherapie zunehmend angewendet, nicht zuletzt deshalb, weil die verwendete Calciumchorid-Lösung und viele weitere Calciumpräparate in jedem Apothekenlaboratorium schnell und einfach angefertigt werden konnten.

Calciumpräparate

Bald nahm auch die aufstrebende pharmazeutische Industrie Calciumpräparate in ihre Produktpalette auf. Besonders erfolgreich war die Schweizer Firma Sandoz, die mit ihrem im Jahre 1927 eingeführten Calcium-Sandoz®, einem Präparat mit guter lokaler Verträglichkeit und Depot-Effekt, für lange Zeit zum Marktführer wurde.

Eine vergleichsweise kleine Firma, die Calciumpräparate herstellte, war Weiß & Co. KG, ab 1973 VEB Pharma, in Döbeln (Sachsen). Dieses heute nicht mehr existierende Unternehmen war im Jahre 1945 entstanden und produzierte bis zum Beginn der 1990er-Jahre Calciumpräparate unter dem Namen Calcipot (heute 3M Medica, Borken).

Rezension: Apothekengeschichte von Rostock

Das Büchlein mit dem Titel "Von apothecarii, physici und clystierweibern" basiert auf den 1976 fertiggestellten Chroniken der Rostocker Apotheken, reichhaltigem Material des Stadtarchivs sowie Quellen zur jüngsten Geschichte. Aus einer Apotheke im Jahre 1260 wurden bis 1989 dreizehn Apotheken, nun sind es 51. Ökonomische Probleme, Kuriositäten wie z. B. "Knaller fürs Strandfeuerwerk" oder die "Rezeptur eines Trunksuchtpulvers" machen die Lektüre zur unterhaltsamen Reise durch die Apotheken- und Zeitgeschichte, die nicht selten zum Schmunzeln Anlass gibt. Kapitel wie "Die Rostocker Apotheken während der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung 1945 – 1949" klingen zwar nicht amüsant, aber dem Text wohnt ein Augenzwinkern inne, das auch diese Zeit erträglich scheinen lässt. Kapitel der ferneren Vergangenheiten heißen z. B. "Der Stadtphysicus macht Apothekerpreise" oder "Konkurrenz durch Barbiere, Klistierweiber, Gewürzkrämer und Chirurgen". Die Kapitel sind in sich abgeschlossen, sodass man das Buch auch häppchenweise lesen kann (43 Untertitel). Erläuterungen, ein Literaturverzeichnis und eine Zeittafel beschließen den historischen Spaziergang durch acht Jahrhunderte.

Von apothecarii, physici und clystierweibern. Apotheker und Apotheken der Stadt Rostock in acht Jahrhunderten. Ein pharmaziehistorischer Abriss. Von OPhR Dr. Harald Schümann. 120 Seiten, 62 Abb. Verlag Redieck & Schade, Rostock. 10,50 Euro. ISBN 3-934116-25-6

Horst Remane und Barbara Wittor 

Quelle 
„Die Geschichte der Calciumtherapie“, Vortrag von Apotheker Dr. Ulrich Meyer, Berlin, auf dem Jahrestreffen der Regionalgruppen Sachsen und Sachsen-Anhalt der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) am 10. Juli 2004 in Nossen/Altzella.

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