Rechtsprechung aktuell

Belieferung von Justizvollzugsanstalten mit Klinikpackungen rechtmäßig

Ein Apotheker, der über eine Genehmigung zur Versorgung eines Krankenhauses verfügt, handelt nicht wettbewerbswidrig, wenn er Justizvollzugsanstalten (JVA) mit für die Versorgung von Krankenhäusern bestimmten Klinikpackungen beliefert. Dies entschied der Bundesgerichthof (BGH) in Karlsruhe im vergangenen April letztinstanzlich. (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. April 2004, Az.: I ZR 21/02)

Der erkennende Zivilsenat des BGH hatte über den Fall eines Apothekers zu entscheiden, der aufgrund einer entsprechenden Erlaubnis Krankenhäuser mit Arzneimitteln versorgt. Zudem beliefert er aufgrund von Vereinbarungen mit den zuständigen Behörden Justizvollzugsanstalten in den Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Saarland mit Arzneimitteln. Dies geschieht im Wege des Versands durch Kurierdienste und betrifft außer Notfälle alle apothekenpflichtigen Arzneimittel. Überwiegend werden dabei Klinikpackungen versendet.

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, vertrat die Ansicht, der beklagte Apotheker verstoße damit gegen das seinerzeit noch bestehende Versandhandelsverbot (§ 43 Abs. 1 S. 1 Arzneimittelgesetz [AMG], alte Fassung). Zudem liege ein Verstoß gegen das Verbot vor, Klinikpackungen außerhalb des Krankenhauses weiter zu verkaufen (§ 1 UWG in Verbindung mit § 14 Abs. 4 und 5 Apothekengesetz [ApoG]).

Der Weg durch die Instanzen

In der ersten Instanz wurde der Klage stattgegeben. Der Beklagte wurde verurteilt, es zu unterlassen, Justizvollzugsanstalten im Wege des Versandes zu beliefern und mit Klinikpackungen zu versorgen. Die Berufung des Apothekers führte lediglich dazu, dass das Urteil insoweit aufgehoben wurde, als es dem Beklagten untersagte, die Medikamente zu versenden. Im Revisionsverfahren vor dem BGH begehrte der Beklagte weiterhin die Abweisung der gesamten Klage. Die Klägerin verfolgte das Verbot der Abgabe von Klinikpackungen weiter. Hinsichtlich ihres Antrags, dem Beklagten das Versenden von Arzneimitteln an Justizvollzugsanstalten zu untersagen, erklärte die Klägerin ihre Klage für erledigt, da das Versandverbot mit dem GKV-Modernisierungsgesetz zum 1. Januar 2004 weggefallen ist.

BGH: Versendung war "begründeter Einzelfall" im Sinne der ApBetrO

Der BGH wies die Klage nun insgesamt ab. Dabei machten die Richter deutlich, dass die Klage im Hinblick auf das Versandverbot bereits vor der Aufhebung dieses Verbots zum 1. Januar 2004 unbegründet war. Die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), so der erkennende Senat, wies auch schon vorher eine gesetzliche Ausnahme vom Versandverbot auf: den so genannten begründeten Einzelfall. Im Urteil heißt es dazu: "Denn für die vorliegende Fallgestaltung, bei der es um die Versorgung von Insassen von Justizvollzugsanstalten mit Arzneimitteln geht, sind die Vorschriften der § 43 Abs. 1 S. 1 AMG, § 17 Abs. 1 und 2 ApBetrO verfassungskonform dahin auszulegen, dass hier ein 'begründeter Einzelfall' im Sinne des § 17 Abs. 2 S. 1 ApBetrO vorliegt, bei dem die Versendung aus der Apotheke oder die Zustellung durch Boten zulässig ist." Insassen einer Justizvollzugsanstalt sei es nicht möglich, nach Belieben eine öffentliche Apotheke aufzusuchen, erläuterte das Gericht. Es müsse also eine andere Möglichkeit gefunden werden, sie mit Medikamenten zu versorgen.

Ungeeignet wäre es nach Auffassung der Richter, wenn sie ihre Arzneimittel direkt selbst von einer Apotheke zugesendet bekämen. Die erforderliche Beratung und Information der Patienten könne so nicht sichergestellt werden. Dem Interesse der Patienten entspreche es jedoch, wenn ihre Versorgung mit Arzneimitteln über den jeweiligen Anstaltsarzt erfolge, dem die Medikamente auf dem Versandwege geliefert werden. Weder der Zweck des Versandverbotes, durch Beratung und Information Risiken zu vermeiden, noch sonstige Gründe der Arzneimittelsicherheit gebieten es, dass der Anstaltsarzt anstelle des Patienten eine öffentliche Apotheke aufsuchen müsste, heißt es im Urteil.

Verbilligte Klinikpackungen: Eigentlich nur für Krankenhäuser ...

Der BGH befand zudem, dass das Berufungsgericht im Punkt der Weitergabe von Klinikpackungen rechtsfehlerfrei entschieden hatte. Gemäß § 14 Abs. 5 ApoG habe der Beklagte eine Genehmigung zur Versorgung von Krankenhäusern. Für die Abgabe von Arzneimitteln an Krankenhäuser galt und gilt die Arzneimittelpreisverordnung nicht. Sie werden regelmäßig verbilligt an Kliniken abgegeben. Nach der Rechtsprechung des BGH dürfen krankenhausversorgende Apotheken diese verbilligten Packungen für den Klinikbedarf grundsätzlich nicht zum Zwecke des Einzelverkaufs außerhalb der Krankenhäuser abgeben. Denn ein solches Vorgehen führe zu einer Wettbewerbsverzerrung auf dem Arzneimittelmarkt (BGH, Urteil vom 12. 10. 1989, Az.: I ZR 228/87).

... doch Weitergabe an JVA ebenfalls zulässig

Beim Weiterverkauf von Klinikpackungen an Justizvollzugsanstalten sei die Gefahr einer vergleichbaren Wettbewerbsverzerrung hingegen nicht gegeben, befand der BGH im vorliegenden Urteil. Der Zweck der Vorschriften des § 14 Abs. 4 und 5 ApoG bestehe neben der Verbesserung der Arzneimittelsicherheit im Bereich der Krankenhäuser darin, eine nicht vertretbare Verzerrung des Verhältnisses zwischen Krankenhausapotheken und krankenhausversorgenden Apotheken einerseits und öffentlichen Apotheken andererseits zu vermeiden. Insbesondere solle verhindert werden, dass Krankenhausapotheken oder Krankenhaus versorgende Apotheken durch die Abgabe von Klinikpackungen an Endverbraucher höhere Gewinnspannen erzielen als öffentliche Apotheken, die ihre Arzneimittel über den Großhandel beziehen müssen.

Bei der Weitergabe von Klinikpackungen an Justizvollzugsanstalten werde aber nicht nachteilig in den Wettbewerb zwischen Krankenhaus- und öffentlichen Apotheken eingegriffen, so der erkennende Senat. Denn die Abgabe von Arzneimitteln an Justizvollzugsanstalten sei im Hinblick auf das Preisgefüge von jeher der Abgabe an Krankenhäuser gleichgestellt gewesen. Weder werde – soweit die Abgabe von Arzneimitteln an Endverbraucher betroffen ist – durch die Abgabe an Justizvollzugsanstalten der Preiswettbewerb zwischen öffentlichen Apotheken berührt. Noch sei ersichtlich, dass sich eine Krankenhaus versorgende Apotheke in anderer Hinsicht einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil gegenüber öffentlichen Apotheken verschafft, wenn sie von ihr bezogene Klinikpackungen an Justizvollzugsanstalten weiterverkauft. Der BGH macht in seinem Urteil zudem deutlich, dass es jeder öffentlichen Apotheke gestattet ist, verbilligte Klinikpackungen von Arzneimittelherstellern zu beziehen und diese an Justizvollzugsanstalten abzugeben. Denn für die Versorgung von Justizvollzugsanstalten mit Arzneimitteln bedarf es im Gegensatz zur Versorgung von Krankenhäusern keiner besonderen Genehmigung.

Rechtsanwältin Kirsten Sucker-Sket, Berlin

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